Nebenwirkungen Corona-Impfung: Impfhersteller sollen Daten herausgeben

Wissenschaftler fordern Primärdaten aus Zulassungsstudien zu mRNA-Impfstoffen. Behörden sollen die Daten einfordern.

Wenn es um die Corona-Krise geht, so wird es politisch nach wie vor brisant. Besonders wenn es um die Impfungen geht, genauer: um die Einschätzung ihrer Schutzwirkung gegenüber möglichen Nebenwirkungen.

Für Wissenschaftler stellt sich das Problem, an relevante Daten zu gelangen, wie sich aktuell an der Forderung nach Offenlegung von Primärdaten aus Zulassungsstudien der Impfhersteller zeigt. Die Welt aus dem Springerverlag berichtete vor Tagen darüber. Dort heißt es, dass sich Virologen, Epidemiologen und Pharmakologen, die ansonsten unterschiedliche Auffassungen zur Corona-Pandemie vertreten, in einem Punkt einig seien:

Es ist die Forderung nach einer unabhängigen Überprüfung der Studien, die zur Zulassung der mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna führten. Die Studien sind zwar veröffentlicht. Jedoch fehlen die Primärdaten, wissenschaftlich gesehen die entscheidenden Unterlagen.

Die Welt

Als maßgebliche Stelle wird dort Peter Doshi zitiert. Der Forscher, der in der Fachzeitschrift British Medical Journal (BMJ) als leitender Redakteur tätig ist und außerordentlicher Professor für pharmazeutische Versorgungsforschung an der University of Maryland School of Pharmacy ist, hat zuletzt mit Untersuchungen über Nebenwirkungen der mRNA-Impfstoffe für Furore gesorgt.

Sein Team stellte fest, dass ernsthafte Nebenwirkungen in einem Maß auftraten, dass die Schaden-Nutzen-Analyse auf eine bessere formelle Grundlage gestellt werden müsse. Grundlage für die Studie waren Daten aus klinischen Studien von Pfizer and Moderna.

"Generell traten in der Pfizer/Biontech-Impfstoffgruppe schwere Nebenwirkungen um 36 Prozent häufiger auf als in der Placebogruppe, bei Moderna waren es sechs Prozent. Kombiniert man beide Studien, kommt man auf ein um 16 Prozent erhöhtes Risiko einer schweren Nebenwirkung durch Covid-Impfstoffe", fasste Doshi seine Studienergebnisse gegenüber der Welt zusammen.

Seine Studie kam unter starke Kritik. Kein Wunder, solche Ergebnisse, die für entsprechende Schlagzeilen sorgen (siehe auch an dieser Stelle zu einem Vorabergebnis,- ohne Peer-Review), erhöhen nicht gerade die Vertrauenswürdigkeit in die Impfung. Der wissenschaftliche Beweis, dass es mehr Nebenwirkungen gebe, fehle noch, meint auch Alexander Kekulé, der zu den eher moderateren Kritikern gehört, "aber er hat Fragen aufgezeigt, die beantwortet werden müssen".

Nun schränkte Doshi selbst die Reichweite und Aussagekraft seiner Ergebnisse ein. Den Metadaten fehlt etwas Wichtiges:

Allerdings liefern unsere Werte nur einen Durchschnitt der schweren Nebenwirkungen in allen Altersgruppen, eben weil wir keine detaillierten Patientendaten hatten.

Peter Doshi, Die Welt

"Diese Analysen erfordern die Veröffentlichung von Datensätzen auf Teilnehmerebene", heißt es auch in der Studie selbst.

Mit der Forderung nach Primärdaten aus Zulassungsstudien steht Doshi längst nicht allein, wie der anfangs erwähnte Bericht der Welt verdeutlicht. Dort wird eine ganze Reihe von Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Lagern aufgezählt, die sich dafür aussprechen, die "Geheimniskrämerei der Impfhersteller" zu beenden.

"Zugang zu allen relevanten Daten aus allen klinischen Studien"

Zitiert wird auch das Stiko-Mitglied Jörg Meerpohl, Chef des Instituts für Evidenz in der Medizin am Universitätsklinikum Freiburg, der sich für einen barrierefreien "Zugang zu allen relevanten Daten aus allen klinischen Studien" einsetzt, um zu verhindern, "dass die Evidenz, die die Grundlage für Entscheidungen bildet, nicht verzerrt ist und dem Stand der Wissenschaft entspricht".

Auch einer der schärfsten Kritiker der Studie von Peter Doshi, Leif Erik Sander ("Der Artikel von Peter Doshi et al zu Nebenwirkungen (SAESI) von mRNA-Impfstoffen basiert auf krass manipulativer Statistik."), Mitglied des Corona-Expertenrats, schließt sich laut Welt diesen Forderungen an: "Die Daten müssen auf den Tisch."

Datenschutz und politischer Druck

So sieht es bei dieser Forderung ganz danach aus, als ob sich eine gemeinsame politische Front in einem ansonsten sehr divergierenden Spektrum bilden könnte. Ein wichtiges Problem ist der Datenschutz, den die Hersteller für ihre Verweigerung der Herausgabe der Primärdaten ins Feld führen können.

"Die Einsicht sollte zumindest Fachleuten möglich sein", bringt der Charité-Immunologe Andreas Radbruch dagegen vor. Für ihn ist evident: Dass es Aufgabe der Behörden ist, die Primärdaten einzufordern und die der Hersteller, sie zu liefern.

Ob da endlich ein politischer Druck entsteht, bei dem auch das Pauls-Ehrlich-Institut mitmacht? Das PEI war in seiner Politik der Datenherausgabe nach Erfahrung der Telepolis-Redaktion nicht gerade ein Vorreiter für mehr Transparenz.