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Keil des Anstoßes

30 Jahre Alfa 164

Autos Christian Lorenz
Alfa Romeo 164

(Bild: FCA)

Der Alfa 164 wird 30 Jahre alt. Mit ihm trieben der Fiat-Konzern und Pininfarina einen Keil in die Gemeinde der Alfisti. Einerseits war er einer der erfolgreichsten Alfas überhaupt. Andererseits baute er auf einer Fiat-Plattform mit Frontantrieb auf

Der Alfa 164 wird 30 Jahre alt. Mit ihm trieben der Fiat-Konzern und Pininfarina einen Keil in die Gemeinde der Alfisti. Einerseits war er mit 270.000 Einheiten bis zum Produktionsende 1997 einer der erfolgreichsten Alfas überhaupt. Für viele Fans läutete der 164 aber die schwärzeste Epoche von Alfa Romeo ein: Frontantriebslimousinen auf Fiat-Plattformen. In der Summe seiner Eigenschaften war der 164 aber bestimmt nicht der schlechteste Alfa.

Zwei Jahre später

Auf der IAA im September 1987 wurde er endlich enthüllt. Eigentlich war der Alfa 164 schon zwei Jahre im Verzug. Es war klar gewesen, dass der Nachfolger des Alfa 90 auf der Tipo-4-Plattform aufbauen würde, die er sich mit dem Saab 9000, dem Fiat Croma und dem Lancia Thema teilen würde. Diese technisch eng verwandten Modelle waren schon zwei Jahre früher auf den Markt gekommen.

Tipo-4-Ableger von Pininfarina

Die Alfa-Gemeinde hatte also zwei Jahre das Damokles-Schwert über sich hängen gehabt, dass der Alfetta-Transaxle-Antriebsstrang, wie er im Alfa 90 noch verbaut war, durch einen Fiat-Frontantrieb ersetzt werden würde. Die ersten Reaktionen waren positiver als gedacht. Trotz aller technischen Gemeinsamkeiten im Verborgenen sah der Alfa zumindest schon einmal ganz anders aus als die anderen Tipo-4-Modelle. Während bei Fiat, Lancia und Saab das Design von Giugiaros Firma Italdesign stammte, war für die Form des Alfa Romeo 164 nämlich das Designstudio Pininfarina verantwortlich.

Design gelungen

Mit seinem schlichten keilförmigen Design wirkte der Alfa dynamischer und moderner als die technisch verwandten Konzernmodelle und der Saab 9000. Die elegante und gleichzeitig sportliche Karosserie glänzte außerdem mit einem für Oberklasse-Limousinen ausgezeichnetem Luftwiderstandsbeiwert von 0,305. Auch im Innenraum setzte Pininfarina auf eine kühle, geometrische Sachlichkeit, die trotz des konzernübergreifenden Hartplastiks zumindest mehr Klasse verströmte als bei den früheren Alfa-Modellen. Wenn auch die Klaviatur mit exakt gleichartigen Schaltern auf der Mittelkonsole zeigte, dass die Funktion hier der Form folgte. Blindbedienung hieß hier Fehlbedienung. Das Debüt des ersten unter Fiat-Regie entwickelten Alfa Romeo war aber insgesamt gelungen.

In der Entwicklungsphase trug das Projekt den Codenamen Alberto. Das Akronym steht Alfa Romeo (Al), Berlina (Ber, italienisch für Limousine) und Torino (To, italienischer Name für Turin). Der Hinweis auf Turin signalisierte die erste komplette Neuentwicklung unter Fiat-Regie. Ende 1986 hatte der Turiner Konzern die Traditionsmarke Alfa Romeo übernommen. Alberto sollte gleich zwei Typen ersetzen, den seit 1979 gebauten Alfa Romeo 6 und den Alfa Romeo 90, seit 1984 im Programm. Beide hatten Standardantrieb. Beim Alfa 90 wurde er sogar in aufwendiger Transaxle-Bauweise ausgeführt.

Kosteneffizienz an oberster Stelle

Kosteneffizienz stand ganz oben im Lastenheft. Alfa Romeo Präsident Vittorio Ghidella musste ihr den Standardantrieb opfern. Bis dahin hatten nur die kompakten Alfa-Modelle Alfasud und Alfa 33 Frontantrieb gehabt. Ghidella entschied sich für eine Plattform-Strategie. Sie ist heute selbstverständlich, aber zumindest in markenübergreifender Form war sie das in den frühen 1980er Jahren noch nicht. Und so war es ein Novum als sich der Fiat Konzern und Saab zusammenschlossen, um eine gemeinsame Plattform zu entwickeln. Dieses Projekt lief unter dem Namen „Tipo 4" und bildete schließlich die technische Basis für Fiat Croma, Lancia Thema, Saab 9000 und eben Alfa Romeo 164.

Zunächst nur Alfa-Motoren

Bei den Motoren vertraute Alfa Romeo weitgehend auf eigene Entwicklungen. Ein Vierzylinder-Benziner mit zwei Liter Hubraum basierte auf dem legendären Doppelnockenwellen-Triebwerk aus Giulia und Alfetta. Eine Neuheit war allerdings der Zylinderkopf. Wie bei den berühmten Rennwagen Giulia Sprint GTA der 1960er Jahre sind pro Zylinder für optimale Verbrennung zwei Zündkerzen vorhanden (Twin Spark). Der komplett aus Aluminium gefertigte Motor leistete 109 kW (148 PS) beziehungsweise 105 kW (143 PS) mit Katalysator. Zu erkennen waren die Alfa Romeo 164 mit Vierzylindermotor durch die mit vier Schrauben befestigten Räder, bei den Sechszylinder-Modellen wurden fünf verwendet.

Twin-Spark-Doppelnocker

Ein zweiter Vierzylinder-Benziner war eine fast ausschließlich italienische Angelegenheit. Mit ebenfalls zwei Liter Hubraum bieb der von Lancia übernommene Motor unterhalb der Luxussteuer-Grenze, leistete dank Turbolader aber rund 30 PS mehr als der Sauger. Erst in einer späteren Variante kam ein Vierzylinder-Turbodiesel nach Deutschland. Er wurde von VM zugekauft und war zunächst 84 kW (114 PS) stark.

Arese-V6

Glanzstück der Motorenpalette war ein V6-Zylinder. Das Aluminium-Triebwerk mit 60 Grad Bankwinkel war die jüngste Entwicklungsstufe des von vielen Fans als Arese-V6 bezeichneten Motors. Die sechs verchromten Ansaugrohre machten den quer montierten V6 zu einer Schönheit. Das auch akustisch als Leckerbissen geltende Triebwerk leistete anfangs 143 kW (192 PS) beziehungsweise mit Katalysator 135 kW (184 PS). Damit erreichte der Alfa Romeo 164 3.0 V6 eine Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h.
Alle Motoren waren mit einem Fünfganggetriebe kombiniert, einige Modellversionen konnten mit einer Viergang-Automatik ausgestattet werden. Dem aufwendigen Fahrwerk mit McPherson-Federbeinen an der Vorderachse und Mehrlenker-Hinterachse gelang es, die negativen Auswirkungen des Frontantriebs wirksam einzudämmen. Der 164 gehörte Ende der 80er Jahre zu den agilsten Fahrzeugen mit Frontantrieb.

Bessere Fertigungsqualität

Die Übernahme durch den Fiat Konzern machte sich darüber hinaus in der Produktion bemerkbar, die Verarbeitungsqualität stieg. Zum ersten Mal wurden im traditionsreichen Alfa Romeo Werk Arese Roboter zur Fertigung eingesetzt. Durch Galvanisierung und Hohlraumversiegelung war die Karosserie des Alfa Romeo 164 besser gegen Rost geschützt als jemals zuvor bei Alfa.

Zum Modelljahr 1991 wurde der Alfa Romeo 164 technisch überarbeitet, intern wurde dieser Schritt „Maquilage 90" genannt. Dabei wurden einige Kritikpunkte ausgemerzt, den Fans und Fachpresse der ersten Modellgeneration angekreidet hatten. So lag beispielsweise die Einbauposition des Motors etwas tiefer im vorderen Rahmen, um einen günstigeren Winkel bei den Antriebswellen zu erreichen. Zusätzlich wurde die Lenkung überarbeitet und direkter abgestimmt. Zusammen führten diese Maßnahmen dazu, dass nun weniger Antriebskräfte im Lenkrad zu spüren waren. Unverändert blieb dagegen die Karosserie.

Der 2.0 Twin Spark und der 2.5 Turbodiesel wurden nicht verändert. Der Dreiliter-V6 stand nun zusätzlich in einer leistungsgesteigerten Variante (erreicht unter anderem durch schärfere Nockenwellen und höhere Verdichtung) zur Wahl. Das neue Topmodell Alfa Romeo 164 3.0 V6 Quadrifoglio erreichte mit 147 kW (200 PS) eine Höchstgeschwindigkeit von 237 km/h und beschleunigte in 7,7 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Ab Frühjahr 1991 beanspruchte ein neuer Turbo-Benziner das Prädikat Topmotorisierung für sich. Aus Respekt vor der italienischen Kfz-Steuer blieb der Hubraum bei zwei Liter. Doch das kleine Kraftwerk war nun ein drehfreudiger V6-Zylinder. Dank Ladeluftkühlung leistete er 150 kW (204 PS) beziehungsweise ab Herbst 1992 mit Katalysator 148 kW (201 PS).

Zweites Facelift: 164 Super

Ab dem Modelljahr 1993 wurde eine zweite Karosserielinie für den Alfa Romeo 164 eingeführt. Die bisherige Form wurde weiterhin gebaut, parallel dazu aber mit der Ausstattungslinie Super ein überarbeitetes Design eingeführt. Frontspoiler, Heckschürze, Seitenschweller und die seitlichen, jetzt glattflächigen Schutzleisten waren nun in Wagenfarbe lackiert. Außerdem wurde die komplette Bordelektronik modernisiert.

Ende des Doppelnockers

Der Alfa Romeo 164 Super wurde mit gründlich überarbeiteten Motoren bestückt. Deshalb steht das optisch gelungene Facelift für einen weiteren, fast noch schlimmeren Dolchstoß gegen die Fans als die Einführung des Frontantriebs. Der legendäre Doppelnockenwellen-Vierzylinder aus Giulia und Alfetta wurde durch eine Fiat-Entwicklung ersetzt. Die Leistung des 2.0 Twin Spark blieb mit 106 kW (144 PS) gleich. Beim 2,5-Liter-Turbodiesel stieg sie dagegen auf 92 kW (125 PS). Die größte Änderung betraf den Dreiliter-V6 - er erhielt einen Vierventil-Zylinderkopf. Mit 155 kW (211 PS) sind nun 240 km/h drin.

V6-Vierventiler

Noch mehr legte die neue Topversion der weiterhin gebauten Ur-Karosserievariante zu. Ebenfalls mit Vierventil-Zylinderkopf standen im Alfa Romeo 164 3.0 V6 24V Quadrifoglio nun 171 kW (232 PS) zur Verfügung - mit einer Höchstgeschwindigkeit von 245 km/h das bis dahin schnellste Serienauto von Alfa Romeo. Äußere Kennzeichen waren tiefer herunter gezogene Frontspoiler, Seitenschweller und Heckschürze. Der Steuern sparende Zweiliter-Turbo blieb ebenso im Angebot wie der Dreiliter-V6 mit Zweiventil-Technik. Dessen Ansprechverhalten wurde durch eine neue Motorelektronik verbessert, obwohl die Leistung auf 180 PS (132 kW) sank. Ein optisches Unterscheidungsmerkmal zu den Modellen der ersten Baujahre waren die Ellipsoid-Hauptscheinwerfer.

Ende 1993 wurde in der Palette des Ur-Modells der Alfa Romeo 164 3.0 V6 24V Quadrifoglio durch eine neue Variante mit Vierradantrieb ersetzt. Das Q4 genannte System beruhte auf einer elektronisch gesteuerten Viskokupplung, die die Kraft variabel zwischen Vorder- und Hinterachse verteilte. An der Hinterachse brachte Torsendifferenzial gute Traktion. Der Alfa Romeo 164 3.0 V6 24V Q4 wurde ebenfalls ausschließlich mit der stärksten Motorvariante mit 171 kW (232 PS) gebaut, die exklusiv mit einem Sechsganggetriebe kombiniert war. Wie die Modellvariante Quadrifoglio war auch der Q4 mit einem elektronisch verstellbaren Fahrwerk ausgestattet. Mir hat sich vom 164 Q4 übrigens ein schöner Erinnerungsfilm aus den 90er-Jahren in das Hirn gebrannt. Damals kam bei winterlich vereisten Straßen in unserer Reihenhaussiedlung des öfteren ein roter Q4 quer um die Ecke. Sein Fahrer zeigte dabei ekstatisch grinsend, was Fahrfreude heißt.

Drittes Facelift

1994 wurde der Alfa Romeo 164 erneut überarbeitet. Ab diesem Zeitpunkt hatten alle Modellvarianten das Design der bis dahin als Super bezeichneten Ausstattungslinie. Unter anderem war nun der Fahrer-Airbag in allen Versionen serienmäßig . Die Motorenpalette blieb unverändert, allerdings wurden alle Triebwerke auf die gerade neue Euro-2-Richtlinie angepasst, unter anderem durch anders abgestufte Getriebe und geänderte Motorelektroniken. Dadurch sank die Leistung des stärksten Dreiliter-V6-Vierventilers geringfügig auf 168 kW (228 PS). Der letzte Alfa Romeo 164 rollte Ende Juni 1997 im Werk Arese vom Band. Die gesamte Produktion erreichte innerhalb eines Jahrzehnts fast 270.000 Stück. Nachfolgemodell war der ab Oktober 1998 produzierte Alfa Romeo 166.


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