Medienforscher: Wirtschaftliche Aspekte bei Spiele-Debatte nicht ausblenden

Ein Herstellungs- oder Vertriebsverbot für gewalthaltige Spiele mag zwar politisch attraktiv erscheinen, hätte aber weitreichende finanzielle Folgen für den Markt, mahnt Jörg Müller-Lietzkow von der Universität Paderborn.

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Von
  • Nico Nowarra

In der Diskussion um die Herstellung und Verbreitung von Videospielen dürften wirtschaftliche Aspekte nicht ausgeklammert werden, warnt Jörg Müller-Lietzkow, Professor für Medienorganisation und Mediensysteme an der Universität Paderborn. Der Wissenschaftler mahnt, die deutsche Spieleindustrie sei verglichen mit den Konkurrenten aus Nordamerika oder Asien bereits jetzt schon deutlich im Hintertreffen. Eine erneute "Killerspiel"-Debatte könnte sich als Zünglein an der Waage erweisen. Zwar werde ein "umfassendes Verbot" für gewalthaltige Spiele derzeit in Deutschland nicht diskutiert. Doch zeige ein Blick in die Schweiz, wo beide Kammern des Parlaments im März einen entsprechenden Antrag angenommen haben, wie aktuell das Thema sei.

Eine ähnliche Gesetzesvorlage in Deutschland würde vor allem für die verbleibenden Spielehersteller zu Problemen führen, die dringend auf Investitionen durch internationale Publisher angewiesen sind. Bereits jetzt ist der Anteil deutscher Spieleproduktionen auf dem Weltmarkt niedrig. Auch hierzulande liegt der Marktanteil inländischer Produkte lediglich zwischen 5 und 10 Prozent. Ein Abgabe- oder Herstellungsverbot würde die Chancen der hiesigen Spieleproduzenten auf ausländische Investitionen deutlich verschlechtern, meint Müller-Lietzkow. Die Folge könnte unter anderem ein Abbau der bis zu 12.000 Arbeitsplätze sein, die direkt oder indirekt an der Entstehung von Videospielen beteiligt sind.

Ausdrücklich weißt Jörg Müller-Lietzkow daraufhin, dass man die ethische Betrachtung bei der Diskussion nicht vernachlässigen dürfe. Allerdings lägen hier bislang nur wenige verlässliche und aussagekräftige Daten vor, die es jedoch zu berücksichtigen gilt: "Erst damit kann sichergestellt werden, dass nicht allein eine ethisch-moralische Positionierung, die nicht selten politisch motiviert ist, sondern eine rationale Abwägung zu einer allgemein akzeptierten Grundhaltung in der langjährigen Debatte über digitale Spiele führt, die mögliche negative Wirkungspotenziale ebenso berücksichtigt, wie aber auch wirtschaftliche 'Kollateralschäden' vermeidet."

Diese Thesen (PDF-Datei) sollen auch Gegenstand der sogenannten Paderborner Universitätsrede sein, die Müller-Lietzkow am kommenden Dienstag im Rahmen des Emeriti-Treffens der Universität halten wird. Die für die Rede genutzten Wirtschaftsdaten sind Auszüge einer Studie, die von der Landesregierung Nordrhein-Westfahlen noch unter Minister Andreas Krautscheid in Auftrag gegeben wurde, die Ergebnisse der Studie sollen zeitnah veröffentlicht werden. (vbr)