Klimastreik: Wer hat Angst vor der Energiewende?

Heute findet erneut ein globaler Klimastreik statt, organisiert von Fridays For Future. In Deutschland beteiligen sich 270 Städte daran. Bild: Singlespeedfahrer / CC0 1.0

Vor dem Hintergrund der fossilen Energiekrise wird Alternativlosigkeit und Angst erzeugt. Mehr Gas erscheint als einzige Lösung, sonst drohe der soziale Crash. Wirklich?

Heute werden weltweit wieder viele Menschen auf die Straße gehen, um für Klimaschutz zu streiken. Aufgerufen zu den Demonstrationen hat die Klimaschutzbewegung Fridays For Future. In 270 Städten sind allein in Deutschland Proteste angekündigt.

Die Forderung ist unmissverständlich: "People over Profit", Menschen sollte die Priorität eingeräumt werden gegenüber dem Gewinnstreben von Unternehmen. Insbesondere in einer Situation, in der Öl- und Gaskonzerne in einer schweren fossilen Energiekrise ihre Förderaktivitäten noch ausbauen und Rekordgewinne auf Kosten der Verbraucher:innnen einfahren.

Umso schlimmer, wenn die politisch Verantwortlichen nicht gegensteuern, sondern das Ganze noch verschlimmern. So möchte die neue Premierministerin von Großbritannien Liz Truss das Fracking-Verbot im Land aufheben, um die besonders klimaschädlichen Gasvorräte dort anzapfen zu können.

Aber auch in Deutschland geht viel zu viel in die falsche und zu wenig in die richtige Richtung, trotz grüner Regierungsbeteiligung. Anstatt die Chance der durch das Embargo gegen Russland erzeugten Knappheit von Gas und Öl für den Umbau zu nutzen, werden neue fossile Lieferanten gesucht und umworben: wie Katar, Algerien, Senegal, Israel, Kanada und die USA.

Doch dieses neue Gas ist nicht nur genauso schmutzig oder zum Teil noch schmutziger als das russische, es erzeugt auch eine Reihe von Problemen: langfristige fossile Abhängigkeiten und Deals mit autokratischen Regimen, Menschenrechtsverletzungen, Energieknappheit und -verteuerungen für die ärmeren Länder, und, im Fall der Karish-Gasfeldern, die Israel und der Libanon zugleich für sich beanspruchen, das Anheizen des Nahost-Konflikts.

All das ist offensichtlich. Doch das Kernargument dafür, die fossile Lücke mit noch mehr Fossilen aus aller Welt zu schließen, lautet: Es gibt keine Alternative. Klimaschutz müsse in der fossilen Energiekrise zurückstehen, denn es gehe jetzt um die Stabilisierung unseres Energiesystems, Versorgungssicherheit und soziale Balance.

Doch es gibt durchaus Alternativen dazu. Sie würden zudem die Wirtschaft nachhaltig ankurbeln, saubere Jobs schaffen und eine soziale Wende von unten ermöglichen. Doch dieser Weg ist in der fossilen Energiekrise im Zuge des Ukraine-Kriegs nicht eingeschlagen, nicht einmal zur Diskussion gestellt worden – auch und vor allem, weil einflussreiche Lobbys und die Stimmen, die "Jetzt Nicht" gerufen haben, lauter waren und von der Politik erhört wurden.

So gab es schon früh eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die aufzeigt, dass Deutschland sich mit Energieeffizienz- und Sparmaßnahmen sowie der Ausweitung von Gaslieferungen aus anderen Ländern wie Norwegen oder den Niederlanden umgehend von russischem Gas verabschieden könnte, ohne eine Versorgungslücke zu erzeugen.

Wenn die Energie-Einsparpotenziale maximal genutzt und gleichzeitig die Lieferungen aus anderen Erdgaslieferländern so weit wie technisch möglich ausgeweitet werden, ist die deutsche Versorgung mit Erdgas auch ohne russische Importe im laufenden Jahr und im kommenden Winter 2022/23 gesichert.

Eine andere Untersuchung der Denkfabrik Zero Emission Think Tank, veröffentlicht während des G7-Treffens auf Schloss Elmau Ende Juni, macht zudem klar, dass es nicht einmal neues Gas bräuchte.

Das durchgerechnete Energie-Szenario der Forscher besteht im Kern aus: mehr Biogas, Wärmepumpen- und Windkraft-Offensive, Dämmen von Wohnungen und Weiterführung des 9-Euro-Tickets. Das würde nicht nur die Energiewende stärken, Emissionen senken (und Deutschland so erstmalig auf einen 1,5-Grad-Pfad bringen) sowie Energiesicherheit garantieren, sondern, gepaart mit gezielten Prämien, Kosten sparen und sozialen Ausgleich schaffen.

Im Vorwort der Studie schreibt Hans-Josef Fell, Präsident der Energy Watch Group:

Die vorliegende Untersuchung macht Vorschläge und liefert Argumente, wie die Bundesregierung einen Sofort-Boykott russischer Energielieferungen beschließen kann, ohne unerträgliche Notstände für die Bevölkerung, vor allem ohne massive Produktionseinbrüche und soziale Verwerfungen in der Heizsaison im kommenden Winter.

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