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Studie mit Diesel-Plug-in-Hybrid hat einen entfernten Audi-Verwandten

Audi e-tron Spyder im Fahrbericht

Fahrberichte ghe

Mit dem Audi Duo hatten die Ingol­städter schon 1997 einen Plug-in-Hybrid mit Diesel im Programm. Abgesehen vom Antriebs­konzept ist der e-tron Spyder das glatte Gegenstück zum erfolg­losen Biedermann

Malibu (Kalifornien/USA), 21. Oktober 2011 – Das erleben wir auch nicht alle Tage: Für den heutigen Fahrbericht wurde unser Fahrer von der kalifornischen Polizei eskortiert. Aber es waren weder Tempoüberschreitung noch Alkohol im Spiel: Denn noch ist der Audi e-tron Spyder ein millionenteures Einzelstück ohne reguläre Zulassung, doch dank der Ordnungshüter konnten wir den Diesel-Plug-in-Hybrid schon auf öffentlichen Straßen ausprobieren. Um es vorwegzunehmen: Ein wenig freudentrunken war unser Fahrer am Ende schon.

Kompakter Sportler

In Sachen Design ist Audi auch in der Serie weit vorn, doch beim e-tron Spyder hatten die Ingolstädter noch größere gestalterische Freiheit: Der Wagen wirkt flach, schnittig, athletisch und schützt seine Insassen mit einer rahmenlosen Glaskanzel vor Fahrtwind. Ein Verdeck gibt es nicht – später in der Serie wird natürlich eine schützende Kappe zur Verfügung stehen. Der Technologieträger fährt auf 20-Zoll-Felgen mit jeweils 20 Speichen, die wie Turbinenschaufeln aussehen. Jedes Rad wird aus 66 Einzelteilen montiert – wie die Serien-Räder aussehen, wollen wir uns angesichts dieses Aufwands jetzt lieber nicht ausmalen. Als Chassis dient ein markentypischer Aluminium-Space-Frame. Insgesamt erinnert der Wagen ein wenig an den R8 – aber von dem Supersportler wurde kein Teil 1:1 übernommen. Viele Komponenten mussten grundlegend modifiziert werden, erläutert Uwe Haller, Projektleiter für den e-tron Spyder.

Kompakter Radstand

Mit einem Radstand von 2,43 Meter bleibt der Spyder 22 Zentimeter unter dem Vergleichswert des R8 – was den Spyder äußerst kompakt und wendig wirken lässt. Die übrigen Maße: 4,06 Meter Länge, 1,81 Meter Breite und nur 1,11 Meter Höhe.

Auch innen komplett durchgestylt

Die schnittigen Leichtbau-Sitze eignen sich für lange Strecken und bieten guten Seitenhalt. Das schlanke Armaturenbrett ist tastenfrei – sämtliche Bedienungen erfolgen in Smartphone-Manier per Touchscreen. Die Pedalerie würde auch einem Raumschiff gut stehen. Das Lenkrad wurde oben und unten abgeflacht. Die Batterie des e-tron Spyder kann über eine Steckdose, die hinter dem Front-Logo verborgen ist, nachgeladen werden: Die vier Ringe lassen sich elektrisch beiseite schieben, dann tauchen der Anschluss und ein kleiner Monitor auf. Auf dem Display lassen sich der Ladezustand und die aktuelle Reichweite in Form einer Kartendarstellung ablesen.

Sportlich auf Achse

Auch in Sachen Fahrwerk konnten die Entwickler ganz oben ins Teileregal greifen: Die Vorderachse kommt vom TT RS und die Hinterachse vom R8 – wiederum mussten beide Bauteile an die Maße des e-tron Spyder angepasst werden. Das Gewicht unseres Testwagens beträgt 1650 Kilogramm, das Zielgewicht für das Serienmodell liegt bei 1450 Kilogramm. Die Gewichtsverteilung zwischen vorne und hinten haben die Ingenieure auf den Idealwert von 50 zu 50 Prozent zwischen vorne und hinten eingepegelt, wobei ihnen die Auslegung als allradgetriebener Hybrid entgegenkam: Die beiden Elektromotoren liegen im Bereich der Vorderachse, der längs eingebaute V6-Diesel vor der Hinterachse.

Gute Lenkung

Der Wagen lenkt behende ein, lässt sich wie ein Go-Kart um die Kurven zirkeln. Dabei bleibt er in allen Situationen neutral. Hier hilft das Torque Vectoring, also die bedarfsgerechte Verteilung der Momente zwischen kurvenäußerem beziehungsweise -innerem Rad – und das an beiden Achsen. Die Lenkung arbeitet extrem präzise und ohne jegliches Spiel. Unserem Gefühl nach könnte sie für einen Sportwagen etwas mehr Widerstand bieten, aber das ist Geschmackssache. Wem die Lenkung eines R8 zu kernig ist, der wird mit der Lenkung des e-tron-Konzeptfahrzeugs glücklich. Außerdem wird sich in Sachen Lenkwiderstand bis zur Serienreife noch etwas tun.

Federkern

Das Fahrwerk des e-tron ist schon jetzt so knackig wie wir es von einem Sportwagen erwarten. Gewankt wird nicht, und die Traktion passt. Dabei handelt es sich bei unserem Testauto doch erst um eine fahrbare Studie, deren Performance jedoch die Messlatte für einen Serien-Nachfolger sehr hoch legt.

Vier angetriebene Räder

Zwei Elektromotoren treiben die Vorderräder des e-tron Spyder, ein Dieselmotor die Hinterachse an. Die Diesel-Hybride von Peugeot und Volvo lassen grüßen: Zwischen beiden Achsen gibt es keine mechanische Verbindung.

Entfernter Urahn

Dabei ist die Studie nicht der erste Diesel-Hybrid von Audi: Der Audi Duo von 1997 basierte auf dem damaligen A4 Avant. Er wurde von einem 1,9-Liter-Turbodiesel mit 90 PS und einem Elektromotor mit einer Leistung von 21 kW (29 PS) angetrieben. Auch an die Plug-in-Funktion hatten die Ingenieure bereits gedacht: Die zusammen 320 kg schweren Akkus konnten an der Steckdose nachgeladen werden. Der Wagen war eines der ersten in Serie produzierten Hybridfahrzeuge – auf Grund des hohen Preises von rund 60.000 DM wurden allerdings nur weniger als 100 Exemplare verkauft. Das Ende der Produktion kam schon 1998. Womöglich hat die – trotz Weiterentwicklung immer noch teure – Hybrid-Technik in einem Lifestyle-Auto à la e-tron Spyder deutlich mehr Chancen am Markt als in einem Vernunftauto.

Abgespeckt

Die für je ein Vorderrad zuständigen Elektromotoren bringen es im Spyder auf zusammen 64 kW (88 PS) und ein Drehmoment von 352 Nm. Ihre Energie beziehen sie aus einer zeitgemäßen Lithium-Ionen-Batterie mit einer Kapazität von 9,1 kWh. Hochvolt-Speicher, Steuerung und die E-Maschinen wiegen zusammen 100 Kilogramm. Die Bleiakkus des Audi Duo waren bezogen auf die Speicherkapazität rund dreimal so schwer.

Den Biturbo-Diesel kennen wir bereits aus dem A6: Er leistet 300 PS und generiert ein maximales Drehmoment von 650 Nm. Die Drehmoment-Verteilung zwischen vorne und hinten beträgt 25 zu 75 Prozent. Dank der Batterie kann der e-tron bis zu 50 Kilometer rein elektrisch fahren, die maximale Geschwindigkeit beträgt dann 60 km/h. Per Knopfdruck lässt sich die rein elektrische Fahrt erzwingen. Dank des Plug-in-Systems kommt der e-tron Spyder laut Hersteller auf einen Normverbrauch von 2,2 Liter Diesel pro 100 Kilometer – entsprechend einem CO2-Ausstoß von 59 Gramm pro Kilometer.

Ungewohnte Klänge

Im reinen Elektromodus kommt unser e-tron ordentlich voran. Dabei geben die beiden Elektromotoren ein hochfrequentes Surren von sich – aber irgendwie muss der Wagen ja deutlich machen, dass er noch kein Serienauto ist. Der Vorwärtsdrang im Dieselbetrieb ist nicht minder beeindruckend. Und auch hier hören wir ungewöhnlichen Konzeptfahrzeug-Sound: Gasstöße begleitet ein Knattern. Dämmung und Sound-Aktuator sind etwas für die Serie, die Fahrwerte stimmen jetzt schon: In 4,4 Sekunden ist Tempo 100 erreicht, bei 250 km/h wird dem Vortrieb elektronisch ein Ende gesetzt. Gehen wir vom Gas, wird moderat rekuperiert – unkomfortables hartes Einbremsen Fehlanzeige.

Multitronic oder DKG

Die Knöpfe für die Gangwahl klappen auf einer kleinen Platte aus der Mittelkonsole. Als Getriebe kommt die stufenlose Multitronic zum Einsatz, die gut mit dem Selbstzünder harmoniert. Später in der Serie soll dann das S-tronic genannte Doppelkupplungsgetriebe (DKG) für die Schaltarbeit zuständig sein.

Fazit

Der Audi e-tron Spyder ist mit einem 50-Liter-Tank unterwegs, kommt damit fast 1000 Kilometer weit und ist zugleich eine ausgemachte Sportmaschine. Uns beeindrucken zwei Dinge: zum einen, wie gut sich das Konzeptauto bereits jetzt schon fährt und zum anderen die Erwartung, wie toll ein Serienauto ausfallen könnte. Wir können das fertige Resultat kaum erwarten.


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