zurück zum Artikel

Späte Genugtuung

40 Jahre Honda CX 500

Motorrad iga
Zweirad

Einst erlangte sie, dank Comic-Held Werner, Berühmtheit - als „Güllepumpe“. Heute lacht keiner mehr über die Honda CX 500. Sie zeichnete sich nicht nur durch Zuverlässigkeit und hohe Laufleistung aus, sondern heute vor allem als beliebte Basis für Café-Racer-Umbauten. Die Honda CX 500 wird 40

Eigentlich müsste sich Honda bei „Werner“-Schöpfer Rötger Feldmann bedanken. Ohne ihn wäre die CX 500 zumindest im deutschsprachigen Raum nie so bekannt geworden. Honda CX 500-Fahrer hatten es nach erscheinen des Kult-Comics „Werner – Eiskalt“ (1985) nicht leicht: Egal, wo sie auftauchten, wurde ihr Motorrad als „Güllepumpe“ bespöttelt, selbst Menschen, die sich sonst überhaupt nicht für Motorräder interessierten, kannten die Honda. Der gezeichnete Held mit der langen Nase aus der norddeutschen Tiefebene war eingeschworener Horex-Fan und entsprechend war ihm alles aus dem fernen Japan suspekt. Seiner Meinung nach konnte ein Motorradmotor mit Wasserkühlung nur für das Verstreuen von Gülle gut sein.

Doch die Gescholtene erhält inzwischen eine späte Genugtuung, ihr Marktwert erreicht vierzig Jahre nach dem Debut des Zweizylinders ungeahnte Höhen. Der Grund ist ihre hohe Zuverlässigkeit und die Beliebtheit in der Customizing-Szene. Die CX 500 dient häufig als ideale Basis, um aus ihr einen nostalgischen Café Racer zu bauen. Dabei hatte Honda sie damals eher als wirtschaftlichen Sporttourer konzipiert.

Abgeguckt, aber innovativ

Bei der Präsentation auf der Tokyo Motor Show 1977 wurde die CX 500 wohlwollend für etliche Innovationen von der Fachpresse gelobt, auch wenn das Publikum sie eher als japanische Moto Guzzi-Kopie ansah. In der Tat hatten die Honda-Ingenieure bei der Entwicklung des längs eingebauten V2 wohl auf das italienische Kult-Motorrad V7 geschielt, doch die CX 500 als Plagiat einzustufen, wird ihr nicht gerecht. Die Honda unterschied sich in einigen grundlegenden Dingen von der Moto Guzzi. So verfügte die CX 500 über eine Wasserkühlung, der Zylinderwinkel betrug nur 80 statt 90 Grad, die Zylinderköpfe waren um 22 Grad nach innen gedreht und die Vergaser wanderten unter den 17-Liter-Tank, so dass die Knie des Fahrers nicht dagegen stießen. Genau wie bei der Italienerin wurde das Hinterrad von einer Kardanwelle angetrieben – ein Novum in der japanischen Mittelklasse.

Der Tourengedanke fand sich auch in der Sitzhaltung wieder, zwar musste der Oberkörper leicht nach vorne gebeugt werden, um den nicht allzu hohen Lenker zu greifen, dennoch war die Haltung nicht unbequem. Eine komfortable Sitzbank und reichlich Platz für den Sozius steigerten ihre Reisequalitäten. Auf einen Kickstarter verzichtete die Honda, ein E-Starter bot mehr Luxus.

Mit 50 PS damals eine amtliche Ansage

Der 497-Kubikzentimeter-Motor hatte vier Ventile pro Zylinder, leistete 50 PS bei 9000 U/min und brachte es auf 180 km/h, was damals eine amtliche Ansage war. Der kurzhubige Motor hatte eine relative hohe Verdichtung von 10:1 und entwickelte erst oberhalb von 6000 U/min deutlich Dampf, drehte dafür aber munter bis an den fünfstelligen Bereich.

Das von den BMW-Boxermotoren berüchtigte Kippmoment beim Lastwechsel eliminierte Honda weitgehend, indem sie die Ölbadkupplung als zweite Schwungmasse vor dem Motor platzierten und sie gegenläufig drehen ließ. Eine effiziente Lösung, die BMW erst 37 Jahre später bei der wassergekühlten R 1200 GS übernahm. Die CDI-Zündung der Honda – je eine pro Zylinder – war damals sehr fortschrittlich. Außerdem darf die CX 500 für sich in Anspruch nehmen, das erste Serienmotorrad gewesen zu sein, das schlauchlose Reifen auf Leichtmetallfelgen bot.

Ungeteiltes Motorgehäuse

Doch die Liste der technischen Leckerbissen geht noch weiter: Ihr Motorgehäuse und die Zylinder waren einteilig gegossen. Das ersparte nicht nur Dichtungen, sondern auch einige Arbeitsschritte bei der Herstellung. H4-Licht leuchtete die Straße aus. Zwei Bremsscheiben sorgten am Vorderrad für Verzögerung, während am Hinterrad eine Trommelbremse ihren Dienst versah. Das Fahrwerk war schlicht, aber solide. Ein Rückgrat-Rohrrahmen aus Stahl trug den Motor, vorne arbeitete eine Teleskopgabel mit 33 Millimeter Durchmesser, die hinteren Federbeine waren immerhin in der Vorspannung einstellbar.

Ab 1981 bekam die CX 500 im Zuge einer Modellüberarbeitung einen automatischen Steuerkettenspanner, was die Wartungsfreundlichkeit erhöhte. Im gleichen Jahr erschien die Honda auch als CX 500 Turbo mit Einspritzung und Vollverkleidung. Ihre 82 PS sollten die Sportfans locken, sie konnte aber wegen des schlagartigen Einsatzes des Turboladers nicht überzeugen und fand innerhalb von zwei Jahren nur 379 Käufer in Deutschland. Extra für Europa baute Honda die CX 500 E mit einer etwas größeren Cockpitverkleidung und rechteckigem Scheinwerfer, außerdem wurden die Sitzbank, die Plastik-Seitenteile, die Auspuffanlage und das Heck modifiziert. Auf Basis der CX 500 entwickelte Honda den Softchopper CX 500 C sowie die GL 500 als kleine Schwester der Gold Wing 1100. Ab 1983 wuchs der Hubraum und es entstanden die CX 650 C, GL 650 und CX 650 Turbo.

Verkaufserfolg bis heute

Die CX 500 mauserte sich zum Verkaufserfolg, rund 25.000 Exemplare fanden bis 1983 in Deutschland ihre Liebhaber. Sie erwies sich als angenehmer Reisebegleiter, brachte den Fahrer aber auch jeden Tag klaglos zur Arbeit und, dank eines recht guten Handlings, konnte man die vollgetankt 220 kg schwere Maschine auch auf der Landstraße flott bewegen. Erstaunlich viele CX 500 sind immer noch unterwegs, die von den Honda-Entwicklern angestrebte Haltbarkeit hat sich ausgezahlt. In Großbritannien etwa ist die CX 500 bis heute sehr beliebt bei Kurierfahrern, die vor allem in der Londoner City jeden Tag im Einsatz sind. Manche CX 500 hat dort bereits über 200.000 Meilen (über 320.000 km) auf dem Tacho – mit dem ersten Motor! Entsprechend herrscht auf der britischen Insel ein schwunghafter Handel mit Ersatzteilen für die V2-Honda.

Auch in Deutschland ist die CX 500 wieder ein begehrtes Modell. Gut erhaltene Exemplare mit nicht allzu hoher Laufleistung übertreffen heute den damaligen Neupreis von umgerechnet rund 3000 Euro. In der Custom-Szene gibt es einige hübsche, aber auch sehr fantasievolle Umbauten auf Basis der CX 500, deren Preise allerdings teilweise enorm hoch sind.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-3624205