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Experten räumen der politisch populären Zukunftstechnologie immer weniger Chancen ein

Auf Wiedersehen Wasserstoff

Technik frw

Hohe Energieverluste bei der Erzeugung, schwierige Speicherung, teure Brennstoffzellen – das favorisierte Gas entwickelt sich mehr und mehr zur Sackgasse.

Hannover, 24. Mai 2007 – Statt Öl treibt künftig Wasserstoff die weltweite Wirtschaft an, aus Autoauspuffen kommt statt Schadstoffen nur noch reines Wasser. So weit die Vision. In der Realität aber stellt sich mehr und mehr die Frage: Ist das gefeierte Gas eine Zukunftstechnik ohne Zukunft?

In Deutschland begann das neue Zeitalter am 5. Mai 1999 um 12 Uhr. Damals ging auf dem Münchner Flughafen die „weltweit erste öffentliche“ Wasserstofftankstelle in Betrieb, wie die Betreiber versichern. Mit ihr war der erste, wenngleich noch winzige, Schritt in die viel beschworene Wasserstoffwirtschaft gemacht. Im vergangenen Jahr hat inzwischen mitten in Berlin die „weltweit größte“ Wasserstofftankstelle eröffnet.

150 Brennstoffzellenautos bis 2010

Auch in Hamburg und Stuttgart hat die Zukunft schon begonnen. Beide Städte betrieben bis Ende 2005 je drei Brennstoffzellen-Busse im Rahmen des europäischen CUTE-Projekts (Clean Urban Transport for Europe); seit Anfang 2006 läuft das Anschlussprojekt HyFLEET:CUTE. Hamburg hat seine drei Brennstoffzellen-Busse auf insgesamt neun aufgestockt, in Berlin sind 14 Linienbusse mit Wasserstoffverbrennungsmotor dazukommen. Im Februar 2006 ist ein weiteres europäisches Projekt an den Start gegangen: Im Rahmen von „HyChain Minitrans“ sollen bis 2010 mehr als 150 Kleinfahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb auf die Straßen kommen.

Augen vor Realität nicht verschließen

Bei solchen Nachrichten könnte man meinen, das Zeitalter der sauberen Fortbewegung mittels schadstofffreien Wasserstoffs sei nun endlich greifbar nahe. Doch der Eindruck könnte falscher nicht sein: Während allerorten öffentlich geförderte Projekte ihren gefeierten Fortgang nehmen, kommen kühl kalkulierende Experten zunehmend zu dem Schluss, dass die Reise in die Wasserstoffwirtschaft in Wirklichkeit ein Holzweg ist. Das betrifft auch Leute, die früher glühende Fans der grünen Technologie waren: „Das System ist technisch toll. Ich liebe die Brennstoffzelle“, sagt etwa Axel Friedrich, Abteilungsleiter für Verkehr und Lärm beim Umweltbundesamt. „Ich habe meine Ingenieurarbeit auf dem Gebiet gemacht. Aber ich darf die Augen vor der Realität nicht verschließen.“ Und die sei, wie im Märchen von des Kaisers neuen Kleidern, ziemlich eindeutig: „Der Kaiser ist nackt.“

Wasserstoffidee fasziniert die Öffentlichkeit

Wie kann das sein? Ist Wasserstoff nicht das häufigste Element im Universum? Wäre er damit nicht nahezu unerschöpflich und damit bei steigendem Energieverbrauch und immer knapper werdendem Öl eine verlockende Alternative? Wären nicht mit einem Schlag alle Klimaprobleme gelöst, wenn wir einfach alle fossilen Energieträger durch Wasserstoff ersetzen würden? Wäre die Energieversorgung mit Wasserstoff und Brennstoffzelle nicht faszinierend sauber, weil sich Wasserstoff mit dem Sauerstoff der Luft verbindet und so nur elektrischer Strom und reines Wasser entsteht?

Kritische Stimmen kaum zu hören

Alles richtig, und angesichts solch einleuchtender Fakten ist es kein Wunder, dass die Wasserstoffidee Öffentlichkeit, Wirtschaft und Politik gleichermaßen fasziniert. Noch sind die Stimmen der Kritiker kaum zu hören, zumal Enthusiasten wie der amerikanische Erfolgsautor Jeremy Rifkin ihren Posaunentönen auch noch eine weltbefreiende Note aufdrücken: Rifkin will mit Wasserstoff und Brennstoffzellen elektrischen Strom noch in den letzten Winkel der Erde bringen und so nicht nur die „koloniale Unterdrückung“ beenden, sondern auch gleich noch die Energieerzeugung „demokratisieren“.

Visionen für die Politik

Mit seinen Wasserstoffvisionen konnte Jeremy Rifkin unter anderen Romano Prodi einnehmen. Der ehemalige Präsident der Europäischen Kommission ernannte Rifkin zu seinem Berater und rief Anfang 2004 die „Europäische Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie-Partnerschaft“ aus. Bis zum Jahr 2050 soll demnach die Transformation unserer auf fossilen Energien basierenden Wirtschaft in eine „wasserstofforientierte Wirtschaft“ abgeschlossen sein. Mit weit verbreiteten Wasserstoffpipelines, die ausschließlich regenerativ erzeugten Wasserstoff transportieren, mit allgegenwärtigen Brennstoffzellen im Verkehr, in der dezentralen Stromerzeugung bei jedermann zu Hause und in abertausenden von Kleingeräten.

Auf Wiedersehen Wasserstoff

Zur Verwirklichung dieser Vision waren im 6. Forschungsrahmenprogramm der EU rund 300 Millionen Euro vorgesehen. Allein in Deutschland flossen 2004 rund 85 Millionen Euro von Bund, Ländern und der EU in die Wasserstoff- und Brennstoffzellenforschung, und auch die neue Bundesregierung hat sich ein „nationales Innovationsprogramm zu Wasserstofftechnologien“ auf die Fahnen und in den Koalitionsvertrag geschrieben. Im März 2006 kündigte Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee an, über die nächsten zehn Jahre zusätzliche 500 Millionen Euro Fördermittel für die Entwicklung von Wasserstoffautos bereitstellen zu wollen.

Wasserstoffgewinnung kostet Energie

Doch was Jeremy Rifkin beim Propagieren seiner H2-Revolution nicht sagt, ist, wo die Unmengen an Wasserstoff für dieses Paradies auf Erden eigentlich herkommen sollen: Wasserstoff ist nun einmal keine Energiequelle wie Erdöl oder Erdgas, die uns helfen könnte, in der Zeit nach dem Versiegen der fossilen Energiequellen über die Runden zu kommen. Wasserstoff kommt in der Natur in freier Form so gut wie gar nicht vor. Stattdessen ist er in Wasser, Biomasse oder fossilen Kohlenwasserstoffen wie Kohle und Erdgas gebunden. Bevor sich das Gas also als Energielieferant einsetzen lässt, muss es aus seinen bestehenden Verbindungen gelöst werden. Das kostet jede Menge Energie – von der im frei werdenden Wasserstoff anschließend nur ein kleiner Teil gespeichert werden kann.

Dampfreformierung wirtschaftlich, aber klimaschädigend

Für die Herstellung von Wasserstoff steht bereits eine ganze Reihe von Verfahren zur Verfügung. Mit über 90 Prozent ist die Dampfreformierung von Erdgas am weitesten verbreitet. Dabei werden bei 950 Grad Temperatur und einem Druck von 25 bar Erdgas und Wasserdampf zusammengebracht und in Wasserstoff und Kohlendioxid umgewandelt. Die Dampfreformierung ist zurzeit die wirtschaftlichste Methode, Wasserstoff zu erzeugen, und dazu die mit dem höchsten Wirkungsgrad. Allerdings wird dabei genauso viel von dem Treibhausgas Kohlendioxid frei, wie auch bei der Verbrennung der entsprechenden Menge Erdgas entstanden wäre. Für eine nachhaltige und klimaschonende Energiewirtschaft ist die Dampfreformierung also kein gangbarer Weg.

Umweltfreundliche Elektrolyse

Eine weitere – viel diskutierte, aber wenig verbreitete – Methode, Wasserstoff herzustellen, ist die Elektrolyse. Dabei spaltet ein Elektrolyseur Wasser mit Hilfe von elektrischem Strom in seine beiden Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff auf. Rund ein Prozent des weltweiten Wasserstoffs wird heute aus der Elektrolyse von Wasser hergestellt. Die meisten Szenarien für eine zukünftige Wasserstoffwirtschaft favorisieren die Elektrolyse. Denn mit Strom aus erneuerbaren Energien ließe sich so am ehesten umweltfreundlicher Wasserstoff erzeugen.

Pure Energieverschwendung

Zumindest theoretisch – aber selbst jahrelang Wasserstoffbegeisterte fürchten mittlerweile, dass die neue Art des Wirtschaftens auf pure Energieverschwendung hinausläuft. „Früher habe ich den Wasserstoff hoch gelobt“, sagt Ulf Bossel, promovierter Ingenieur und Brennstoffzellenforscher, „aber dann habe ich das Ganze mal von vorn bis hinten durchgerechnet.“ Sein Ergebnis: Die Wasserstoffwirtschaft kann gar nicht kommen. Als künstlicher Energieträger, der erst verlustträchtig unter Einsatz anderer Energien hergestellt werden muss, könne Wasserstoff niemals konkurrenzfähig werden.

Strombedarf verdreifacht sich

„Der gesamte Energieverbrauch von Diesel und Benzin im Verkehrsbereich entspricht der Energie etwa der gesamten Stromerzeugung Deutschlands“, gibt auch Helmut Geipel vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWI) [1] zu bedenken. „Mit Umwandlungsverlusten bräuchte man die dreifache Kapazität der heutigen Stromerzeugung in Deutschland, um 100 Prozent des Verkehrsbedarfs mit Wasserstoff abzudecken. Eine Kapazität, die zu 50 Prozent auf Kohle beruht, die wir nicht mehr haben wollen, und zu 30 Prozent auf Kernenergie, die wir auch nicht mehr haben wollen“, sagt der Verfahrenstechnik-Ingenieur und Referatsleiter „Neue Energieumwandlungstechniken“ im BMWI.

Auf Wiedersehen Wasserstoff

Ein weiteres Problem ist die Speicherung. Denn das Wasserstoffatom ist das kleinste aller Atome und somit auch das leichteste. Das Element mit der chemischen Bezeichnung „H“ ist achtmal leichter als Methan, aus dem Erdgas zum überwiegenden Teil besteht. Zwar enthält Wasserstoff bezogen auf sein Gewicht rund dreimal mehr Energie als Benzin, aber das ist nicht der wichtigste Punkt: „Entscheidend ist die Energiedichte pro Volumen. Und da schneidet Wasserstoff sehr, sehr schlecht ab“, sagt Martin Wietschel vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe.

Wasserstoff verflüchtigt sich

Um mit Wasserstoff in Autos trotzdem annähernd auf den Energiegehalt von herkömmlichen Treibstoffen zu kommen, wird das Gas an Bord entweder bei sehr hohen Drücken von bis zu 700 bar oder flüssig bei minus 253 Grad gespeichert. Beides sind extreme Werte – „da kann man sich leicht vorstellen, welche technischen Probleme es dabei gibt“, sagt Wieschel. Ein Nachteil der Gasform ist, dass sich der Tankinhalt eines Wasserstoffautos schon nach kurzer Zeit in Luft auflöst. Denn das Wasserstoffatom ist so klein, dass es kaum gelingt, alle Bauteile gegen ein Austreten in Dampfform abzudichten.

Flüssiger Wasserstoff hat ein anderes Problem: Er erwärmt sich mit der Zeit und verdampft dann einfach. Eine Zeit lang ruhte die Hoffnung für bessere Tanks auch auf Metallhydridspeichern, die gasförmigen Wasserstoff absorbieren und bei Erwärmung wieder abgeben. Sie erwiesen sich aber als so teuer und schwer, dass sie nur in U-Booten verwendet werden, wo beide Faktoren kaum eine Rolle spielen.

Speicherung vernichtet Energie

Bleibt einstweilen nur die Speicherung unter hohem Druck oder bei tiefen Temperaturen. Doch beide Verfahren tragen weiter zur schlechten Energiebilanz von Wasserstoff bei. Schon die Komprimierung von gasförmigem Wasserstoff auf 800 bar verschlingt nach den Berechnungen von Konvertit Bossel 13 Prozent der in ihm enthaltenen Energie – und selbst unter diesem hohen Druck hat er nur etwa ein Drittel der Energiedichte von Benzin. Alles in allem landet im Drucktank nur gut die Hälfte der elektrischen Energie, die zur Erzeugung des Wasserstoffs eingesetzt wurde. Noch schlimmer sieht es bei der Verflüssigung aus. Die frisst zwischen 30 und 50 Prozent der Energie im Wasserstoff. Der Transport ist bei diesen Zahlen noch gar nicht mitgerechnet: „Ein 40-Tonner kann gerade mal 350 Kilogramm gasförmigen Wasserstoff transportieren“, sagt Bossel, „und auch flüssiger Wasserstoff ist leicht wie Styropor.“

Einfache Ingenieurrechnungen

Insgesamt kommen bei einem mit Wasserstoff betriebenen Brennstoffzellen-Auto an den Rädern nicht mehr als 20 bis 25 Prozent der ursprünglich eingesetzten Energie an; beim Wasserstoffverbrennungsmotor ist es wegen seines schlechteren Wirkungsgrades noch wesentlich weniger. All das haben die Wissenschaftler und Ingenieure Ulf Bossel, Baldur Eliasson und Gordon Taylor in ihrem Aufsatz „The Future of the Hydrogen Economy: Bright or Bleak?“ schon Anfang des Jahres 2003 detailliert vorgerechnet. Für sie ist die Wasserstoffwirtschaft nichts anderes als Verschwendung, die obendrein ganz offensichtlich ist. „Das sind doch ganz einfache Ingenieurrechnungen, die wir hier gemacht haben“, sagt Bossel. „Ich werfe es den Wasserstoffleuten vor, dass sie diese Rechnungen nicht mal nachvollziehen.“

Vom Mitstreiter zum Erzfeind

Tatsächlich ist Bossel seit seinem Aufsatz vom geschätzten Kollegen und Mitstreiter zum Erzfeind der Wasserstoff-Fans geworden. Doch seine Berechnungen bestreitet man auch bei der Wiesbadener Linde AG nicht, einem der größten Wasserstoffhersteller der Welt. Joachim Wolf, Geschäftsführer der Hydrogen Solutions von Linde Gas, gibt unumwunden zu: „Bossel hat im Grunde Recht. Ich muss mich auch um Wirkungsgrade kümmern. Aber wir sind zu 98 Prozent vom Öl abhängig, darum wurden schon Kriege geführt. Wenn ich strategisch denke und handle, dann muss ich mir Gedanken machen, was ich tun kann, denn wir haben ein Energieproblem, und wir haben ein CO2-Problem.“

Besser Erdgas direkt tanken

Daran besteht kein Zweifel – aber warum sich alle Welt ausgerechnet auf Wasserstoff als Gegenmittel gestürzt hat, will auch dem Umweltbundesamt-Experten Friedrich nicht einleuchten. In absehbarer Zeit werde es weder Brennstoffzellen-Autos zu kaufen geben noch ausreichend Wasserstoff dafür. Außerdem sei heutiger Wasserstoff aus Erdgas, das man dann lieber direkt tanken sollte. „Bei jeder Umwandlung verliert man Energie, aber das verstehen viele nicht“, wundert sich Friedrich. Diese Verluste könne auch eine effiziente Brennstoffzelle nicht wettmachen.

Auf Wiedersehen Wasserstoff

Wie groß die Kluft zwischen visionärem Wunsch und Wirklichkeit ist, zeigt auch das Beispiel DaimlerChrysler. 1997 versprach der Konzern mit der größten Versuchsflotte an Wasserstoffautos die Serieneinführung noch für das Jahr 2004. Heute gehen auch DaimlerChrysler-Entwickler davon aus, dass die ersten Brennstoffzellenautos erst zwischen 2015 und 2020 auf den Markt kommen werden. Die Unternehmensberatung McKinsey kommt allerdings zu dem Schluss, dass sich Brennstoffzellenautos auch in 15 bis 20 Jahren noch nicht rechnen werden.

Brennstoffzelle ist – noch – zu teuer

Ohnehin ist die Brennstoffzelle selbst das allergrößte Problem auf dem Weg in eine zukünftige Wasserstoffmobilität. Denn die Niedertemperatur-Brennstoffzellen fürs Auto brauchen noch viel zu viel von dem teuren Edelmetall Platin, das als Katalysator dient. „Im Wesentlichen hängt die Wasserstoffwirtschaft davon ab, ob es gelingt, die Brennstoffzelle billig zu machen, und da streiten sich die Geister. Benzin- und Dieselmotor kosten 30 bis 40 Euro pro Kilowatt Motorleistung, die Brennstoffzelle liegt bei 5000 Euro pro Kilowatt“, rechnet Fraunhofer-Forscher Wietschel vor. „Die meisten Ingenieure sagen zwar, aus technischer Sicht gibt es keinen Grund, dass man mit den Kosten nicht runterkommen könnte. Aber das ist mit Fragezeichen zu versehen, ob das wirklich gelingt.“

Wasserstoff in der Luftfahrt

In der Luftfahrt sieht es für den Energieträger Wasserstoff noch düsterer aus. Zwar hat es in der Vergangenheit immer mal wieder Projekte zu dem Thema gegeben – theoretisch ließen sich Flugzeug-Triebwerke recht einfach auf den Betrieb mit Wasserstoff umrüsten. „Das Problem ist aber der Transport an Bord, und ein noch größeres Problem wäre es, die Menge auf dem Flughafen zur Verfügung zu stellen“, sagt Odilo Mühling vom Triebwerkhersteller MTU. „Man bräuchte dreimal so viel Wasserstoff wie Kerosin für die gleiche Strecke. Die nötige Menge wäre gigantisch, das ist gar nicht darstellbar.“ Um alle Flugzeuge, die auf dem Frankfurter Flughafen tanken, mit Wasserstoff aus der Elektrolyse von Wasser zu versorgen, wäre die Energie von 25 Großkraftwerken nötig. Gleichzeitig würde sich so der Wasserverbrauch von Frankfurt verdoppeln.

Brennstoffzelle vielversprechend im stationären Bereich

Trotz aller Probleme beim Wasserstoff: Der Brennstoffzelle sagen viele Experten eine große Zukunft voraus. Sie lässt sich nämlich auch mit Erdgas betreiben. Die Niedertemperatur-Brennstoffzellen (Proton Exchange Membrane oder kurz PEM), wie sie in Autos erprobt werden, benötigen dafür einen vorgeschalteten so genannten Reformer. Der Reformer spaltet den im Erdgas enthaltenen Wasserstoff ab und führt ihn dann der Brennstoffzelle zu. Hochtemperatur-Brennstoffzellen (Solid Oxide Fuel Cell – SOFC) können Erdgas sogar direkt verwerten. Solche Brennstoffzellen werden im stationären Bereich schon als Blockheizkraftwerke eingesetzt, die nicht nur Strom erzeugen, sondern auch die dabei entstehende Wärme nutzen.

Hervorragender Wirkungsgrad

Zwar sind die Brennstoffzellen-Heizgeräte noch einige Zeit von der Serienreife entfernt, doch ihr hervorragender Wirkungsgrad von etwa 85 Prozent stimmt die Entwickler optimistisch. Der Heizgerätehersteller Vaillant testet seit mehreren Jahren 60 PEM-Brennstoffzellenmodule in Mehrfamilienhäusern und hat Anfang dieses Jahres auch mit der Entwicklung von SOFC-Modulen begonnen. Auch in größeren Gebäuden wie Industrieanlagen, Krankenhäusern oder ganzen Stadtteilen sind Brennstoffzellen zur Strom- und Wärmeerzeugung im Kommen. Die Firma MTU CFC Solutions will in Kürze eine Brennstoffzelle in der neu entstehenden Hamburger Hafen-City in Betrieb nehmen, die 245 Kilowatt Strom und 170 Kilowatt Wärme erzeugen soll.

Woher soll der Wasserstoff kommen

Der Brennstoffzelle traut man auch im Bundeswirtschaftsministerium noch einiges zu. Den Glauben an eine Wasserstoffwirtschaft dagegen hat man hier schon aufgegeben und die Förderung für reine Wasserstoffprojekte fast komplett gestrichen. „Woher der Wasserstoff kommen soll, darüber redet keiner“, beschwert sich Abteilungsleiter Geipel. „Um die Frage drücken sich alle, die heute groß propagieren, wir müssen in den Wasserstoff einsteigen. Es gebe viele Methoden, die wirtschaftlichste werde sich durchsetzen, heißt es dann. Dass aber keine wirtschaftlich ist, erst recht nicht die Herstellung aus erneuerbaren Energien, das sagt keiner.“

Auf Wiedersehen Wasserstoff

Gestützt wird Geipels erregte Analyse von einer Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes [2], die von den Forschungseinrichtungen Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Institut für Energie- und Umweltforschung und Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie erstellt wurde. Selbst unter optimistischen Annahmen wie einem Preis von fünf Cent je Kilowattstunde Solarstrom kommt Wasserstoff aus erneuerbaren Energien in der Untersuchung nicht gut weg, berichtet Abteilungsleiter Friedrich: „Das Ergebnis der Studie ist, dass Effizienzsteigerung in den nächsten 30 Jahren die sinnvollste Methode ist, Geld auszugeben.“

Diesel-Polo statt Wasserstoff-BMW

Also doch ein Vier-Liter-Diesel-Polo statt eines dicken 7ers mit Wasserstoffantrieb, wie ihn BMW für 2008 angekündigt hat? Hinter diesem Gegensatzpaar verbirgt sich womöglich der Grund, warum Autoindustrie und Politik noch immer die Wasserstoffkarte spielen: „Wasserstoff und alternative Kraftstoffe werden gern benutzt, um schon heute eine gewisse Absolution mit der Aussicht auf ein reuefreies Autofahren in der Zukunft zu erteilen“, sagt Stephan Ramesohl, der für das Wuppertal Institut an der Studie mitgewirkt hat. Schlichtes Sparen dagegen sei politisch am schwierigsten zu vermitteln und mache auch der Industrie wenig Freude, weil es auf eine Abkehr von der bisherigen Verkaufsstrategie hinauslaufe.

Stärkster Widersacher ist die Batterie

Hohe Verluste bei der Erzeugung, schwierige Speicherbarkeit, teure Brennstoffzellen – viel spricht dafür, dass Wasserstoff noch lange, vielleicht für immer, eine Technologie bleiben wird, deren endgültiger Durchbruch jeweils für das nächste oder übernächste Jahrzehnt versprochen wird. Wenn ihr nicht vorher noch eine alte Bekannte den Todesstoß versetzt: die wiederaufladbare Batterie, auch Akku genannt. Vor mehr als hundert Jahren gab es auf der Welt schon einmal mehr batteriebetriebene Autos als solche mit Verbrennungsmotor. Damals setzten sich schließlich die Otto- und Dieselmotoren durch, und die Batterien wurden in der Folge für tot erklärt. Doch jetzt holen die Batterien wieder auf, wie beispielhaft der Toyota Prius zeigt, der mit seinem Hybridkonzept aus Benzin- und Elektromotor überraschende Erfolge feiert.

Rasen mit Elektromotoren

Gerade Lithium-Ionen-Akkus haben in letzter Zeit erstaunliche Fortschritte gemacht. Um zu zeigen, was damit heute schon möglich ist, hat Professor Hiroshi Shimizu von der Keio-Universität in Japan einen batterieelektrischen Sportwagen entwickelt. Das Gefährt namens „Eliica“ (Electric Lithium-Ion Battery Car) hat acht Räder, jedes mit einem integrierten 60-Kilowatt-Motor, fährt 370 Kilometer pro Stunde und beschleunigt schneller als ein Porsche 911. Mitsubishi will mit der Technik schon 2010 in die Praxis gehen und das Serienauto „Lancer“ ebenfalls mit elektrischen Radnabenmotoren und einem Lithium-Ionen-Akku anbieten. Die Reichweite soll bei 250 Kilometer liegen.

Akku-Leistung muss sich vervierfachen

Und Professor Donald Sadoway, Materialforscher am MIT, zeigt sich davon überzeugt, dass heutige Batterien mit Kapazitäten von 125 Wattstunden pro Kilogramm (Wh/kg) noch längst nicht am Ende sind: „In meinem Labor haben wir Batterien mit 300 Wh/kg, und ich sehe schon die Möglichkeit, die 400 Wh/kg zu durchbrechen. Wenn wir erst bei 600 bis 700 Wh/kg sind, heißt das: Auf Wiedersehen, Wasserstoffwirtschaft!“ (Karsten Schäfer)


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[1] http://www.bmwi.de/
[2] http://www.umweltbundesamt.de/