Berliner Polizei meldet Hirntod von verletzter Radfahrerin

Im Rahmen des globalen Kunstprojekts "Ghost Bikes" wird im öffentlichen Raum mit weißen Fahrrädern und Blumen an Unfallopfer erinnert, die dieses Verkehrsmittel nutzten. Foto: Telepolis/claw

Keine Hoffnung für die Frau, deren Rettung laut Feuerwehr durch Klimaproteste verzögert wurde. Reaktionen im Netz von "Mörder" bis "Klebt euch verdammt nochmal vor den Bundestag". Die Initiative selbst äußert sich zurückhaltend.

Die Radfahrerin, die am Montag bei einem Verkehrsunfall in Berlin-Wilmersdorf lebensgefährlich verletzt wurde, ist heute Vormittag laut einer Polizeimeldung im Krankenhaus für hirntot erklärt worden.

Die 44-jährige Frau war am Montagmorgen in der Bundesallee von einem Betonmischer überrollt und unter ihm eingeklemmt worden. Nach Angaben der Feuerwehr hatte eine Blockade der "Letzten Generation" dazu beigetragen, dass Einsatzkräfte auf der Stadtautobahn A100 im Stau standen und mit Verzögerung am Unfallort eintrafen.

Die Gruppe, die mit Aktionen des zivilen Ungehorsams effektiven Klimaschutz durchsetzen will, hatte am Montag erklärt, sie könne "nicht ausschließen, dass die Verspätung des Rüstwagens auf einen durch uns verursachten Stau zurückzuführen ist".

Die Unfallstelle zwischen der Nachodstraße und der Spichernstraße lag außer Sichtweite der Aktiven. "Wir hoffen inständig, dass sich ihr Gesundheitszustand durch die Verspätung nicht verschlimmert hat", hatte Carla Hinrichs von der "Letzten Generation" am Montag erklärt.

Auf die Nachricht vom heutigen Donnerstag reagierte die Gruppe mit einem Tweet, der auf ein sehr geteiltes Echo stieß: "Dass die Radfahrerin, die am Montag in Berlin bei einem Unfall von einem Betonmischer verletzt wurde, nun für hirntot erklärt wurde, trifft uns tief. Wir wünschen den Angehörigen viel Kraft."

Die Reaktionen im Netz reichten von "Mörder" und "Heuchler" über "Klebt euch verdammt nochmal vor den Bundestag und protestiert da!" bis: "Es ist nicht eure Schuld, wenn Autos keine Rettungsgasse bilden! Bitte fühlt euch nicht für etwas verantwortlich, das auf staatlichem bzw. gesellschaftlichem Kollektivversagen basiert."

In differenziert-kritischen Reaktionen von Menschen, die das Grundanliegen der Gruppe teilen, wurde gefordert, die Aktionsformen "anzupassen" oder zu "optimieren", um sicherzustellen, dass Straßenverkehrsopfer nicht zusätzlich gefährdet werden.

"Bis hin zu Unwahrheiten"

Die "Letzte Generation" selbst wollte sich in einem weiteren Tweet an diesem Donnerstag weder freisprechen noch für schuldig erklären:

Wir lesen viele Informationen bis hin zu Unwahrheiten, die von großen Medien verbreitet werden. Bis auf Weiteres möchten wir eine Stellungnahme der Berliner Feuerwehr abwarten.


Social-Media-Team der Gruppe "Letzte Generation"

Im Zweifel wird erst in einer Beweisaufnahme mit Sachverständigen vor Gericht geklärt, welche Mitverantwortung die Gruppe tatsächlich für die Schwere der Unfallfolgen trägt.

Ermittelt wird aktuell gegen zwei beteiligte Männer im Alter von 59 und 63 Jahren wegen des Verdachts auf unterlassene Hilfeleistung beziehungsweise Behinderung hilfeleistender Personen. Schlagzeilen wie "Diese Klimakinder haben sich verrannt" waren wohl den anfangs eher sehr jungen Hauptakteuren der Kampagne geschuldet.

"Nach dem Tod des Radfahrerin sollte die Polizei rasch aufklären, ob die radikalen Klimaschützer neben Kleber jetzt auch Blut an den Händen haben", twitterte Nikolaus Blome von der Zentralredaktion der Mediengruppe RTL Deutschland an diesem Donnerstag.

Die Polizei hatte zunächst vermeldet, die Frau sei bereits gestorben. Am Nachmittag wurde die Meldung via Twitter korrigiert, die Polizei bat um Entschuldigung: "Die behandelnden Ärzte haben den Hirntod festgestellt, betreuen sie weiterhin intensivmedizinisch."

In einem Debattenbeitrag für Telepolis hatte Heinrich Strößenreuther, CDU-Mitglied und Mitgründer des Vereins KlimaUnion e. V., darauf hingewiesen, dass die Unschuldsvermutung zunächst für alle Beteiligten gelten müsse.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hatte am Dienstag unabhängig von der Mitverantwortung in diesem konkreten Fall mit Blick auf die Straßenblockaden betont: "Wir verurteilen dieses Verhalten." Es sei die klare Haltung der Landesregierung, dass diese Form des Protestes "unangemessen" sei.

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