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Wie gut kann der Hyundai i10 im Segment der Kleinstwagen mithalten?

Der kleine König Butterbrot

Fahrberichte Christoph M. Schwarzer

Der abgedroschene Begriff vom erwachsenen Kleinwagen trifft auf den Hyundai i10 voll zu. Er hebt sich von seinem Vorgänger deutlich ab und kann in den meisten Kriterien mit dem teuren Klassenprimus Volkswagen Up mithalten. Wir haben ihn mit Dreizylinder probiert

Hamburg, 28. Februar 2014 – Was Volkswagen an Hyundai Angst macht, ist die Marge: 1255 Euro verdienen die Koreaner pro Auto. Bei den Wolfsburgern sind es nur 605 Euro, analysiert das Center Automotive Research. Und das schafft Hyundai bei einem Durchschnittspreis von 13.049 Euro. Bei Volkswagen sind es dagegen 21.215 Euro, was im Vergleich der prozentualen Gewinne 9,6 zu 2,9 Prozent ergibt. Was spürt der Kunde von diesem Unterschied?

In der Verarbeitungsqualität schon mal nichts: Der von uns gefahrene neue Hyundai i10 mit dem Dreizylindermotor und 49 kW (67 PS) ist so hochwertig wie der konkurrierende Volkswagen Up. Die Türen fallen mit gekonntem Plopp ins Schloss, das Armaturenbrett ist sauber zusammengefügt, und auf schlechten Straßen knarzt die Karosserie nicht. Erbsenzähler bemerken lediglich, dass die Sitzstoffe wellig sind, obwohl der Testwagen erst rund 8000 Kilometer gelaufen ist – Schwamm drüber.

Der Hyundai i10 gehört zur Klasse der Kleinwagen, deren Wettbewerb gerade durch mehrere Neuheiten belebt wird: Die zweite Auflage des Drillings Peugeot 108, Citroën C1 und Toyota Aygo wird im Rahmen des Genfer Autosalons präsentiert, und nach der Sommerpause beginnt der Verkauf des formal faszinierenden Renault Twingo mit Heckmotor und Heckantrieb. Der Grundpreis des i10 als blue (=Stopp-Start-Automatik) Trend liegt bei 11.820 Euro, dazu addierte sich beim Testwagen das Plus-Paket (820 Euro) mit Freisprecheinrichtung, Parksensoren und LED-Tagfahrlicht. Bei den einschlägigen Onlineportalen gibt es andere i10-Exemplare inklusive Klimaanlage für vierstellige Preise.

Niedriges Geräuschniveau verstärkt den Qualitätseindruck

Das Autofahren an der Basis ist erfrischend. Hier piepst kein Spurhaltewarner, alle Schalter und Hebel sind selbsterklärend. Einsteigen, losfahren, fertig. Der i10 ist ein solides Brot- und Butterauto, und wegen seiner Mischung aus Qualität und Größe ist er der König dieser Klasse. Mit 3,67 Meter Länge übertrifft er den Peugeot 108 (3,46 Meter) und den VW Up (3,54 Meter) deutlich, er hat fast das Format eines Polo 6N. Zum guten Eindruck trägt das niedrige Geräuschniveau bei, das Autobahnfahren problemlos und angenehm macht. Der Wind bleibt außen vor, und unter der vorderen Haube bleibt es weitgehend still.

Der Motor hat lediglich unter Volllast knapp unter 4000/min eine deutliche Dröhnfrequenz aus dem Ansaugtrakt. Ansonsten verhält er sich so, wie es die in dieser Klasse verbreiteten Dreizylinder tun: Mit eigenem Klangbild, laufruhig, und wegen der größeren Schwungmasse etwas träger am Gas. Die absoluten Fahrleistungen reichen im Alltag trotzdem voll aus. Die Werksangabe für den Standardspurt liegt bei 14,9 Sekunden. Es kommt zwar vor, dass die Maschine hochgedreht werden muss, aber meistens schwimmt man einfach locker mit. Gleiten lassen.

Das gilt auch für die Autobahn, wo das Navigationssystem über die tatsächliche Höchstgeschwindigkeit Auskunft gab. Die Werksangabe von 155 km/h wurde in der Ebene mit 164 km/h locker übertroffen, bergab waren sogar echte 175 km/h drin, wobei der Tachometer fast 190 km/h vorgaukelte. Der größere Vierzylindermotor mit 1,2 Litern Hubraum und 64 kW (87 PS) ist also verzichtbar.

Der Verbrauch ist klassenüblich zu hoch

Die Domäne des Hyundai sollte eigentlich die Stadt sein. Von den Außenmaßen ist sie das. Die Parkplatzsuche funktioniert wunderbar, das Raumangebot ist für viele Alltagszwecke reichlich bemessen, und der Wendekreis klein. Nur beim Verbrauch dürfen keine Wunder erwartet werden. Mit 6,5 Litern im Stadtverkehr zeigt der i10, wo die Grenzen des Verbrennungsmotors liegen. Im Überlandverkehr sank der Konsum auf 4,7 Liter, bei Richtgeschwindigkeit waren es 5,8 Liter, und bei Dauervollgas stieg der Verbrauch auf den Maximalwert 7,3 Litern. Das ist klassenüblich, zeigt aber, dass die Technik eines Toyota Yaris Hybrid gerne noch in kleinere Autos eingebaut werden darf.

Abstriche müssen auch bei der Lenkung hingenommen werden. Die Rückmeldung ist im Vergleich zum Konzernbruder Kia Picanto verbessert, aber immer noch zu gering und zu unpräzise. Ansonsten überzeugt das Fahrwerk durch einen angenehmen Komfort, ohne dabei schwammig zu werden. So soll es sein, frei von übertriebener Härte oder unsinnigem Sportsgeist, und trotzdem in der Lage zum flinken Abbiegen.

Einen Abzug in der B-Note bekommt der i10 bei der Auslegung der Klimaautomatik: Die Scheiben beschlagen in der Automatikfunktion, sodass manuell korrigiert werden muss. Das ist umso erstaunlicher, da bei über vier Grad die Klimaanlage als Luftentfeuchter arbeiten sollte. Hier schafft nur der entschlossene Dreh am Gebläseregler Abhilfe.

Kein Notbremssystem erhältlich

Endlich hat der kleinste Hyundai ESP, denn das schreibt der Gesetzgeber inzwischen vor. Leider haben die Koreaner versäumt, wenigstens als Option ein automatisches Notbremssystem anzubieten, wie es Fiat im Panda und VW im Up tun. Dieses Assistenzsystem wird innerhalb weniger Jahre überall Standard werden, und es wird viele Unfälle verhindern oder abmildern. Der Crashverein EuroNCAP verschärft jährlich seine Regeln, und da wird es bald einen Malus geben, wenn ein System dieser Art nicht verfügbar ist. Nachbessern, bitte!

Die Käufer wird das mutmaßlich nicht oder nur eingeschränkt interessieren. Die Werte, die den Hyundai i10 überzeugend machen, sind seine Solidität und das Versprechen der Zuverlässigkeit: Fünf Jahre Garantie hätten viele VW-Kunden auch gerne.

Der Vergleich mit dem großen Rivalen zeigt, dass es vor allem das Preis-Leistungsverhältnis ist, bei dem der Volkswagen Up verliert. Ja, der in der Slowakei (i10: Türkei) produzierte VW ist ein exzellentes Auto, aber das Kleinwagensegment ist eben besonders preissensibel. Da kann ein Unterschied von ein paar Hundert Euro bereits den Ausschlag geben. Und viele Kunden fragen sich, warum der Up keine höhenverstellbaren Gurte hat und warum es links beim Fahrer keinen Schalter für den Fensterheber rechts gibt – weggespart. Wie eng das Rennen zwischen Volkswagen und Hyundai ist, lässt sich am Kofferraumvolumen ablesen. Der Hyundai bietet einen Liter mehr.


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