Die Todesrouten der Migration

Zur tödlichsten Route nach Europa entwickelt sich die "westafrikanische Route" zu den Kanarischen Inseln. Auch die Zahl der Boote, die aus Algerien kommend die Balearen erreichen, steigt deutlich.

Laut den aktuellen Zahlen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) haben mehr als 50.000 Menschen seit 2014 auf den globalen Migrations-Routen ihr Leben verloren.

Seit acht Jahren versucht die UN-Organisation mit Sitz in Berlin die Zahl derer zu zählen, die auf ihrer Flucht das Leben verlieren. "Obwohl jedes Jahr Tausende von Todesfällen auf den Migrationsrouten dokumentiert werden, wird nur sehr wenig getan, um die Folgen dieser Tragödien anzugehen, geschweige denn sie zu verhindern", sagt Julia Black, Koautorin des nun vorgelegten Berichts.

"Mehr als die Hälfte der 50.000 dokumentierten Todesfälle ereigneten sich auf den Routen nach und innerhalb Europas, wobei die Mittelmeerrouten mindestens 25.104 Todesopfer forderten", heißt es im Bericht. Black twitterte dazu:

Unabhängig davon, ob jemand aus seiner Heimat wegen eines Krieges oder aus wirtschaftlichen oder Umweltgründen flieht, verdient es niemand, auf der Suche nach einem besseren Leben zu sterben.

Julia Black

Eine der tödlichsten Routen führt über den Atlantik zu den Kanarischen Inseln. Mindestens 1.533 Menschen haben nach OIM-Angaben seit Beginn des Jahres auf dem Weg von der westafrikanischen Küste auf die spanischen Urlaubsinseln ihr Leben verloren.

Nichtregierungsorganisationen wie Caminando Fronteras/Walking Borders gehen allerdings davon aus, dass die Zahl untertrieben ist, allein 2021 müsste sie auf mehr als 4.400 angehoben werden. Das hat die Organisation auf Basis von Kontakten zu Freunden und Angehörigen im Jahresbericht dargestellt. Zahllose Boote seien "unsichtbar" und würden keine Spuren hinterlassen.

Für spanische Medien hat sich die "westafrikanische Route", wie sie von der EU genannt wird, nun zur tödlichsten Route entwickelt.

Anstieg der Migranten, die das hohe Risiko eingehen

Die Zahl derer, die diesen langen und gefährlichen Weg versuchen, steigt nach OIM-Angaben wieder stark an, während die EU sogar von einem "drastischen" Anstieg spricht.

Allerdings ist die Zahl derer, die die Kanarischen Inseln in diesem Jahr bis zum 15. November erreicht haben, im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 17,6 Prozent von 18.061 auf 14.875 gesunken, so die vor Kurzem veröffentlichten Zahlen des spanischen Innenministeriums.

Interessant an diesen Zahlen ist, dass die Zahl der "illegalen Einreisen" in die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla weiter zugenommen hat, vor allem nach Melilla.

Die tödlichen Vorgänge, als an den Grenzzäunen zu Melilla im Juni mindestens 40 Menschen ihr Leben angesichts des äußerst brutalen Vorgehens der Sicherheitskräfte gegen Flüchtlinge und Migranten bei einem von Marokko herbeigeführten "Ansturm" verloren, haben offensichtlich keine nachhaltige abschreckende Wirkung entfaltet.

Die Grenzsicherung, die sich Europa bei Marokko für eine halbe Milliarde Euro zu erkaufen versucht, funktioniert offensichtlich nicht beim Zugang zu den Exklaven. Deshalb nehmen derzeit weiterhin mehr Menschen diesen Weg, statt den deutlich gefährlichen über den Atlantik auf die Kanaren zu versuchen.

Je stärker Marokko, das für die tödliche Abschottung weitere 30 Millionen Euro von der selbsternannten "fortschrittlichsten" Regierung Spaniens erhält, der von geforderten Abwehr-Aufgabe nachkommt, desto stärker wird die tödliche Route über den Atlantik genutzt werden.

Falls Marokko dann auch verstärkt in der besetzten Westsahara das Ablegen der Boote verhindert, desto weiter werden die Strecken wieder, weil dann Boote verstärkt auch aus Mauretanien oder dem Senegal wie vor 15 Jahren ablegen.

Politisches Druckmittel

Da es Spanien sich aber mit dem Schmusekurs mit Marokko mit Algerien verscherzt hat, weil Madrid gegen das Völkerrecht die Souveränität Marokkos über die illegal besetzte Westsahara nun faktisch anerkennt, wird nicht nur das Gas teuer und könnte ganz abgestellt werden. Algerien macht es Marokko nach und setzt ebenfalls die Migration als politisches Druckmittel ein.

Es ist offensichtlich, dass die Zahl der Boote, die aus Algerien jetzt Mallorca und die Baleareninseln erreichen, stark zugenommen hat. Im vergangenen Jahr erreichten 164 Boote mit etwa 2500 Migranten aus Algerien die Balearen, das war eine Steigerung um mehr als 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Spanische Medien berichten, dass die Regierung noch nicht von einer neuen Route spricht. Dabei steigt die Zahl der ankommenden Boote weiter an. Allein bis Oktober waren es schon 159 und auf Mallorca wurde schon ein Auffanglager eingerichtet.