Bundesregierung offen für Beschlagnahme russischer Vermögen

Die EU-Länder wollen den Großteil des Wiederaufbaus in der Ukraine finanzieren. Eingefrorene russische Vermögen sollen dafür enteignet werden können. Welche Probleme bestehen und was diskutiert wird.

Das Ende des Krieges in der Ukraine liegt noch in der Ferne, doch in den westlichen Staaten diskutiert man bereits seit Längerem über den Wiederaufbau des verwüsteten Landes. Wie der Finanzdienst Bloomberg am Dienstag mitteilte, ist die deutsche Bundesregierung offen dafür, eingefrorene russische Vermögenswerte zu diesem Zweck zu verwenden – wenn die rechtlichen Fragen geklärt sind und die Verbündeten dem Beispiel folgen.

Doch die Positionen in der Bundesregierung gehen dem Bericht zufolge deutlich auseinander, von "internen Spannungen" ist die Rede. Der Grund dafür ist: Das Thema ist komplex, und vor allem die Grünen drängen mit besonderem Eifer auf einen harten Umgang mit Russland – offenbar auch, ohne die Folgen groß zu bedenken.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) spielt dabei eine besondere Rolle: Sie tritt in der Frage der Reparationen mit besonders harter Linie auf. Sie bestehe darauf, heißt es bei Bloomberg, dass es eine Option sein müsse, zumindest ein Teil der eingefrorenen Vermögenswerte zu beschlagnahmen. Auf jeden Fall solle Russland für die Schäden in der Ukraine aufkommen.

Für Reparationen tritt Baerbock allerdings nur im Falle Russlands entschieden auf – im Falle von Reparationsforderungen aus dem Zweiten Weltkrieg möchte sie eher weniger, dass der Verursacher zur Kasse gebeten wird. Die polnische Regierung fordert etwa von Deutschland rund 1,4 Billionen US-Dollar an Reparationen.

Die polnische Regierung vertritt seit Jahren die Auffassung, dass eine Vereinbarung aus dem Jahre 1953 ungültig sei. Damals habe die Sowjetunion Polen dazu gedrängt, auf Kriegsreparationen von Deutschland zu verzichten. Weil Polens damals nicht in der Lage gewesen sei, eine angemessene Entschädigung auszuhandeln, sei die damalige Vereinbarung ungültig.

Baerbocks Ministerium hat Polens Ansinnen erneut abgelehnt, hieß es am Dienstag aus dem Außenministerium in Warschau. Das Thema sei abgeschlossen, so die Kernaussage des deutschen Schreibens.

Das ist es nicht – besonders dann nicht, wenn mit der willkürlichen Beschlagnahme russischen Eigentums ein völkerrechtlicher Präzedenzfall geschaffen würde. Es wäre denkbar, dass dann auch deutsches Eigentum in Polen beschlagnahmt und zum Ausgleich von Kriegsschäden herangezogen werden könnte.

Nicht ohne Grund warnte der deutsche Finanzminister, Christian Lindner, vor einem solchen Schritt. Er sei besorgt, heißt es bei Bloomberg, dass die Beschlagnahmung von Guthaben der russischen Zentralbank "einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen und die europäischen Staaten und ihre Verbündeten in einen rechtlichen Sumpf führen könnte".

In den USA stand man einem solchen Schritt bislang auch skeptisch gegenüber, etwa, weil der US-Dollar als Weltleitwährung dadurch in Gefahr kommen würde. Im Mai hatten Beamte des US-Finanzministeriums erklärt: Die Beschlagnahmung von Zentralbankguthaben wäre ein juristisches Minenfeld. Außerdem könnte ein Präzedenzfall geschaffen werden, der andere ausländischen Zentralbanken davon abhalten könnte, ihre Guthaben in den USA zu parken.

Die G7-Staaten und die Länder der Europäischen Union haben rund 311 Milliarden US-Dollar eingefroren, die der russischen Zentralbank gehören. Hinzu kommen rund 19 Milliarden Euro von russischen Geschäftsleuten, welche die EU-Länder blockiert haben.

Während sich die USA immer noch bedeckt halten, ob sie sich an der Beschlagnahme der russischen Gelder beteiligen, steht die EU zunehmend unter Druck. EU-Beamte erklärten gegenüber Bloomberg, dass der Staatenbund den Großteil der gesamten Finanzhilfen für den Wiederaufbau der Ukraine bereitstellen werde. Die benötigte Summe könnte demnach mehr als 500 Milliarden Euro betragen. Sollten die russischen Vermögen nicht enteignet werden können, dann müssten die EU-Staaten das Geld aus ihren Haushalten aufbringen.

Auch die EU-Kommission diskutiert seit einiger Zeit über Möglichkeiten, die russischen Gelder nutzbar zu machen. Justizkommissar Didier Reynders vertrat etwa den Standpunkt, man könne die eingefrorenen Gelder so lange blockieren, bis sich Russland freiwillig am Wiederaufbau der Ukraine beteilige.

Eine andere diskutierte Idee beinhaltet eine Art Fonds, über den die eingefrorenen Gelder verwaltet und investiert werden. Die Erlöse sollen dann an die Ukraine fließen. Und falls Russland den Krieg beendet, könnten die Gelder wieder der russischen Zentralbank zurückgegeben werden.

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