Neue Abgas- und Geräuschregeln für Motorräder ab 2025: Werden sie leiser?
Grenzwerte verschieben sich mit der neuen Abgasnorm nicht. Doch die Bedingungen, unter denen sie eingehalten werden müssen, reichen viel weiter als bisher.
- Clemens Gleich
Mit der Abgasnorm Euro 5 kam eine Flut neuer Anforderungen auf die Motorradhersteller zu. Da die Norm Euro 5 auf Autos zugeschnitten war, signalisierte die EU schon früh, dass für die Anwendung aufs Zweirad Anpassungen zu erwarten seien. Die Anpassungen kamen in Relation zu typischen Fahrzeug-Entwicklungszyklen relativ spät, nämlich 2019 und 2020, kurz bevor Euro 5 ab Anfang 2020 für Motorräder gelten sollte.
Für viele Experten unerwartet war zudem der Bereich, in dem die EU Zugeständnisse machen wollte: ausgerechnet das Abgas. Das hätten nach dem Riesen-Halligalli um Volkswagens Abgas-Skandal nur wenige erwartet. Die Grenzwerte für die Schadstoffe blieben erhalten, doch die schwierigen Nachweise über die Dauerhaltbarkeit der Abgasnachbehandlung wurden auf 2025 verschoben, auf die Nachtischnorm Euro 5+, wie sie jetzt heißt.
Gleichzeitig gelten ab dem 1. Januar 2025 neue Vorschriften zur Geräuschmessung, nämlich die nach UNECE R41.05. Auch darin ändern sich die Grenzwerte im Vergleich zur vorher angewendeten R41.04 nicht, aber sie müssen unter wesentlich mehr Betriebszuständen erreicht werden. Wir unterhielten uns mit Dr. Frank Schwarz, der bei BMW Motorrad in der Antriebstechnik den Bereich Thermodynamik/Funktion/Emissionen leitet. Er erklärte die Technik und die Bedeutung der Regelungen für die neuen Fahrzeuge in Kundenhand.
Das Neue
Bei der seit 2020 gültigen Norm Euro 5 (ohne Plus) durften die Hersteller die Dauerhaltbarkeit noch durch ein relativ einfaches Verfahren belegen. Bei Motorradmodellen mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von über 130 km/h fuhr ein Homologationsmodell 3500 km, also 10 Prozent der für Motorräder von der EU als "Dauerhaltbarkeit" vorgesehenen Strecke von 35.000 km. Hierbei mussten die Werte 30 Prozent besser sein als in der Norm vorgeschrieben in der Erwartung einer linearen Degradierung über die restlichen 90 Prozent der Fahrstrecke.
Neu ist für Euro 5+, dass diese Extrapolation nicht mehr reicht. Es muss ein stärkerer Nachweis über die Dauerhaltbarkeit erbracht werden. Hersteller können dazu zum Beispiel die kompletten 35.000 km auf einem Prüfstand in einem vorgegebenen Messzyklus absolvieren und die Ergebnisse messen. Sie dürfen jedoch auch die Hälfte der Strecke messen und die zweite Hälfte aus den Messergebnissen ableiten. Da der Katalysator primär thermisch altert, können die Hersteller alternativ auf die gleichen Methoden der thermischen Alterung des Kats zurückgreifen, wie sie im Pkw-Bereich üblich sind. Der auf diese Weise künstlich gealterte Kat wird ins Testfahrzeug gebaut, das vermessen wird. Stimmen die Abgaswerte noch, kann das Modell so zugelassen werden.
Onboard-Diagnose der Abgasreinigung
Zu den Onboard-Diagnose- und Protokollierungspflichten kam bei Euro 5+ ebenfalls der Kat hinzu. Um die Funktion des Katalysators im laufenden Betrieb zu überprüfen, kommen zwei Lambdasonden zum Einsatz, eine vor dem Kat und eine danach. Da so lange nicht bekannt war, was genau nun vertagt wird aus dem Satz der Vorgaben von Euro 5 und um welche Umfänge es gehen würde, gab es schon 2020 viele Modelle mit zwei Sonden. Bei BMW Motorrad waren das zum Beispiel das Flaggschiff GS und die Vierzylindermodelle. Rein von der Technik her hätte man diese Motorräder schon damals als Euro 5+ homologieren können, EU-rechtlich ging das allerdings nicht, da die Vorgaben noch nicht final waren.
Bei der Kat-Diagnose überwachen die zwei Lambdasonden den Sauerstoffgehalt des Abgases im Kontext verschiedener Motor-Betriebszustände. Der Katalysator speichert Sauerstoff. Läuft der Motor fett, also mit Treibstoff-Überschuss und zu wenig Sauerstoff, gibt der Kat Sauerstoff frei. Läuft der Motor mager, also mit Luftüberschuss, lagert der Kat Sauerstoff ein. Die zwei Sonden messen die Werte vor und nach dem Kat. Zusammen mit Daten zum Abgasstrom berechnet die Motorsteuerung daraus das Sauerstoff-Verhalten des Katalysators. Aus diesen Daten lässt sich der Zustand des Bauteils bestimmen, weil das Sauerstoff-Verhalten mit der kompletten Kat-Wirkung korreliert.
Motorkontrollleuchte und amtliche Kontrolle
Fehler im laufenden Betrieb erfährt der User im Sattel primär über die Motor-Warnleuchte. Zwar bleiben die Abgas-Grenzwerte für Euro 5+ grundsätzlich die gleichen wie für Euro 5. Die Onboard-Diagnose muss jedoch bei deutlich geringeren Abweichungen im Betrieb die Motor-Warnleuchte anschalten. Das betrifft die Werte von unverbrannten Kohlenwasserstoffen, Kohlenmonoxid und Stickoxiden. "Die Kunden sollten bei den nach Euro 5+ zugelassenen Fahrzeugen natürlich nicht häufiger die Warnleuchte sehen als bei früheren Modellen", sagt Dr. Frank Schwarz. "Deshalb legen wir das System entsprechend robust aus."
Die zu den funktionalen Diagnosen erhobenen Daten protokolliert das Motorsteuergerät. Die Werkstatt liest sie beim Service aus und die Hersteller übermitteln die Daten an das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA). Die Behörde erhält somit Belege für das korrekte Verhalten der Diagnosen im Regelbetrieb der Fahrzeuge.
Geräuschvorschriften: 0.01 weiter
Gleichzeitig mit Euro 5+ fürs Abgas gilt die Regelung UNECE R41.05 für Geräuschemissionen. Sie löst die 2016 mit Euro 4 eingeführte UNECE R41.04 ab. Auch hier ändern sich die Grenzwerte nicht. Warum keine strengeren Grenzwerte? Der Motorradverband ACEM antwortete auf diese Frage in Form einer Messung mit einer BMW R 1250 GS. Wenn die Maschine komplett gekapselt ist, also nur noch Abrollgeräusche an die Mikrofone dringen, ist das in der Vorbeifahrt bei 50 km/h schon fast so laut wie dieselbe Maschine mit Motorgeräusch – und wir haben es hier mit einem Kardan-Motorrad zu tun. Energicas E-Motorräder zeigen, wie laut alleine die Antriebskette sein kann. Es ist also wie bei anderen Fahrzeugen auch: Der Hauptlärm kommt irgendwann vom Rollen. Der ACEM setzte sich daher dafür ein, dass die Grenzwerte nicht weiter abgesenkt werden.
Stattdessen werden mehr Betriebszustände überprüft innerhalb der "zusätzlichen Bestimmungen zu Geräuschemissionen" (Additional Sound Emission Provisions, ASEP). Sie wurden mit der R41.04 eingeführt für Neuzulassungen ab 2016 und gelten für rund 80 Prozent der in Deutschland zugelassenen Motorräder (Klasse III). Die R41.05 erweitert die ASEP erheblich. Ab 2025 müssen die ASEP-Grenzwertkurven bis hinauf zu 80 Prozent der maximalen Drehzahl und im Geschwindigkeitsbereich 10 bis 100 km/h eingehalten werden. Zudem wird in allen Gängen gemessen.
Werden die Motorräder leiser?
"In den Betriebszuständen, in denen schon vorher gemessen wurde, verändert sich nichts", antwortet Frank Schwarz. "In den Bereichen dagegen, in denen vorher nicht gemessen wurde, werden die meisten Motorräder leiser. Die R41.03 konzentrierte sich noch sehr auf das Szenario 'Beschleunigen am Ortsausgang'; die R41.04 stark auf Szenarien im innerstädtischen Bereich. Das neue Verfahren deckt weitere Teile, wie zum Beispiel einen Großteil aller Fahrbereiche im Landstraßenbetrieb ab." Der Aufwand steigt damit erheblich. Es gibt etwa drei- bis viermal so viele Messpunkte wie vorher. Frank Schwarz sieht auf seinem Laptop nach: "Bei dieser Messung hatten wir zum Beispiel vorher fünf Messpunkte. Jetzt sind es 20."
Zusätzliche Kontrollen
Ein weiterer Nachteil der R41.04 war, dass die Hersteller sich bis November 2019 selbst maßen und die Korrektheit bescheinigten. Die Behörden sollten hier eine Stichprobe aus der laufenden Produktion nachmessen. Seit November 2019 misst ein unabhängiger technischer Dienstleister (in Deutschland also TÜV oder Dekra) bereits zur Homologation. Dieser Prozess bleibt in der R41.05 erhalten. So werden Überschreitungen früher im Prozess erkannt.
Die neuen Lautstärkeregelungen werden also in den üblichen Landstraßenbereichen für geringere Motorgeräuschemissionen sorgen. Sowohl der Verband als auch die Hersteller haben sich um eine nachhaltige, soziale Lösung bemüht. Jetzt müssen auch die Fahrer und die Zubehörhersteller mitziehen.
(cgl)