zurück zum Artikel

Weit reichend

Der neue Opel Ampera-e

News Christoph M. Schwarzer
Opel Ampera-e

Mit dem Ampera-e stellt die Marke mit dem Blitz ein kompaktes Elektroauto vor, das mit 60 Kilowattstunden Batteriekapazität so viel bietet wie die Basisversion des Model S und ungefähr doppelt so viel wie alle Wettbewerber im gleichen Segment

Rüsselsheim / Detroit (USA), 13. September 2016 – Ziemlich geil, dieses Model S von Tesla. Aber teuer. Wer zu wenig Geduld hat, auf das günstigere Model 3 [1] aus Kalifornien zu warten (die 1000 Euro für die Reservierung kann man jederzeit zurückverlangen), könnte jetzt bei Opel glücklich werden: Mit dem Ampera-e stellt die Marke mit dem Blitz ein kompaktes Elektroauto vor, das mit 60 kWh Batteriekapazität so viel bietet wie die Basisversion des Model S [2] und ungefähr doppelt so viel wie alle Wettbewerber im gleichen Segment.

Bei der Reichweite argumentiert die Pressestelle trotzdem vorsichtig: Man komme, so heißt es in der Vorabmeldung zur eigentlichen Premiere auf dem Pariser Autosalon, auf „über 400 Kilometer“ im NEFZ und „mindestens 25 Prozent weiter als der nächste Konkurrent“ in Gestalt des BMW i3 [3]. Gleichzeitig rudert man zurück und sagt, im Alltag wären „souverän mehr als 300 Kilometer am Stück“ herunterzuspulen. Was denn nun?

Der Opel Ampera-e teilt sich die Plattform mit dem Chevrolet Bolt [4]. Die Unterschiede liegen augenscheinlich tatsächlich nur im Markenlogo. Der Ampera-e ist mit 4,17 Meter nicht ganz so lang wie ein Golf; die Breite beträgt 1,77 Meter und die Höhe 1,59 Meter. Wir berufen uns dabei nicht auf die Pressemeldung von Opel, sondern auf die Details zum Chevy Bolt, die bereits im Januar 2016 veröffentlicht wurden.

Gedränge im Segment der kompakten E-Autos

In der batterie-elektrischen Kompaktklasse ist jetzt richtig was los. BMW i3, Hyundai Ioniq electric [5], Kia Soul EV [6], Mercedes B 250 ed [7], Nissan Leaf [8], Opel Ampera-e und Volkswagen e-Golf kämpfen um die Gunst der Kunden. Und das Segment wird wachsen, was so sicher ist wie die Prognose, dass die Preise in den kommenden Jahren noch weiter sinken werden.

Die Trumpfkarte des Opels ist klar die Batteriekapazität. Der überarbeitete e-Golf [9] bietet zum Jahresende 35,8 kWh. Firmenboss Karl-Thomas Neumann bringt es auf den Punkt: Der Ampera-e „ist kein Öko-Luxus, kein Spielzeug, kein reiner Zweitwagen“. Ein vollwertiges Auto also.

Bei der realistischen Reichweite gehen wir von circa 400 Kilometern im Stadt- und Bundesstraßenverkehr aus; auf der Autobahn dürften über 200 Kilometer auch bei Richtgeschwindigkeit kein Problem sein. Zum Ladestandard sagt Opel derzeit nichts. Auch hier unser Tipp: DC wird mit bis zu 50 kW nach dem CCS-Standard geladen. AC gehen wir eher von 7,4 (1-phasig) als von elf kW (3-phasig) aus.

Der E-Motor im Ampera-e leistet maximal 150 kW (204 PS). Und 150 ist auch die Zahl für die Höchstgeschwindigkeit. Eine Angabe zum Sprint auf 100 km/h macht Opel nicht und redet stattdessen von 3,2 Sekunden auf 50 km/h. Im Datenblatt des Chevy Bolt werden „unter 7 Sekunden“ auf 60 Meilen pro Stunde (=96 km/h) angegeben. Also sicher ausreichend schnell für die meisten Ansprüche.

Verkaufsstart „im Frühling“

Die Rekuperation, also die Energierückgewinnung beim Bremsen, kann in mehreren Stufen vom Gleitbetrieb bis zum Einpedalmodus über Lenkradwippen verstellt werden. Das Kofferraumvolumen ist mit 381 Litern nicht überragend, aber größer als zum Beispiel im BMW i3. Und, ganz wichtig, der Verkaufsstart ist „im Frühling 2017“.

Auffällig ist, wie immer bei Pressemeldungen, was nicht drinsteht. Zuerst natürlich der Preis, den wir auf rund 40.000 Euro exklusive bzw. 36.000 Euro inklusive E-Prämie schätzen. Bei der genauen Reichweitenangabe ist man bei Opel entweder noch nicht durch die Homologation, oder man musste dem Chevy Bolt den PR-Vortritt lassen. Dessen Aktionsradius gemäß US-amerikanischer EPA-Messung liegt bei 238 Meilen (etwa 383 km) und wurde gerade veröffentlicht.

Darüber hinaus hält sich das Gerücht, dass der Ampera-e zu Beginn zwar mit vielen kamerabasierten Assistenzsystemen etwa als Einparkhilfe kommt, aber noch keinen radargestützten adaptiven Tempomat [10] hat. Stattdessen wird spekuliert, dass in einem relativ kurzen Zeitraum eine Version mit mehr Hardware nachgeschoben wird, die gleich auf Level 3 der Fahrautomatisierung springt. Dann darf der Fahrer in bestimmten Situationen die Verantwortung erstmals komplett an die Elektronik übergeben. Wir sind gespannt, welcher Szenetratsch sich als Wirklichkeit herausstellt.

Tesla-Fans werden wohl weiter auf das Model 3 warten. Für sie werden Design und Markenimage des Ampera-e eventuell nicht sexy genug sein. Für alle anderen könnte dieser Opel der Beginn einer neuen Zeit sein – der ohne Verbrennungsmotor.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-3319102

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Vorstellung-Tesla-Model-3-Das-Versprechen-3160072.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Der-Stromschnellste-2063319.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/BMW-i3-mit-50-Prozent-mehr-Reichweite-3194913.html
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Fahrbericht-Chevrolet-Bolt-2016-3070606.html
[5] https://www.heise.de/autos/artikel/Ausfahrt-im-Hyundai-Ioniq-3263382.html
[6] https://www.heise.de/autos/artikel/Ausfahrt-mit-dem-Kia-Soul-EV-Der-Sauberwuerfel-2764002.html
[7] https://www.heise.de/autos/artikel/Unterwegs-in-der-Mercedes-B-Klasse-Electric-Drive-2662692.html
[8] https://www.heise.de/autos/artikel/Weltmeister-reloaded-Unterwegs-im-Nissan-Leaf-30-kWh-3161134.html
[9] https://www.heise.de/autos/artikel/VW-e-Golf-Groessere-Batterie-mit-35-8-kWh-ab-Ende-2016-3213682.html
[10] https://www.heise.de/autos/artikel/Laserscanner-vor-Serienstart-3314720.html