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Dreier, flott

Erste Ausfahrt: Ford Fiesta ST

Fahrberichte Wolfgang Gomoll; press-inform
Ford Fiesta ST

Ein 1,5-Liter-Dreizylinder mit Zylinderabschaltung und 200 PS verhilft dem Fiesta ST zu beachtlichen Fahrleistungen. Doch es ist nicht allein die Leistung, die eine Fahrt mit dem kräftigen Kleinwagen reizvoll macht

Es ist schon etliche Jahre her, da erzählte mir jemand vom Umbau seines Opel Corsa A. In den hatte er mit viel Mühe einen Zweiliter-Turbomotor eingebaut, der in Vectra und Calibra serienmäßig 204 PS leistete. Damit waren im Corsa A, der ab Werk nie mehr als 100 PS hatte, Geschwindigkeiten möglich, die ich in dieser Verpackung nicht vermisst hätte. Inzwischen haben sich die Ansprüche verschoben, und so kann, wer mag jeder ganz ohne Hinterhoftuning Kleinwagen kaufen, die schon ab Werk rund 200 PS haben. Neu in dieser Klasse ist der Ford Fiesta ST, mit dem wir eine erste Probefahrt machen konnten.

Neuer Dreier

Ford geht im Bereich Antrieb einen in diesem Segment sehr eigenwilligen Weg. Die Konkurrenz von Volkswagen, Opel und Renault setzt durchweg auf Vierzylinder mit Turbolader. Letzteren hat der Fiesta ST natürlich auch, doch Ford setzt auf einen dem 1,5-Liter-Dreizylinder, der aktuell auch nur dort zu bekommen ist. Auf dieser Basis werden aber mit einiger Sicherheit weiteren Leistungsstufen folgen, die dann beispielsweise in den neuen Focus einziehen werden.

Der Turbolader von Continental sitzt besonders nah an den Auslassventilen, was seine Ansprechzeiten minimieren soll. Der Abgaskrümmer ist im Zylinderkopf integriert, was unter anderem bei Volkswagen seit längerem auch so gemacht wird. Auch die Kombination aus Direkt- und Saugrohreinspritzung ist keine Erfindung von Ford. Im Dreizylinder sind gleich neun Einspritzventile eingebaut: Sechs für die Direkteinspritzung in den Brennraum, drei für die in das Saugrohr.

Einer weg

Neu ist aber eine Zylinderabschaltung in einem Dreizylindermotor. Ford verspricht, dass die Umschaltung nicht zu merken sei. Ganz klappt das nicht, denn zumindest sensible Fahrer werden einen feinen Unterschied bei den Vibrationen merken. Der Klang ändert sich nicht, was auch daran liegen mag, dass Ford mit Klappen im Auspuff trickreich gegensteuert.

Abgesehen von solchen Feinheiten hinterlassen 200 PS und 290 Nm natürlich jenen Eindruck, den die anvisierte Käuferschaft haben will. 6,5 Sekunden im Standardsprint sind schon recht flott, doch 232 km/h Höchstgeschwindigkeit beeindrucken dann doch. Immerhin ist der Fiesta ST damit schneller als so manches, durchaus „ordentlich“ motorisierte Mittelklassemodell. Ausprobieren konnten wir das auf unserer Probefahrt nicht, doch der Fiesta hinterlässt bei deutlich niedrigeren Geschwindigkeiten einen sehr lebhaften Eindruck.

Die Anderen

Zur groben Einordnung: Ein VW Polo GTI wiegt etwas mehr (1355 kg), beschleunigt langsamer (6,7 Sekunden), ist aber schneller (237 km/h). Der Renault Clio R.S. ist mit 1279 kg ähnlich schwer wie der Fiesta, beschleunigt so schnell wie der Polo GTI [1] und erreicht maximal 235 km/h. Beide werden im NEFZ mit 5,9 Litern angegeben und erfüllen die Abgasnorm Euro 6b.

Den Verbrauch des Fiesta ST im WLTP gibt Ford mit 6 Litern an. Der 1,5-Liter-Dreizylinder ist nach der Abgasnorm Euro 6d-TEMP homologiert. Damit wird der Verbrauch nicht mehr im NEFZ (Neuer europäischer Fahrzyklus) gemessen, sondern im WLTP (Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure). Da er zumindest temporär ein Benzin-Direkteinspritzer ist, muss er auch beim Feinstaub die seit der Abgasnorm Euro 6c verbindlichen Grenzwerte einhalten. Dafür bekommt er einen Partikelfilter.

Beachtlicher Rest

Richtig gut gelungen ist Ford das Fahrwerk. Die Entwickler haben den kleinen Sportler nicht zu hart abgestimmt, was in Bezug auf hohe Kurvengeschwindigkeiten ohnehin kontraproduktiv gewesen wäre [2]. Natürlich ist er etwas straffer als die ziviler motorisierten Versionen, doch der Restkomfort ist beachtlich. Das liegt auch an der Lenkung, die zuverlässig mitteilt, was sich zwischen Asphalt und Reifen abspielt, ohne dabei zu nervös um die Mittellage zu sein. Auch ohne das aufpreispflichtige Sperrdifferential bewegt sich der ST recht agil, allerdings schiebt der flinke Kölner dann früher über die Vorderräder in Richtung des Kurvenrands, sprich: Für Fahrdynamiker führt an der Sperre kein Weg vorbei.

Für 22.100 Euro bekommt man den Fiesta ST als Dreitürer, zwei zusätzliche Pforten kosten 800 Euro Zuschlag. Damit bleibt der Fiesta ST deutlich unter dem, was VW für den Polo GTI verlangt. Auch der vergleichbare Renault Clio ist teurer als der Fiesta ST. Beide haben allerdings ein Doppelkupplungsgetriebe eingebaut, das es aktuell für den Ford noch nicht gibt.

Doch vielleicht ist das ganz im Sinne der Zielgruppe, wobei sich diese gegenüber dem eingangs erwähnten Corsa-A-Steuermann erheblich gewandelt haben dürfte. Denn keiner der modernen Ableger ist ein spartanisches Sportgerät. Sie alle sind alltagstaugliche Allrounder, der erste Corsa heute dagegen ein Fall für Nostalgiker mit masseninkompatiblem Geschmack. In einem freilich gleichen sie sich: Die diebische Freude, mit einem Kleinwagen ein größeres Auto deutlich hinter sich lassen zu können. Vor 30 Jahren reichte dafür ein Polo G40 [3], ein Fiat Uno [4] Turbo oder ein Fiesta XR2i mit rund 100 PS.


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Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Fahrbericht-VW-Polo-GTI-3908460.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Klartext-Hart-ist-schnell-3083170.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Klassiker-Ausfahrt-im-VW-Polo-G40-von-1992-2526796.html
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Der-vergessene-Bestseller-1859403.html