Autonomes Fahren: Assistiert, automatisiert oder autonom?

Sollte die Nomenklatur des assistierten, automatisierten und autonomen Fahrens vereinfacht werden? Das BASt spricht sich dafür aus und führt gute Gründe an.

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Mercedes autonomes Fahren

Aktuell darf der Assistent die Fahrzeugführung nur bis maximal 60 km/h übernehmen. Der Fahrer muss stets in der Lage sein, innerhalb von 10 Sekunden das Steuer wieder zu übernehmen.

(Bild: Mercedes)

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Christoph M. Schwarzer
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Neufassung des Textes, die Level 4 dem autonomen Fahren zuschlägt.

Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) plädiert für eine vereinfachte Bezeichnung der verschiedenen Fahrautomatisierungsstufen. Als Alternative zu den Levels oder Stufen 0 bis 5 sollen die drei Begriffe assistiert, automatisiert und autonom eingesetzt werden. Das, so argumentiert die BASt, beschreibt die unterschiedlichen Qualitäten besser.

Die BASt ist ein Forschungsinstitut des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) mit Sitz in Bergisch Gladbach. Hier arbeitet man seit vielen Jahren an der Sicherheit. So war der Leiter der Abteilung Fahrzeugtechnik, Professor Andre Seeck, von 2010 bis 2014 Präsident von Euro NCAP. Das Gremium definiert Standards für die Crashsicherheit, die permanent verschärft werden. Bekannt ist Euro NCAP vor allem durch die bis zu fünf Sterne, die für aktive und passive Sicherheit vergeben werden können. Komfort, Insassen- und Umgebungsschutz kommen beim Fahren per Software zusammen.

Viele Pkw, die heute auf europäischen Straßen unterwegs sind, fallen nach den neuen Begriffen unter das assistierte Fahren. Das heißt, dass der Mensch am Steuer lediglich unterstützt wird. Er muss die korrekte Funktion der Systeme jederzeit überwachen und ist permanent verantwortlich.

Die alte Welt der Fahrautomatisierung in den Levels 0 bis 5: Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) plädiert dafür, nur noch drei Stufen zu definieren, und zwar assistiert, automatisiert und autonom. Das beschreibt die entscheidenden Qualitäten am besten.

(Bild: VDA)

Das betrifft meistens die Querführung – also Spurhalteassistenten bzw. die Spurmittenführung – und die Längsführung. Mit Längsführung ist im Regelfall ein Geschwindigkeitsregler gemeint, der über einen Radar den Abstand reguliert.

Das assistierte Fahren umfasst demnach die bisherigen Stufen bis inklusive Level 2. Hierfür gibt es in der Autoindustrie etliche Marketingnamen. Am bekanntesten ist wahrscheinlich der so genannte Autopilot von Tesla. Der sprachliche Unterschied zwischen teil- (Level 2) und hoch- (Level 3) automatisiertem Fahren ist aus Sicht der BASt zu gering, um den qualitativen Sprung zu verdeutlichen: Erstmals darf sich der Mensch vorübergehend aus dem Regelkreis zurückziehen.

Die BASt sagt, dass im Wortsinn erst ab Level 3 das automatisierte Fahren beginnt. Erst mit den Levels 4 und 5, dem autonomen Betrieb in definierten oder allen Verkehrssituationen, ist wieder ein Durchbruch erreicht.

Nahezu alle heutigen Pkw haben Funktionen des assistieren Fahrens: Der Mensch ist permanent verpflichtet, die Systeme zu überwachen. Üblich sind heute wie bei diesem Mercedes EQB die Querführung (zum Beispiel als Spurmittenführung) sowie die Längsführung (meistens ein radarbasierter, adaptiver Tempomat). Die Bedienung erfolgt im Regelfall über Tasten am Lenkrad.

(Bild: Christoph M. Schwarzer)

Das automatisierte Fahren bedeutet wie gesagt, dass der Mensch sich vorübergehend anderen Tätigkeiten wie dem Schreiben von Mails oder dem Spielen mit dem Smartphone zuwenden darf. Das Schlafen auf der Rückbank ist dagegen nicht vorgesehen, weil die Rückübernahme in einem bestimmten Zeitraum möglich sein muss. Der Mensch darf sich nur unter bestimmten Bedingungen zurückziehen und die Kontrolle abgeben.

Dieser automatisierte Modus ist ab 2023 durch eine überarbeitete UNECE-Regelung bis 130 km/h erlaubt. Deutschland ist der erste Nationalstaat, der die Implementierung bereits in ein Gesetz überführt hat.

Allerdings sind die Hürden hoch, um vom assistierten aufs automatisierte Fahren zu kommen. Alle Systeme müssen nicht gut oder sehr gut, sondern nahezu perfekt sein. Es muss gewährleistet sein, dass auch während der Rückübergabe, die mit einer Karenzzeit von zehn Sekunden erfolgen muss, der automatische Betrieb einwandfrei arbeitet.

Ab 2023 ist das automatisierte Fahren bis 130 km/h erlaubt. Erstmals darf der Mensch sich von der Fahraufgabe abwenden. Die BASt möchte die bisherigen Level 3 und 4 (hoch- und vollautomatisiert) als „automatisiert“ zusammenfassen, weil zwar sich die Einsatzgebiete und Details unterscheiden, nicht aber das Grundsätzliche: Der Fahrer darf die Kontrolle abgeben. Nur das Level 5 bleibt wie bisher; es beschreibt das autonome Fahren als quasi-Robotertaxi.

(Bild: Mercedes)

Das führt dazu, dass die Hardware im Pkw redundant ausgelegt sein muss; ähnlich wie in einem Flugzeug. Und das wiederum ist teuer. Es ist kein Zufall, dass Mercedes in EQS und S-Klasse automatisierte Systeme nach Level 3 anbietet. Aber Vorsicht, für diese Autos ist noch die aktuelle UNECE-Regelung bis 60 km/h gültig.

Wenn am 1. Januar eine Ausweitung auf 130 km/h inklusive Fahrstreifenwechsel möglich ist, könnte Mercedes der erste Hersteller weltweit sein, der diese Grenze nutzt. Dafür müsste das Verfahren der Zulassung beim Kraftfahrtbundesamt (KBA) nochmals durchlaufen werden. Die Chancen stehen gut, dass das in absehbarer Zeit passiert.

Eine Chance ist die neue UNECE-Regelung auch für Tesla. Endlich gibt es den gesetzlichen Rahmen und der Autopilot darf zeigen, was er wirklich kann. Derzeit verlangt Tesla beim Model 3 für das Full Self Driving 7500 Euro Aufpreis.

Mit diesem Begriff dürften die meisten Autofahrer aber eher das verbinden, was meistens als Level 4 und 5 beziehungsweise von der BASt als autonomes Fahren bezeichnet wird: Gewissermaßen auf Knopfdruck (oder per Spracheingabe oder Touchscreen) befördert einen der Pkw von A nach B. Ein Robotertaxi; wobei Level 4 das autonome Fahren in bestimmten Fahrsituationen – zum Beispiel einem Shuttle auf einer festgelegten Strecke – bedeutet und Level 5 auf allen Straßen.

Tesla kann durch die ab 2023 gültige UNECE-Regelung zeigen, wie gut FSD (Full Self Driving) wirklich ist. Das ist eine echte Chance für die Marke, und die Käufer werden wissen wollen, was sie für 7500 Euro bestellt haben.

(Bild: Tesla)

Ob und wann das autonome Fahren Wirklichkeit wird, ist offen. Mit der neuen UNECE-Regelung, die nach der BASt-Nomenklatur einfach automatisiert und nach der alten Sprechweise hochautomatisiert heißt, ist jedenfalls eine neue Qualität erreicht.

Es wäre schlüssig, in Zukunft nur noch von assistierten oder automatisierten Systemen und als Drittes von autonomen Fahrzeugen zu sprechen. So wie es die BASt vorschlägt. Für die Marketingabteilungen der Hersteller wäre das aber ein Verlust. Es gibt eine Unzahl von Kunstbegriffen wie Autopilot und anderen, die auch für interessierte Laien kaum verständlich sind. Insofern wäre eine vereinfachte Neueinteilung ein Fortschritt.

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