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Fehlende Luftaufklärung

Debatte um Zukunft des Verbrennungsmotors

News Martin Franz
Alexander Dobrindt

(Bild: Audi)

Der Wahlkampf erhitzt die Diskussion um die Zukunft des Verbrennungsmotors, die eigentlich mit kühlem Kopf und klugen Argumenten geführt werden müsste. Davon ist man ein gutes Stück entfernt, wie ein Zusammenfassung der aktuellen Redebeiträge zeigt

Die Füllung des diesjährigen Sommerlochs geht in die Verlängerung, wobei vorerst nicht damit zu rechnen ist, dass langsam sinkenden Temperaturen die heißgelaufene Debatte rund um die Zukunft des Verbrennungsmotors etwas versachlichen könnte. Bis zum 24. September - und möglicherweise auch noch etwas danach - wird es einen Wettlauf geben, wer den Balanceakt am besten hinbekommt, den Individualverkehr in Richtung Zukunft auszurichten und gleichzeitig dem Verbraucher zu suggerieren, dass alles vorerst bleibt wie es ist. Am Wochenende gab es dazu gleich mehrere Aussagen, die fast alle eines gemeinsam haben: Zu einer Diskussion mit klugen Argumenten und kühlem Kopf tragen sie meist nicht bei. Während die CSU einen Ausstieg als nicht verhandelbar bezeichnete, bekräftigten die Grünen, nur eine Koalition einzugehen, die das Ende dieser Technik einleite. Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht das Ende der Dieseltechnik noch in weiter Ferne.

Koalitionsaussagen

„Ein Verbot des Verbrennungsmotors legt die Axt an die Wurzel unseres Wohlstands“, sagte CSU-Chef Horst Seehofer den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Das ist in Koalitionsgesprächen für die CSU genauso wenig verhandelbar wie Steuererhöhungen, eine Erleichterung der Zuwanderung und eine Lockerung der Sicherheitspolitik.“ Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir erwiderte in den Montagsausgaben der Funke-Mediengruppe: „Grüne gehen in keine Koalition, die nicht das Ende der Ära des fossilen Verbrennungsmotors einleitet und den Einstieg in den abgasfreien Verkehr schafft.“ Dem Spiegel zufolge sieht ein noch nicht beschlossenes Verkehrsprogramm der Grünen vor, Dieselfahrzeuge steuerlich stärker zu belasten. Dafür soll der Kauf „emissionsfreier“ Autos wie Elektrofahrzeuge mit 6000 Euro gefördert werden. Der Bundesvorstand solle das Programm am Montag (28. August 2017) beschließen.

Brückentechnologie

Doch wie lange dauert ein Ausstieg aus der Dieseltechnik? „Den Diesel wird es noch viele, viele Jahre geben, genauso wie den Verbrennungsmotor“, sagte Merkel (CDU) am Sonntag (27. August 2017) im Sommerinterview der ZDF-Sendung Berlin direkt. „Es hat keinen Sinn, jetzt die Menschen zu verunsichern.“ Die Brückentechnologie Verbrennungsmotor „werden wir nicht Jahre brauchen, sondern ich würde sagen: Jahrzehnte“. Mit Seehofer gebe es da „sehr viel Übereinstimmung“, sagte Merkel. In Richtung Grüne fügte sie hinzu: „Ich nehme alles Ernst, was die Mitbewerber sagen.“ Jetzt werde aber nicht um Koalitionen gekämpft. Zudem halte sie nichts davon, jeden Tag zu sagen, was man in Koalitionsvereinbarungen einbringen werde.

Merkel zufolge werden „umweltfreundliche Dieselmotoren benötigt, um die Klimaschutzziele einzuhalten“. Eine Jahreszahl für das Aus dieser Motorenart wollte sie nicht nennen. Zugleich müsse der Umstieg auf die Elektro- oder Wasserstoffmobilität geschafft werden. „Wir wollen am Ende dieses Jahrhunderts (...) ein Jahrhundert ohne größere CO2-Emissionen haben“, betonte sie. „Aber wir sind im Jahre 2017.“

"Verbrenner wird noch gebraucht"

Auch der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sagte, der Verbrennungsmotor werde noch lange gebraucht. Anstatt die Technologie in Bausch und Bogen zu verdammen, wäre es besser, jetzt in die Optimierung der Diesel-Technologie zu investieren. In dieser Frage seien die Union und die Grünen sehr weit voneinander entfernt. „Schlimmer kann es für Schwarz-Grün nicht kommen“, fügte er im ARD-Sommerinterview hinzu.

Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) wandte sich am Samstag gegen ein Aus für Dieselmotoren. „Denn der Diesel ist ja eigentlich ein guter Motor. Er ist ein bisschen in Generalverschiss geraten, aber das ist nicht richtig“, sagte sie. Mit Blick auf mögliche Koalitionsverhandlungen mit den Grünen sagte sie: „Das Wesen der Koalitionsverhandlungen ist, dass man Positionen räumt, die man im Wahlkampf gehabt hat. Insofern glaube ich, dass wir noch alle Chancen haben, da auch mit den Grünen überein zu kommen.“

Dabei geht neben der Debatte um die langfristige Zukunft von Verbrennungsmotoren auch der Streit um Nachbesserungen an Dieselfahrzeugen und die Möglichkeiten zur Schadstoffreduzierung in Städten weiter. Sollte sich dies nicht gelingen, drohen in zahlreichen Städten Fahrverbote für Dieselfahrzeuge. Schulz sagte der Passauer Neuen Presse, er sei für Nachrüstungen, wenn sie denn tatsächlich helfen würden. „Zuvor müssen wir aber wissen, wie dies umgesetzt werden kann und wer es bezahlt“, sagte Schulz.

Industrie: Wirkung ansehen

Die Autoindustrie wehrt sich gegen die Forderungen nach technischen Nachrüstungen. Gut drei Wochen nach dem Dieselgipfel sei es sinnvoll, erst einmal die Wirkung der beschlossenen Maßnahmen wie Software-Updates anzusehen, statt kurz nach dem Treffen weitere Schritte zu fordern, sagte der Präsident des Branchenverbands VDA, Matthias Wissmann, in der Passauer Neuen Presse am Wochenende.

Unter anderem Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), aber auch Grüne, hatten die Autoindustrie zu technischen Nachrüstungen der Fahrzeuge aufgefordert. Die auf dem Dieselgipfel Anfang August vereinbarten Software-Updates reichten nicht aus, um Fahrverbote für Dieselautos in den betroffenen Städten zu vermeiden. Grundlage dafür sind Berechnungen des Umweltbundesamtes, wonach die Nachbesserung und die Umtauschprämien für ältere Diesel nicht ausreichen, um in Städten die Belastung mit gesundheitsschädlichem Stickoxid spürbar zu senken.

Grüne planen E-Subventionierung

Einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zufolge geht das Amt in einem internen Papier aus dem Oktober 2016 allerdings davon aus, dass technische Umrüstungen der Autos, sofern sie überhaupt möglich sind, nicht viel im Kampf um die Luftqualität in den Städten helfen würden. Das Umweltministerium widersprach dieser Darstellung. Die Ergebnisse dieses Papiers seien überholt, sagte ein Sprecher des Ministeriums am Sonntag (27. August 2017). Das Papier beziehe sich gar nicht auf mögliche Maßnahmen durch die Autohersteller selbst.

Die aktuellen Berechnungen zeigten, dass eine technische Nachrüstung über Software-Updates hinaus sehr wohl helfen könne. Was genau gemacht werde, berate derzeit die eigens vom Dieselgipfel dafür eingesetzte Expertengruppe. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) kritisierte Hendricks Forderung nach technischen Nachrüstungen. Zunächst müsse man abwarten, was die beschlossenen Maßnahmen bringen würden. Hendricks sagte den Blättern der Funke-Mediengruppe „Dass die beim ersten Dieselgipfel vereinbarten Maßnahmen noch nicht reichen und wir über weitere Maßnahmen sprechen müssen, kann auch Herrn Seehofer nicht überraschen.“

VDA-Chef Wissmann bekräftigte, dass für die meisten Dieselfahrzeuge technische Änderungen gar nicht möglich wären. „Diese würden auch dort, wo sie machbar sind, Jahre dauern und müssten von den Behörden in aufwendigen Tests abgenommen werden“, sagte Wissmann.

Keine Planungssicherheit

Die Politik hat es bis heute versäumt, für eine langfristige Planungssicherheit bei diesem Thema zu sorgen. Davon profitiert letztlich keiner: Verbraucher, Umwelt, Industrie und auch die Politik selbst nehmen in der momentanen Debatte Schaden. Käufer können sich nicht sicher sein, ob ein aktueller Neuwagen in ein paar Jahren noch in alle Innenstädte fahren darf. Ob der Umwelt geholfen ist, wenn wir großflächig funktionieren Autos auf den Müll werfen und sie durch Diesel ersetzen, von denen jetzt schon bekannt ist, dass sie die Grenzwerte auf der Straße deutlich überschreiten, darf ernstlich bezweifelt werden. Die Industrie schließlich subventioniert derzeit mit Abwrackprämien den eigenen Absatz - teilweise in einer Höhe, die sich wohl kaum viel länger als bis Jahresende durchhalten lässt. Zudem macht die Unsicherheit, wie es mit dem Diesel weitergeht, eine Kalkulation von Restwerten schwierig.

Am meisten aber schadet die aktuelle Diskussion dem Ansehen der Politik. Falls sich jemand in den Führungsetagen der Parteien demnächst fragen sollte, woher Wahlmüdigkeit oder Politikverdrossenheit kommen könnten: Et voilà - es sind Debatten wie diese. Über das Ende des Verbrennungsmotors zu philosophieren, ohne eine als von vielen Menschen akzeptierte, gleichwertige Alternative zu präsentieren, wirkt wie der Versuch, eine Wand in einem Haus zu streichen, das noch nicht steht.

(mit Material der dpa)


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