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Deutsche Hersteller propagieren den Dieselmotor für die USA – jetzt könnte es endlich klappen

Clean-Diesel-Inititative in den USA

Gernot Goppelt

Seit langen propagieren deutsche Hersteller den Dieselmotor für die USA. Jetzt scheint die Zeit reif zu sein. Schützenhilfe kommt ausgerechnet von Mazda und Chevrolet, die Mittelklasse-Limousinen mit Dieselmotor bringen

München, 22. Januar 2013 – Seit langem versuchen deutsche Hersteller, ihre Pkw-Dieselmotoren den Amerikanern schmackhaft zu machen, bislang mit mäßigem Erfolg. Zwar steigt der Absatz von Diesel-Pkw in den USA kontinuierlich an. Allerdings beträgt ihr Anteil bei den Light Vehicles (Pkw und kleine "Trucks") nach wie vor nur 2,6 Prozent. Nun haben die Deutschen eine Clean-Diesel-Initiative mit eigens eingerichteter Internet-Seite gestartet, ein neuerlicher Versuch, US-Kunden von den vielen Vorzügen zu überzeugen. Ob es klappt, wird allerdings nicht ausschließlich von Sachargumenten abhängen.

Ausgestunken

Der VDA gibt sich optimistisch, dass der Diesel weiter an Boden gewinnt und hat dafür einige Argumente. Zunächst stellt er lapidar fest, dass der Marktanteil deutscher Hersteller bei Diesel-Pkw 100 Prozent beträgt – kein Wunder, denn sonst bietet sie bisher kein Hersteller an (was sich gerade ändert). Seit 2009 hätten deutsche Hersteller den Absatz mehr als verdoppelt. Allein in den ersten zehn Monaten 2012 haben sie demnach 77.300 Diesel-Pkw abgesetzt. Von den Light Trucks – sie werden ebenfalls unter "Light Vehicles" subsumiert – konnten sie 38.900 Stück verkaufen und haben den Absatz seit 2009 damit etwa vervierfacht. Light Trucks umfassen SUVs, Pickups, Vans und so genannten CUVs (Cross Utility Vehicles). Jedes sechste Fahrzeug dieser Art stammt mittlerweile von einem deutschen Hersteller.

Selbst in Amerika erkennen mittlerweile viele, dass Dieselmotoren nicht zwangsläufig dreckig und rapplig sind. Auf der Clean-Diesel-Seite werden die Fortschritte bei der Akustik von Diesel-Pkw mit einem Klangbeispiel [1] illustriert, die stark verbesserte Abgasqualität lässt sich auf diesem Wege leider nicht so anschaulich vorführen. Gerade bei schwereren Fahrzeugen bleibt zudem auch Skeptikern nicht die schiere Durchzugskraft verborgen, die moderne Turbodiesel zu bieten haben. Und weil die deutschen Hersteller in Amerika derzeit gut Lachen haben, versuchen sie, die Gunst der Stunde zu nutzen.

Entziehungskur

Dabei sind auch in den USA Diesel-Pkw deutlich teurer als Benziner. Der in Chattanooga gefertigte VW Passat beispielsweise kostet netto mit 2,5-Liter-Benziner in der S-Ausstattung 20.845 Dollar und in der besseren SE-Variante 23.945 Dollar. Den TDI gibt es überhaupt erst als SE und er kostet 26.225 Dollar. Der Preisunterschied von knapp über 2000 Dollar erscheint sogar gering, wenn man die Preise in Deutschland vergleicht. Es handelt sich wohl um eine Mischkalkulation, zumal die Abgasreinigung des US-TDI recht aufwendig ist.

Woher also der neue Optimismus? Ist die Zeit wirklich reif für den Diesel-Durchbruch in den USA? Einiges spricht zumindest dafür. Zunächst einmal würden die Dieselmotoren sämtliche US-Abgasnormen erfüllen, argumentiert der VDA. Das gilt für alle Staaten einschließlich Kalifornien allerdings nur, wenn mithilfe eines SCR-Katalysators und der Harnstofflösung AdBlue die Stickoxide hinreichend reduziert werden. Es erfordert also zusätzliche Abgasreinigungstechnik, welche Dieselfahrzeuge weiter verteuert.

Ein zweites Argument für den Diesel lieferte bei der Eröffnung des VW-Werks Chattanooga US-Verkehrsminster Ray LaHood. Demnach würden die USA jeden Tag 1,4 Millionen Barrel Rohöl sparen, wenn nur ein Drittel der Autos von einem CleanDiesel angetrieben würden. Nun muss man nicht unbedingt jeden feierlichen Spruch allzu ernst nehmen, der beim Durchschneiden eines Bandes fällt, aber die Verbrauchsvorteile sind natürlich ganz real. Der VDA nennt im Vergleich zu vergleichbaren Benzinern 25 Prozent. Im Vergleich zu veralteten Saugmotoren mit großen Hubräumen dürfte der Unterschied noch deutlich größer sein.

Diesel versus Hybid

Der VDA zitierte schon Anfang 2012 eine Studie [2] unter eigener Mitwirkung (US-Automarkt auf dem Weg zurück zu alter Größe, Dezember 2011), nach der die durchschnittliche Fahrleistung pro Jahr in den USA 16.000 und in Deutschland bei Benzinern 12.000 Kilometer betrage. Die Beschränkung auf Benziner soll wohl der Vergleichbarkeit dienen, ändert aber nichts daran, dass die Unterschiede gar nicht so groß sind, wie manch einer angesichts der großen Entfernungen in Nordamerika denkt. Die Studie kommt dennoch zu dem Ergebnis, dass Diesel- und Hybridfahrzeuge in den nächsten Jahren "klar" dazu beitragen werden, die Energieeffizienz im Straßenverkehr zu erhöhen.

Womit auch das Word "Hybrid" gefallen ist, worüber sich viele Deutsche anders als noch vor rund zehn Jahren nicht mehr lustig machen. Zwar stimmt es nach wie vor, dass bei Konstantfahrt ein Hybrid im Vergleich zu einem Diesel beim Verbrauch den Kürzeren zieht. Es lässt sich aber nicht mehr ernsthaft abstreiten, dass etwa Toyota mit seiner ausgefuchsten leistungsverzeigten Hybridtechnik Alltagsverbräuche hinbekommt, die höchst respektabel sind. Gerade bei gemischten Fahrprofilen und im Stadtverkehr schlägt etwa der Prius so manchen Diesel. Angesichts der Tatsache, dass bei gleichem Verbrauch ein Benziner rund 13 Prozent weniger CO2 ausstößt, ist er dann ökologisch im Vorteil. Und so fahren eben auch die deutschen Hersteller in den USA zweigleisig, man weiß ja nicht, wie der technologische Wettstreit endet.

Spaß statt Sparen

Ein Knackpunkt für den Erfolg des Diesels könnte der hohe Preis werden. Wenn es um die Anschaffungskosten für ein Auto geht, sind Amerikaner oft noch pragmatischer als Deutsche. Amerikaner kaufen Autos gerne direkt vom Hof, Spontankäufe sind gängiger als bei uns. Und auch sie rechnen sich aus, ob man mit einem Diesel günstiger fährt. Häufig wird das nicht der Fall sein. Die Argumentation mit den längeren Strecken im Flächenland USA hilft nicht unbedingt weiter: Erstens ist der Dieselkraftstoff in den USA teurer [3] als Benzin. Und zweitens wird der Weg zwischen Wirtschaftsmetropolen oft per Flugzeug überbrückt. In Deutschland ist das Fahren von langen Strecken eigentlich nur deswegen gängig, weil zwischen Wirtschaftszentren nur Mittelstrecken zu bewältigen sind. Flapsig gesagt: Man kann in den USA zwar weit fahren, es ist aber eben oft zu weit.

Der Anschaffungspreis eines Fahrzeugs dagegen realtiviert sich schnell, wenn man das Fahrprofil betrachtet. Beispiel BMW X5: Dieser ist in den USA zwar teurer als ein ähnlich starker Benziner – wenn man die Leistung betrachtet. Beim Vergleich des maximalen Drehmoments allerdings dreht sich das Bild. Auch das muss den Leuten natürlich erst einmal begreiflich gemacht werden, zumal gerade in einem Land mit Tempolimit Newtonmeter mehr zählen als Pferdestärken.

Wider die deutsche Dominanz

Man greift aber ohnehin zu kurz, wenn man nur mit den individuellen Kosten argumentiert. Auch in Deutschland fahren viele Menschen ja nicht einen Diesel, weil er so günstig wäre, sondern weil er Spaß macht. Zwar haben aufgeladene Benziner in dieser Hinsicht aufgeholt, aber die Souveränität selbst kleiner Dieselmotoren wie etwa dem 1.6 TDI von Volkswagen ist nach wie vor ein Argument für den Selbstzünder. Opel hat unlängst einen sogar einen 1.6er vorgestellt [4], der ein Drehmoment von 320 Nm herausdrückt, bemerkenswert.

Schützenhilfe für den Diesel kommt in den USA aber mittlerweile auch aus anderen Ecken, es kann den Deutschen nur recht sein: Unter dem Titel "Bring Subaru Diesel to the US! [5]" kämpfen Subaru-Fans dafür, dass der Boxer-Diesel endlich auch in die USA kommt. Die Chance besteht vielleicht auch, weil die Japaner nun auch das für diesen Markt obligatorische Automatikgetriebe dafür fertig haben [6]. Vorläufig ziert such Subaru USA noch, das japanische Werk könne nicht genügend Diesel-Modelle liefern, um auch den großen US-Markt zu beliefern. Dafür hat Mazda eine Dieselversion des 6 für die USA angekündigt. Sie wird mit dem 2,2-Liter-"Skyactiv"-Dieselmotor nach Amerika kommen, der auch bei uns angeboten wird und selbst in den USA keine weitere Abgasnachbehandlung [7] zur NOx-Reduktion benötigt. Das ist insofern sehr bemerkenswert, als alle anderen Hersteller dazu entweder einen NOx-Speicherkat oder die SCR-Technologie mit AdBlue-Zugabe einsetzen müssen, was ihre Diesel-Versionen deutlich verteuert. Selbst amerikanische Marken beginnen, Diesel-Pkw in den Markt zu bringen. Dazu gehört zum Beispiel der Chevrolet Cruze, ein Schwestermodell des Opel Astra, der mit einem 2,0-Liter-Diesel kommen wird. Der Motor wurde unter kräftigster Mithilfe aus Turin und Rüsselsheim entwickelt.

General Motors erhofft sich, die Dominanz der deutschen Marken in diesem Bereich mit dem Cruze zu brechen. Dabei soll auch ein jüngere Kundschaft helfen, die nicht mehr von alten Diesel-Vorurteilen geprägt sei. GM treibt übrigens auch einigen Aufwand, um den Diesel auf die klimatischen Bedingungen in den USA abzustimmen und zu testen. Denn er soll bis minus 40 Grad Celsius und auch 3000 Meter über dem Meeresspiegel funktionieren. GM setzt übrigens wie die meisten Hersteller außer VW und Mazda auf AdBlue, um die Stickoxide zu reduzieren. Der Tank mit dem Harnstoff ist so dimensioniert, dass er jeweils bei den Inspektionen nachgefüllt werden kann.

Eigendynamik

Abgesehen von allem Für und Wider für den Diesel gibt es einen Mechanismus, der mit Sachfragen nichts zu tun hat und den die deutschen Hersteller nutzen werden: Wenn man seine Marktanteile erhöht und dabei schleichend der Anteil verkaufter Dieselfahrzeuge mitwächst, sorgt die schiere Präsenz im Markt für einen Stimmungsumschwung. Gut möglich, dass immer mehr Amerikaner nach einer Mitfahrt mit dem Nachbarn, sagen wir im Passat TDI, feststellen: "Wow, ich wusste gar nicht, dass ein Diesel so laufruhig sein kann". "Was, Du brauchst nicht mehr als fünf Liter?" "Wie der den Berg hochzieht, ohne dabei angestrengt zu wirken …".

Öl wird nicht billiger

Dabei haben wir noch gar nicht darüber gesprochen, was passiert, wenn es wirklich hart auf hart kommt, wenn die Ressourcen tatsächlich knapp werden. Vergangene Woche berichtete der Spiegel [8] von einer "geheimen BND-Studie", nach der neue Ölvorkommen die USA unabhängig vom Nahen Osten machen könnte. Diese Entwicklung kann einerseits dazu verleiten, es mit dem Spritsparen weiterhin nicht allzu ernst zu nehmen. Es könnte aber auch als Signal verstanden werden, bestehende Ressourcen besser einzuteilen, um sich beim Aufbau neuer Energie-Infrastrukturen einen Startvorteil zu verschaffen. Klar ist: Bei einer singulären Betrachtung des Ölverbrauchs wird der Dieselmotor auch zukünftig einen Vorteil haben – bei den CO2-Emissionen allerdings nicht unbedingt.

Die neuen Ölfunde in den USA werden zum Teil durch Fracking gewonnen, einer aufwendigen Methode, die nicht nur umstritten ist, sondern auch teuer. Die im Spiegel genannte Unabhängigkeit wird deswegen wohl kaum dazu führen, dass Kraftstoff in den USA zukünftig billiger wird, im Gegenteil. Auch wenn es zynisch klingt, liegt in diesem Umstand eigentlich die größte Chance des Dieselmotors, vielleicht auch als Dieselhybrid. Je dominanter die Kraftstoffkosten werden, desto mehr treten die Anschaffungskosten für das Fahrzeug in den Hintergrund. Und je knapper die Ressourcen werden, desto mehr Gegenwind erhalten Bestrebungen in Richtung schärferer Emissionsgesetzgebung – und seien sie noch so berechtigt.

2011 wurde in den USA der so genannte CAFE-Standard verabschiedet (Corporate Average Fuel Economy). Danach soll der Flottenverbrauch der Hersteller auf 35.5 miles per gallon (mpg) bis 2016 und auf 54.5 mpg bis 2025 sinken. Letzteres entspricht etwa einem Verbrauch von 4,1 Litern auf 100 km. Es gibt eine Reihe technischer Möglichkeiten, um dies zu erreichen. Da aber bereits bei gemäßigtem Landstraßentempo und darüber erst recht der Luftwiderstand der dominante Energiefresser ist, kommt man nach wie vor nicht daran vorbei, den spezifischen Verbrauch von Verbrennungsmotoren deutlich zu senken. Gerade bei relativ konstanter Fahrweise ist dagegen das Fahrzeuggewicht kaum von Bedeutung.

Kleiner Durchbruch

Das Interesse der deutschen Hersteller ist simpel: Sie sind weltweit führend in der Dieseltechnik. Sie sind stark mit Fahrzeugen gehobener Segmente in den USA vertreten und versuchen mit diesem Bonus auch den Dieselmotor quasi von oben her zu etablieren. Aus Sicht eines Amerikaners kann es aber eigentlich nur zwei Gründe geben, sich für einen Diesel zu entscheiden: Entweder erfreut er sich an seinem bulligen Drehmoment oder der Sprit wird so teuer, dass der Aufpreis für einen Dieselmotor nicht mehr erschrecken kann. Doch es deutet einiges darauf hin, dass eine begonnene Eigendynamik dabei ist, sich selbst zu befeuern, oder wie Wired Ende Dezember einen Automanager zitierte [9]: "Dieselfahrzeuge werden in den kommenden Jahren allein deswegen mehr werden, weil mehr Dieselfahrzeuge angeboten werden."

Stimmung ist überhaupt ein wichtiger Aspekt, wenn es gute Argumente für und gegen etwas gibt. Wenn nun Japaner und Amerikaner den deutschen Herstellern nicht mehr allein das Feld überlassen wollen, kommt es Letzteren nur entgegen. Jetzt müssen nur noch die Koreaner einsteigen und es gibt einen echten Trend. Bisher sind die deutschen Hersteller von VW abgesehen praktisch nur in höheren Diesel-Kategorien unterwegs. Aber natürlich werden sie auch ihre kleineren Fahrzeuge mit Dieselmotoren verkaufen wollen. So langsam scheint die Zeit dafür gekommen zu sein.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-1789365

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.clearlybetterdiesel.org/#performance-right
[2] http://www.wuppertal.ihk24.de/innovation_und_umwelt/Automotive_Rheinland/1681204/US_Automarkt_auf_dem_Weg_zurueck_zu_alter_Groesse.html%3Bjsessionid%3D4DB23F9B8E756E01AD09586BCEB89CAE.repl1%29
[3] http://www.eia.gov/petroleum/gasdiesel/
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Der-neue-1-6-CDTI-von-Opel-1785514.html
[5] http://www.facebook.com/pages/Bring-Subaru-Diesel-to-the-US/369835731018
[6] https://www.heise.de/autos/artikel/Boxerdiesel-an-der-Kette-Subarus-Boxer-Diesel-kommt-mit-Lineartronic-1779321.html
[7] http://blog.caranddriver.com/2014-mazda-6-to-get-skyactiv-diesel-2012-l-a-auto-show/
[8] http://www.spiegel.de/politik/ausland/bnd-studie-zu-oelvorkommen-der-usa-a-878157.html
[9] http://www.wired.com/autopia/2012/12/the-diesels-are-finally-coming/