Herbst 2022: 85 Prozent der Deutschen ist die Zuversicht verloren gegangen

Bild: Pixabay

Die AfD-Anhänger erreichen fast die Marke von 100 Prozent "Beunruhigten". ARD-DeutschlandTrend: Eine Hiobsbotschaft nach der anderen gräbt sich in die Befindlichkeit der Bevölkerung.

Verflossen ist das Gold der Tage, meldet das Stimmungsbarometer der ARD. Die wirtschaftliche Lage wird von 80 Prozent der Deutschen als "weniger gut" beziehungsweise "schlecht" empfunden. Und: Die Zuversicht ist weg.

"Nur zwölf Prozent glauben, dass die wirtschaftliche Lage in einem Jahr besser sein wird", hat der ARD-DeutschlandTrend Anfang der vergangenen Woche bei Befragungen von 1.307 Wahlberechtigten ermittelt.

Ob die Verhältnisse in Deutschland eher Anlass zur Zuversicht geben oder zur Beunruhigung, fragte infratest dimap über Telefon oder online. 85 Prozent waren beunruhigt. Elf Prozent blieben zuversichtlich, trotz allem. Bei der AfD sieht man die Zukunftsverminderung offensichtlich besonders scharf.

Unter Anhängern der Protestpartei erreicht die Beunruhigung fast schon die 100-Prozent-Marke. 95 Prozent gaben an, dass sie die Verhältnisse in Deutschland beunruhigten. Ganze vier Prozent der AfD-Anhänger sahen über die schwarzen Wipfel und die herbstlichen Stoppelfelder hinaus und erklärten sich in der Meinungsumfrage als zuversichtlich.

Ähnlich dunkel, wenn auch vielleicht noch aus parteiinternen Gründen, ordneten sich die Linken-Anhänger in der Wahl zwischen den Polen "Beunruhigung" und "Zuversicht" ein. Mit 93 Prozent Beunruhigten ist man nah dran an den AfD-Anhängern, was die Einschätzung der Aussichten betrifft.

Den höchsten Anteil an Zuversichtlichen fand der ARD-DeutschlandTrend bei den Grünen mit 24 Prozent, die einer satten Mehrheit von 70 Prozent Beunruhigten gegenüberstehen. So viele Zuversichtliche gibt es bei den Anhängern anderen Parteien nicht. Bei weitem nicht. Bei den Unions-Sympathisanten, Rang 2, sind es gerademal 13 Prozent "Zuversichtliche" und 80 Prozent "Beunruhigte". 80 Prozent der SPD-Anhänger gehören ebenfalls zu den pessimistisch Sorgenvollen, bei der FDP sind es 92 Prozent.

Diese Mehrheitsverhältnisse sind hier eindeutig.

Historisches Tief

Die wirtschaftliche Lage im deutschen Herbst 2022 gibt auch nicht viel ermunternde Zeichen: Der deutsche Handelsüberschuss verschwunden, wie aus dem Institut of International Finances signalisiert wird, der Ifo-Geschäftsklimaindex "auf breiter Front gefallen", der Einzelhandel erwartet ein "historisches Tief", der Pessimismus mit Blick auf die kommenden Monate habe "deutlich zugenommen", so das Ifo-Institut.

Nahezu alle Prognosen und Konjunkturindikatoren seien "extrem pessimistisch", stellt das Wirtschaftsmagazin Makroskop in seinem aktuellen Konjunkturbericht fest, der sich mit den Zahlen aus dem Juli dieses Jahres befasst. Eine Hiobsbotschaft jagt die nächste, heißt es am Ende.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) fürchtet demnach dramatische Kaufkraftverluste und unrentabel werdende Geschäftsmodelle auf Deutschland zukommen. Die Beunruhigten haben laut DIW allen Grund zur Sorge. Zumal, wie Heiner Flassbeck heute an dieser Stelle erläutert, alte Fehler der schlauen Berater aus Wirtschaftsinstituten die Lage verschärfen.

Momentan sei "kein Licht am Ende des Tunnels zu sehen", wird DIW-Konjunkturexperte Guido Baldi zitiert. Er fürchtet, dass die "berechtigten Ängste" die Konsum- und Investitionsneigung zusätzlich bremsen und die Rezession noch weiter verschärfen. "Deutschland und Europa drohen Deindustrialisierung, sinkende Lebensstandards und Massenverarmung", lautet der letzte Satz des Konjunkturberichts.

"Jährlich neigt sich tiefer das Haupt", ist beim Dichter Trakl zu lesen. Der Winter 2022 ist nicht der erste in der jüngsten Zeit, vor dem große Teile der Bevölkerung laut ARD-Umfrage bange ist. Nur ist es diesmal nicht mehr alleine eine Pandemie, sondern eine ganze Serie von Krisen und Ängsten. Diese Sorge allerdings ist in ihrer drastischen Ausprägung im Wohlstands gewohnten Deutschland neu:

Eine Mehrheit (57 Prozent) macht sich derzeit große oder sehr große Sorgen, dass die Preise so stark steigen, dass sie ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können.

ARD-DeutschlandTrend

Anzeichen von Optimismus

Ein etwas verblüffendes Anzeichen von Zuversicht hat das ARD-Barometer aber auch detektiert: Wenn es um die Sicherheit des Arbeitsplatzes gehe, so sei die Mehrheit der erwerbstätigen Deutschen "optimistisch". Aktuell würden sich nur 19 Prozent Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen, dagegen aber eine Mehrheit von 79 Prozent angeben, "aktuell wenige beziehungsweise gar keine Sorgen zu haben, den Arbeitsplatz zu verlieren".

Im Vormonat wurde noch ein anderer Eindruck vermittelt. Da war das Thema die "große Sorge vor Verlust von Arbeitsplätzen". 83 Prozent rechneten in der September-Umfrage des Trendbarometers damit, dass Arbeitsplätze verloren gehen werden (Energiekrise: Die Sorge der Deutschen um Arbeitsplätze). Wie ist der Unterschied zu erklären? Weil es da um die Arbeitsplätze der anderen ging?

Denen, die den weichen Wahnsinn in Umfragen und düsteren Aussichten kennen, mag die trockene lllusionsrestistenz von Karl Valentin helfen: "Hoffentlich wird es nicht so schlimm, wie es schon ist."

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