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V-Verdopplung

Ducati V4 Desmosedici Stradale

Motorrad iga
Zweirad

Nachdem Ducatis Motorräder jahrzehntelang von V2-Motoren angetrieben wurden, setzen die Italiener nun in ihrem neuen Superbike auf einen V4, den Desmosedici Stradale. Der V2 gilt als ausgereizt. Ducati hat durch die MotoGP reichlich Erfahrung mit V4-Motoren und damit 2006 den WM-Titel geholt

Nachdem Ducatis Motorräder jahrzehntelang ausschließlich von V2-Motoren angetrieben wurden, setzen die Italiener nun in ihrem neuen Superbike auf einen V4, den Desmosedici Stradale. Natürlich hat man bei Ducati seit Einführung der Viertakter in die MotoGP im Jahr 2002 reichlich Erfahrung mit V4-Motoren gesammelt und 2006 sogar den WM-Titel geholt. Aus dem Vierzylinder-GP-Motor wurde damals eine limitierte Sonderserie von 1500 Stück mit Straßenzulassung abgeleitet, die Desmosedici RR, aber für den exorbitanten Preis von 60.000 Euro. Ansonsten blieb der V2 – Ducati legt Wert auf die Bezeichnung L2, denn der Zylinderwinkel beträgt 90 Grad – das Markenzeichen des italienischen Herstellers, der sämtliche Modelle antrieb. Bis jetzt.

Panigale-V2 ausgereizt

In der Superbike-WM war der V2-Motor seit 1990 (damals gewann Raymond Roche die Superbike-WM für Ducati auf der 851) immer für Siege gut und hat zahlreiche WM-Titel errungen, den letzten allerdings im Jahr 2011. Seitdem war die Konkurrenz mit Vierzylinder-Motoren übermächtig, selbst Top-Fahrer wie Chaz Davies und Marco Melandri konnten in den letzten Saisons nur ab und an noch Laufsiege auf der Ducati 1199 Panigale R [1] verbuchen. Mehr als 1200 cm3 dürfen Zweizylinder in der WM nicht haben und so war Ducati gezwungen, die Drehzahlen der 1199er in die Höhe zu treiben. Der V2 mit 112 mm Bohrung erreicht in der aktuellen Rennmaschine seine Höchstleistung bei 11.750/min. Der Motor ist damit an der Grenze seiner Möglichkeiten angekommen.

V4 für höhere Drehzahlen

Auch in den Serien-Panigale konnte die Leistung nur durch Erhöhung des Hubraums weiter gesteigert werden und endete schließlich dieses Jahr in der 1299 Panigale R Final Edition, die aus 1285 cm3 sagenhafte 209 PS bei 11.000/min und 142 Nm bei 9000/min produziert. Dafür waren aber umfassende technische Maßnahmen und teure Materialen notwendig, wie Pleuel und Ventile aus Titan und eine Kurbelwelle mit Ausgleichsgewichten aus Wolfram. Der Preis beläuft sich entsprechend auf 39.900 Euro.

Um in der Superbike-WM wieder eine Chance auf den Titel zu bekommen, entschied man in Bologna, den V2 zugunsten eines V4 aufzugeben. Ab 2019 soll der neue Vierzylinder in der WM eingesetzt werden, doch zuvor wird er im Superbike mit Straßezulassung Einzug halten. Natürlich werden viele Fans dem geliebten Zweizylinder nachtrauern, doch nun kommt Ducati nicht mehr am Vierzylinder vorbei. Der V4 kann aufgrund des kürzeren Hubs höhere Drehzahlen erreichen und mehr Leistung produzieren.

Überraschend auch mit 1103 cm3 Hubraum

Für die Superbike-WM-Homologation muss Ducati den V4 mit maximal 1000 cm3 Hubraum für weniger als 40.000 Euro anbieten und innerhalb von zwei Jahren mindestens 1000 Stück des neuen Serienmotorrads verkaufen, das als Basis für den Renneinsatz dient. Umso überraschender, dass der nun in Misano von Ducati-Boss Claudio Domenicali enthüllte Motor 1103 cm3 Hubraum hat. Was nichts anderes bedeutet, als dass Ducati seine Tradition fortsetzen und drei Versionen auflegen wird: Eine Basis- und eine S-Variante mit 1103 cm3 Hubraum und eine R-Version mit 1000 cm3 Hubraum für den Renneinsatz. Letztere wird höher drehen können und auf den Rennstreckenbetrieb ausgelegt sein.

Die von Ducati veröffentlichten Leistungsdaten für den straßenzugelassenen V4 übertrumpfen die Konkurrenz: 155 kW (210,7 PS) bei 13.000/min, über 120 Nm Drehmoment von 8500 bis 12.250/min. Die Bohrung beträgt 81,0 mm – exakt das Maß des MotoGP-Motors von Ducati – und der Hub 53,5 mm, die Verdichtung 14:1. Die Ansaugtrichter sind variabel und werden bei steigender Drehzahl länger für eine bessere Leistungsausbeute. Selbstverständlich bleibt Ducati auch beim V4 der desmodromischen Ventilsteuerung treu, die Drehzahlgrenze soll erst bei 14.000/min liegen. Die Kurbelwelle rotiert gegenläufig zu der Drehrichtung der Räder, was dem Motorrad schnellere Richtungswechsel ermöglichen soll.

Big-Bang-Motor

Die Entwickler legten großen Wert darauf, dass der neue Vierzylinder sehr kompakt und schmal geriet, um die alten V2-Fans bei der Stange zu halten. Der V4-Motor mit 90 Grad Zylinderwinkel wurde um 42 Grad nach hinten geneigt. Das gleicht die Massenkräfte erster Ordnung aus, optimiert die Gewichtsverteilung, erlaubt den Einbau größerer Kühler und bringt den Schwingendrehpunkt so weit nach vorne wie möglich. Der Hubzapfenversatz der Kurbelwelle beträgt wie bei der MotoGP-Maschine 70 Grad mit einer „Twin Pulse“-Zündfolge, die eine gut kontrollierbarer Leistungsentfaltung und viel Traktion am Kurvenausgang verspricht, ein sogenannter „Big Bang“-Motor, ähnlich einem Reihenmotor mit Crossplane-Kurbelwelle wie in der Yamaha MT-10 [2] also. Ducati gibt an, dass der Desmosedici Stradale 64,5 kg wiegt und damit nur 2,2 Kilogramm mehr als der 1285-cm3-V2 der Panigale. Das obere Teil des Motorgehäuses und die beiden Zylinderbänke sowie das dazwischen liegende Wasserpumpengehäuse bestehen aus einem Gussteil. Das Getriebe wird über einen Quickshifter zum Hoch- und Runterschalten verfügen.

Design nah an der Panigale

Kurz vor dem GP in Misano hat Ducati dort den neuen V4-Motor vorgestellt, allerdings ohne das dazugehörige Motorrad. Doch im Smartphone-Zeitalter lässt sich kaum etwas geheim halten, und so kursierten bereits vor Wochen einige Erlkönig-Fotos und nun auch ein Schnappschuss aus einer Box an irgendeiner Rennstrecke, auf dem das anscheinend schon fertige Straßenmodell zu sehen ist. Das Design des V4-Motorrads bleibt sehr nah an der 1299 Panigale. Eine aggressive Linienführung der Vollverkleidung, Doppelscheinwerfer, Einarmschwinge und ein sehr knappes Heck waren schon Merkmale der Vorgängerin. Allerdings ist der Rahmen jetzt zwangsläufig breiter, um den V4 einzuschließen und die Vollverkleidung geht teilweise in den Tank über. Ein kurzer, kompakter Auspuff ragt unter dem Motor hervor, der Auspuffsammler geriet entsprechend groß, verschwindet aber geschickt hinter der Verkleidung. Das Federbein liegt jetzt zentral und nicht mehr auf der linken Seite.

Superbike kommt 2018

Das neue Sportmotorrad soll am fünften November auf der EICMA in Mailand vorgestellt werden und 2018 in den Verkauf gehen. Die fulminante R-Version folgt möglicherweise erst ein Jahr später. Sie wird mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Zweiarmschwinge besitzen, weil die Rennteams das wünschen. Eine Einarmschwinge mag eindrucksvoll aussehen, wiegt aber mehr und verfügt auch nicht über die Flexibilität, die die Renn-Ingenieure gerne hätten. Die Rennversion dürfte nach Expertenmeinung für weit über 220 PS gut sein, was eine große Herausforderung an den Rahmen und die Schwinge stellt.

Zunächst kommt der Desmosedici Stradale im Superbike zum Einsatz, doch dürften zukünftig auch weitere Modelle in den Genuss des neuen V4-Motors kommen. Eine Multistrada oder Diavel könnten mit einem kräftigen Vierzylinder die Konkurrenz in Schach halten. Ducati hat im Wettrüsten eine neue Runde eingeläutet.


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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Alles-anders-Die-Technik-der-Ducati-1199-Panigale-1439680.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Vergleich-Triumph-Speed-Triple-R-vs-Yamaha-MT-10-3330466.html