VR-Experience "Yullbe": Virtuelles Schrumpfen im Miniatur-Wunderland

Neben dem echten Miniatur-Wunderland gibt es mit Yullbe nun auch ein virtuelles: Wir haben die VR-Brille aufgesetzt und uns schrumpfen lassen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 7 Kommentare lesen

(Bild: Yullbe Wunderland)

Lesezeit: 7 Min.
Inhaltsverzeichnis

Wäre es nicht genial, einmal persönlich durch die Kulissen des Miniatur-Wunderlands zu wandeln? Um all die aufwändigen Modellbaulandschaften aus der Nähe zu betrachten? Diese Frage dürfte schon vielen Besucherinnen und Besuchern durch den Kopf gegangen sein. Die Besitzer Frederik und Gerrit Braun brachte der Gedanke dazu, die Betreiber des Europa-Parks zu kontaktieren und gemeinsam mit ihnen die VR-Attraktion "Yullbe Wunderland" zu entwerfen. Direkt neben der realen Ausstellung in der Hamburger Speicherstadt können sich Interessierte ab dem 1. April eine Virtual-Reality-Brille aufsetzen und in eine Kopie aus Computergrafik abtauchen. Ich hatte schon vor der Eröffnung die Möglichkeit, mich schrumpfen lassen. Im Viererteam erkundeten wir den Grand Canyon, die Schweiz und Venedig.

Die größere der zwei verfügbaren Wunderland-Erfahrungen nennt sich "Die große Schrumpftour". Sie nutzt das "Yullbe Pro"-System vom Europa-Park-Betreiber Macknext. Der 30-minütige Ausflug schickt bis zu sechs Teilnehmerinnen und Teilnehmer über ein weitläufiges Spielfeld von 250 Quadratmetern. Möglich wird das mit der VR-Brille Pimax 8K, die bei unserem Durchgang mit einem angenehm weiten Sichtfeld und einer Auflösung von 2856 x 1760 Pixeln pro Auge betrieben wurde. Bevor es losgehen konnte, mussten wir einen schweren Rucksack-PC von HP mit einer GeForce RTX 2080 aufsetzen. Zusätzlich befestigten wir vier kleine Tracking-Kästchen am Körper. Die Punkte zur Erfassung unserer Bewegungen befanden sich dann an unseren Händen, Schuhen, Rücken und dem Helm. Ganze 150 "Viper X"-Kameras von Vicon sind in der Halle angebracht, um die Positionen der Teilnehmer selbst in schlecht einsehbaren Ecken zu erfassen.

Damit Berge, Häuschen und Bühnen möglichst genau ihren Vorbildern gleichen, sind die Mitarbeiter zunächst quer durch die Anlage gekraxelt, um Fotos und Videos zu schießen. "Eine Handykamera ist dazu sogar besser geeignet als eine teure DSLR-Kamera", erklärte uns Creative-Supervisor Dennis Würger vom Entwickler VR Coaster. Die Objektive der Mobiltelefone haben in der Regel mehr Schärfentiefe, sodass mehr Bildbereiche klar bleiben und genutzt werden können. Per "Photogrammetrie" wurden schließlich begehbare räumliche Landschaften aus den Aufnahmen. Sie erwachen mithilfe der Unity-Engine zum Leben, mit nachmodellierten Texturen und vorberechneter Beleuchtung.

Die hibbelige Forscherin am "Schrumpfomat" erinnerte mich angenehm an die überdrehten Park-Schauspieler in den Universals Studios Hollywood. Sie verwandelte uns in Miniaturfigürchen, mit denen auch die reale Ausstellung dekoriert ist. Schon auf der ersten virtuellen Zugfahrt durch den Grand Canyon erwartete uns Ärger: Eine Affenbande stibitzte kurzerhand die Schrumpfmaschine für unsere Rückkehr. Also mussten wir uns auf einige Mutproben, kooperative Aufgaben und virtuelle Gruppenfotos einlassen.

Yullbe Wunderland ausprobiert (5 Bilder)

In "Yullbe Pro" wandelt man regelrecht als Mensch-Maschine über 250 Quadratmeter... (Bild: Jan Wöbbeking; heise online)

Auf einem Schweizer Baugerüst etwa führte der Balanceakt über einen schmalen Balken, der selbst mir als VR-Veteran zittrige Knie bescherte. Sogar echte Kurbeln und Schalter mussten gemeinsam bedient werden, etwa zum Beschleunigen einer Draisine oder zum Aufladen einer Batterie. Obwohl die Position der Hebel nicht zentimetergenau passte, kam es zu lustigen Momenten und kooperativen Lösungsideen im Team. Die beworbenen Rüttelplatten auf dem Boden sind mir hingegen gar nicht aufgefallen. In unserer Vorab-Tour waren allerdings noch nicht alle Objekte final eingebunden. Am Feintuning und letzten Bugs des VR-Experience wird ebenfalls noch gefeilt.

Auch die schnellen Themenwechsel stifteten gelegentlich Verwirrung. Gerade noch tuckerte ich durch den Grand Canyon, Sekunden später stand ich schon in der Schweiz oder zwischen einer Gruppe hyperaktiv umherspringender Feuerwehrleute. Einige Ideen waren aber richtig cool umgesetzt, zum Beispiel als wir im Rohr eines riesigen Staubsaugers landeten.

Manchmal war der Technik-Overkill schon zu viel des Guten: Mal drückte der wuchtige VR-Helm auf meine Nase, später rutschte ein Fußtracker zur Seite, was aber schnell vom Spielleiter korrigiert wurde. Anders als in vielen VR-Spielen konnte ich auch meine virtuellen Arme und Beine sehen, die sich meist korrekt bewegten. Zwischendurch schleifte ich aber mal ein virtuell gebrochenes Bein hinter mir her, weil das Tracking spann. Trotz solcher Kinderkrankheiten lief die Experience schon viel runder als meine Roomscale-Erfahrung mit "HUXLEY 2: The Adventure Begins" im Virtuloft Hannover.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externes YouTube-Video (Google Ireland Limited) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Google Ireland Limited) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Deutlich unbeschwerter fühlte ich mich übrigens in der zehnminütigen "Yullbe Go"-Erfahrung auf 80 Quadratmetern, die den Namen "Walking in Wunderland" trägt. Dort setzte ich bloß die kleinere VR-Brille Vive Focus 3 von HTC auf (Auflösung: 2.448 mal 2.448 Bildpunkte pro Auge) und nahm die Controller in die Hand. Nach ein paar Einstellungen konnte ich direkt loslegen. Auf Fußtracking musste ich so verzichten, aber das Freiheitsgefühl der leichten Hardware war mir persönlich lieber. Diesmal startete ich meine Tour durch die Modellbaukulissen im Alleingang. Wie in der großen Erfahrung alberten auch hier Modellfigürchen und singende Kühe herum. Endlich konnte ich selbst mein Tempo vorgeben, zumal die saubere räumliche Erfassung mein Sicherheitsgefühl steigerte.

Hier erkannte das in der VR-Brille verbaute "Inside-Out-Tracking" meine Bewegungen. Damit sich die Kameras gut orientieren konnten, klebten an den kahlen Wänden allerlei Muster und Sterne. Dank des Lüfters in der VR-Brille strömte mir sogar ein wenig Wind um die Nase. Ein angenehmer Effekt, der mich noch glaubwürdiger in die offenen Landschaften versetzte. Einige entfernte Hintergründe und manche Texturen wirkten zwar unscharf, insgesamt war der Eindruck aber überzeugend. Besonders gut gefielen mir die "riesigen" Besucher des Miniatur-Wunderlandes, die vom Rand aus neugierige Blicke auf die Anlage warfen.

Ein wenig schade ist, dass gleichzeitig mehrere andere Besucher auf dem Spielfeld unterwegs waren, die durch ihre eigene Experience wandelten. So traute ich mich nie, einfach mal spontan loszurennen. Die Kollisions-Warnung funktionierte aber gut. Näherte ich mich einer anderen Person, wurde früh genug eine rot glühende Kugel eingeblendet.

Unterm Strich würde ich interessierten VR-Neulingen also erst einmal die kleine Wunderland-Erfahrung empfehlen. Die große wird vor allem dann zu einer lustigen Angelegenheit, wenn man mehrere Freundinnen und Freunde mitbringt. Ein kleiner Geheimtipp ist übrigens die ebenfalls in Hamburg spielbare Experience "Ed & Edda" im virtuellen Europapark. Die kurze Jagd nach einem bösen Zauberer ist zwar nicht so abwechslungsreich, aber extrem sauber und grafisch aufwendig. Das "Yullbe Wunderland" (Am Sandtorkai 33) eröffnet am 1. April. Einzeltickets kosten je 12 Euro ("Yullbe Go") bzw. 29 Euro ("Yullbe Pro").

Korrektur: In einer früheren Version schrieben wir, die Yullbe-Go-Experience werde gestreamt. Tatsächlich wird sie lokal berechnet. Wir haben den Abschnitt entsprechend angepasst.

(dahe)