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Mit dem BMW 335d durch abgelegene Ecken der USA

Auf Tankstellensuche in der US-Ödnis

Fahrberichte ghe

Das Motelpersonal vom Atomic Inn in Beatty kann sich kaum auf den Beinen halten. Aber das liegt nicht an der vielen Arbeit. Wir sind in dieser abgelegenen US-Gegend, um zu testen, wie weit wir mit Dieselkraftstoff kommen

Beatty (Nevada/USA), 5. Januar 2011 – Das Motelpersonal vom Atomic Inn in Beatty kann sich kaum auf den Beinen halten. Aber das liegt nicht an der vielen Arbeit. In dem Kaff am Rande des Death Valley haben viele Leute Probleme mit dem Geradeauslauf – bereits am frühen Morgen. Beatty ist eine entlegene Stadt für Leute auf der Durchreise zum Death Valley und kommt uns gerade recht: Wir wollen sehen, wie weit wir mit einem Dieselfahrzeug im Pkw-Diesel-Neuland USA kommen. Unser Proband: Ein BMW 335d mit 286 PS.

Trocken in L.A.

Wir starten in Gardena in Los Angeles County und merken schnell, dass das gar nicht so einfach ist mit dem Diesel. Die zum Vons-Supermarkt gehörende Tanke hat ebenso wenig Diesel im Angebot wie die in Sichtweite liegenden Tankstellen von Mobil oder Chevron. Auch an der 76-Tankstelle kann man nicht helfen. Also fahren wir erst mal los, schließlich wollen wir heute noch nach Las Vegas. Auf halber Strecke, mitten in der Wüste werden wir unruhig, suchen nach einer Zapfstation. An einem so genannten Gas Exit, also einer Freeway-Ausfahrt, an der es Kraftstoff gibt, fahren wir raus. Von den drei örtlichen Tankstellen hat die teuerste, Shell, endlich Diesel – für umgerechnet 69 Euro-Cent pro Liter.

Exot auf Reisen

Der BMW 335d ist in den USA ein absoluter Exot. 3er gibt es wie Sand am Meer, aber mit einem "d" am Ende der Modellbezeichnung sehen wir keinen weiteren. Die Leute erkennen flugs unseren Diesel-BMW: Der Keys Ranch Ranger, dem wir später im Joshua-Tree-Nationalpark begegnen, schwärmt von Schießereien und weist seine Besucher-Truppe darauf hin, dass man auf den Schotterpisten des Parks nur umgerechnet zirka 25 km/h fahren darf. "Ich weiß, manche von Ihnen haben wunderschöne Autos mit Dieselmotor. Bitte achten Sie trotzdem auf das Speed Limit." Wir sind die einzigen, die mit einem Diesel-Fahrzeug gekommen sind. Der Dieselmotor gilt inzwischen bei autointeressierten Amerikanern als moderne Kraftmaschine. Andere wiederum sind überrascht. Die Tankstellen-Kassiererin in Yucca Valley fragt uns ungläubig, ob wir wirklich den BMW mit Diesel betanken wollen. Diesel tanken doch eigentlich nur große Trucks, meint sie. Wir verraten ihr unseren Verbrauchswert und die PS-Zahl des Wagens – sie ist beeindruckt.

Nach unserer L.A.-to-Las-Vegas-Erfahrung gehen wir bei der Tankstellensuche planvoller vor. Hilfreich ist ein Internet-Zugang. Zwar bieten die großen US-Tankstellenketten auf ihren Websites eigene Tankstellen-Finder an, aber mit Abstand am besten hat uns Mapquest gefallen (http://gasprices.mapquest.com). Die Suchmaschine findet auch Zapfstationen, die nicht den großen Ketten angehören, ordnet die Treffer nach Spritpreis und ist auch für die Suche nach Bio-Ethanol, Gas oder Strom-Tankstellen gut. Bevor wir von Las Vegas nach Beatty aufbrechen, um unseren BMW im nahegelegenen Death Valley zu testen und zu filmen, sichern wir uns über die angegebene Website ab. Im Wüstenkaff soll es tatsächlich gleich zwei Tankstellen mit Diesel geben. Und da uns Mapquest die Preise sortiert, sieht es so aus, als wenn die preiswertere Alternative gleich neben unserem Atomic Inn liegt: Umgerechnet 59 Euro-Cent bei Rebel Oil. Aber das stimmt genauso wenig wie die Leuchtreklame von unserem unheimlichen kleinen Motel mit dem für eine Kleinstadt ausreichenden Riesen-Server im Hinterzimmer der Rezeption.

Nicht bis zum letzten Tropfen

In Beatty dann die Erkenntnis: Das Atomic Inn verbirgt sich hinter der gigantischen aber anscheinend überholten Leuchtschrift "Phoenix Inn" und die Diesel-Zapfsäule der Rebel-Tankstelle ist trocken wie die Wüste. Wir kaufen uns einen Eistee und die runtergekommene Kassiererin prüft unsere Fünfdollar-Note minutenlang genauestens auf Echtheit. Währendessen blinkern hinter uns Spielautomaten mit Röhrenbildschirmen aus den frühen 1980ern. Die Leibesfülle der Leute vor den Automaten weist uns auf ein großes Geschäft am anderen Ende des Ortes hin: die Nut & Candy Company.

42 Kilometer zur nächsten Diesel-Tankstelle

In Beatty gibt es keinen Supermarkt, aber einen Laden mit riesigem Süßigkeiten-Angebot: Radkappen-große Dauerlutscher, Butter-Toffee in Ein-Kilogramm-Brocken und schlabberige Gummitiere in psychedelischen Farben locken die Leckermäuler. Der nächste ernstzunehmende Supermarkt liegt im 118 Kilometer entfernten Pahrump. Aber immerhin hat der Nut & Candy Shop auch eine Diesel-Tanke und seine Tankstelle ist in erheblich besserem Zustand als die gammelige Station neben unserem Motel. Wäre auch hier der Diesel aus, müssten wir zu Nevada Joe's Tankstelle ins 42 Kilometer entfernte Örtchen Armagosa Valley fahren. Es ist also ratsam, in solchen Gegenden schon bei einem Drittel Restfüllung im Tank nach der nächsten Spritquelle zu suchen. Den teuersten Diesel unserer Tour finden wir übrigens bei Chevron in der Furnace Creek Ranch mitten im Death Valley: 83 Euro-Cent werden hier pro Liter fällig.

Aber wer seinen Tank nicht bis auf den letzten Tropfen leer quält, hat eigentlich immer Dieselkraftstoff in Schlagdistanz. Wir fahren vom Death Valley über Yucca Valley und den Joshua Tree Park nach Bombay Beach. Das verrottete 360-Einwohner-Nest am Ufer von Kaliforniens größtem See, dem sterbenden Salton Sea, ist zu einem Teil im Sand versunken, was Maler und Fotografen unwiderstehlich finden. Der Ort hat zwar einen Geldautomaten und vor einer Hütte steht ein von drei pelzigen Hunden bewachter Maserati Quattroporte III aus Ende der 1970er – doch eine Tankstelle gibt es nicht. Aber selbst hier, wo die mexikanische Stadt Mexicali nur zirka 100 Kilometer entfernt ist, finden wir noch eine reichliche Auswahl an Diesel-Tankstellen. Nach Calipartia südlich von Bombay Beach sind es gerade mal 32 Kilometer. Allerdings wird man hier von der US Border Control an einem Checkpoint auf illegale Einwanderer gefilzt. Immerhin verraten einem die Einheimischen gerne, auf welchen gar nicht mal so versteckten Schleichwegen man die Posten umfahren kann.

Mit Fehlbetankungsschutz

Auf der anderen Seite des Sees das bekannte Spiel: Auch der Kassierer der AM/PM-Tankstelle in Thermal will wissen, ob wir den BMW wirklich mit Diesel betanken wollen. Wir mussten während unserer gesamten Tour übrigens nur zweimal den Verkaufsraum einer Tankstelle betreten, da unsere Kreditkarte dort jeweils nicht an der Zapfsäule funktionierte. In Deutschland wäre es für einen Tankstellen-Pächter undenkbar, den Kunden weiterfahren zu lassen, ohne ihn zwangsläufig vorher in den Shop zu führen. Und wer in den USA nicht auf die freundlichen Nachfragen der Kassierer hinsichtlich des Kraftstoffs vertrauen möchte: Im Kofferraum des 335d liegt ein Fehlbetankungsschutz-Adapter.

Straff mit Schub

Wieviel Diesel verputzt unser 335d nun und wie macht er sich dabei? Für den Vortrieb im Bayern sorgt ein Sechszylinder-Reihendiesel mit drei Liter Hubraum. Noch mehr als die 286 PS beeindruckt das Drehmoment von 580 Nm, das bereits von 1750 bis 2250 U/min anliegt. In 6,0 Sekunden geht's von null auf 100 km/h, bei für US-Verhältnisse irrelevanten 250 km/h wird der Schub elektronisch abgeregelt. Und die Beschleunigung haut uns ordentlich in die Sitze – fürs digitale Vollgas-Bremsen-Fahren auf den Freeways Richtung Downtown L.A. ist das okay. Aber auf dem Land wird der Sheriff schon sauer, wenn man zu engagiert von der Kreuzung losspurtet. Apropos Spurt: Die 18-Zoll-Niederquerschnittsreifen unseres Wagens führen dazu, dass er reichlich den vielen Spurrillen nachspürt.

Wir halten also das Lenkrad immer gut fest, an der direkten Lenkung gibt es nichts zu tippen. Im Schnitt verbrauchen wir, dem konstanten Highway-Tempo von 105 km/h sei dank, 6,3 Liter pro 100 Kilometer. Der Stop-and-go-Verkehr im Zentrum von L.A. treibt dann 8,4 Liter pro 100 Kilometer durch die Brennräume. Den Durchschnittsverbrauch gibt BMW mit 6,6 Liter an. Wir sind mit eingeschalteter Klimaanlage unterwegs und bemühen uns nicht bewusst um eine besonders sparsame Fahrweise – liegen beim Durchschnittsverbrauch aber trotzdem in der Nähe der Herstellerangabe. Es ist allerdings in den USA auch nicht ganz einfach, anders als ruhig und konstant zu fahren.

Größe zählt

Vom Salton Sea geht's zurück nach Los Angeles. Hier dürfen wir die Carpool Lane, also die Spur für Fahrgemeinschaften, benutzen, weil wir mehr als eine Person im Auto sind. Die krumme Summe von 341 Dollar, also zirka 254 Euro, wird mindestens fällig, wenn man diese Spur benutzt und alleine im Auto sitzt. Mit Umweltschutz hat das nichts zu tun: Auf unserer Spur sind unter anderem ein Porsche 911 Turbo und ein GMC Sierra Grande Heavy Duty unterwegs. Bei ihm handelt es sich um einen gigantischen Pick-up-Truck. Eines der Vorgängermodelle fuhr Stuntman Colt Seavers in der Serie "Ein Colt für alle Fälle". Der Hang der Amis zu großen und/oder kräftig motorisierten Autos wird sich wohl nicht so schnell ändern.

Der Diesel passt

"... und fahre einen großen Panzer durch die Gegend, damit mich niemand piesacken kann.", schrieb schon am 3. August 1972 Charles Bukowski in einem Brief an die Stewardess Patricia Connell. Er fuhr damals einen 1962er Mercury Comet. Gerade die unerschütterliche Liebe der Amis zu großen Autos in Kombination mit den ellenlangen und gemächlich abzucruisenden Highway-Strecken machen den Diesel so brauchbar für den amerikanischen Straßenverkehr – mit unserem BMW 335d konnten wir das bei beeindruckend niedrigem Verbrauch erfahren, zumal man selbst in den entlegensten Kaffs noch zumut- und bezahlbar an den Kraftstoff kommt. Bukowski ist übrigens später auf einen BMW umgestiegen.


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