Todes-Flut im Ahrtal 2021: Wie viel Schuld trägt dieser Mann?

Tödliches Versagen: Innenminister Roger Lewentz (SPD). Bild: Harald Krichel, CC BY-SA 3.0

Luftbilder von der Katastrophe belegen die vernichtende Kraft der Wassermassen. Und das Versagen des Innenministers. Wieso wurde eine wichtige Videodatei der Polizei nicht weitergeleitet?

Von den überschwemmten Rotweingebieten entlang der Ahr sind verstörende Aufnahmen aufgetaucht. Sie stammen von einem Helikopterflug der Polizei aus der Flutnacht des 14. Juli 2021 und zeigen, wie um kurz nach 22:00 Uhr verzweifelte Menschen auf Hausdächern mit Lichtzeichen auf sich aufmerksam machen.

Die flackernden Lichtkegel der Lampen wirken wie verzweifelte Hilferufe. Der Polizeihubschrauber war nicht mit einer Winde ausgestattet. Er konnte daher keine Personen retten.

Der Kommandant der Maschine, aus deren Kameraausrüstung die Bilder stammen, habe seine Eindrücke direkt nach dem Aufklärungsflug dem Lagezentrum des Innenministeriums geschildert, heißt es. Es war auch das Lagezentrum, das den Einsatz des Polizeihubschraubers in Auftrag gegeben hatte.

Das Video selber wurde jedoch nicht weitergegeben. Was geschah mit den Videodateien?

Sie sollen erst kürzlich – mehr als ein Jahr nach ihrer Entstehung – auf der externen Festplatte eines Mitarbeiters der Hubschrauberstaffel gefunden worden sein. Im September berichtete der SWR erstmals. Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) geriet in Erklärungsnot. Zuletzt ist die Rede von einem "Dokumentationsfehler".

Die Diskussion darum und um die Verantwortlichkeiten in jener Nacht geben weiter Rätsel auf.

Ein Dokumentationsfehler, der Leben kostete

Lewentz wurden in der Flutnacht, und zwar um 23.46 Uhr, drei Fotos des Fluges per E-Mail zugeschickt. Auf diesen Fotos – Standbilder, keine Bewegtbilder – sind die überfluteten Orte Liers, Schuld und Altenburg zu sehen.

Zu diesem Zeitpunkt lebten am Unterlauf der Ahr noch viele Menschen, die später in den Wassermassen umkamen.

Für ihn sei nicht vorstellbar gewesen, was am kommenden Tag sichtbar geworden sei, erklärt Lewentz. Im SWR-Interview musste er sich unangenehmen Fragen stellen.

Er habe die Zerstörungskraft nicht gesehen. Lewentz spricht von "punktuellen Informationen", das Gesamtbild will er nicht erkannt haben. Der Frage nach einem Rücktritt weicht er aus, er möchte jetzt die Zukunft an der Ahr gestalten.

Für viele Menschen ist aber die Vergangenheit noch nicht annähernd aufgearbeitet. Betroffen von der Flut allein im Ahrtal sind rund 42.000 Menschen. In der Katastrophennacht starben nach heutigen Erkenntnissen dort 134 Menschen, zwei gelten bis heute als vermisst. Es gab 766 Verletzte und unerhörte Verwüstungen. Straßen, Brücken, Gas-, Strom- und Wasserleitungen und rund 9.000 Gebäude wurden zerstört oder schwer beschädigt.

Ein Großteil der Getöteten – etwa 80 Personen – kam nach 23.00 Uhr an der unteren Ahr, zwischen Bad Neuenahr und Sinzig, ums Leben. Hätte man sie noch rechtzeitig warnen können?

CDU-Obmann Dirk Herber meint "ja" und spricht von …

… Stunden, in denen Menschen im Ahrtal frühzeitig hätten gewarnt und Leben hätten gerettet werden können.

CDU-Obmann Dirk Herber, Untersuchungsausschuss

Weshalb die komplette Videodatei (und nicht nur ein paar Fotos) aus dem Helikoptereinsatz des 14. Juli, also am Abend der Flut, nicht sofort an das Ministerium weitergeleitet wurde, ist, Angaben der Polizei zufolge, weiter Gegenstand von Ermittlungen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.