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2012 erscheinendes E-REV-Auto als Prototyp schon gefahren

Erste Fahreindrücke im Opel Ampera

Fahrberichte sle

Bisher gab es wenige Gelegenheiten, den Chevrolet Volt oder Opel Ampera zur Probe zu fahren. Wir konnten uns einen Eindruck verschaffen, wie sich das Elektroauto mit Range Extender anfühlt

Dudenhofen, 25. Mai 2010 – Man kann die GM-Entwickler schon verstehen, dass sie mit dem Begriff Hybrid nicht glücklich sind. Der Volt alias Opel Ampera sei ein ein Extended Range Extender Vehicle, kein profaner Hybrid, auch wenn er es technisch zweifelsfrei ist. Zwar sind zwei Motoren an Bord, der Verbrennungs­motor dient aber nur dazu, einen Generator anzutreiben, der wiederum Strom für den elektrischen Antrieb erzeugt. Nun ja, Ein Elektroauto mit Notration für längere Strecken ist leichter zu vermitteln und ja auch tatsächlich der Sinn der Sache. Wir konnten den Opel Ampera nun erstmals als Prototyp fahren.

Meist rein elektrisch

Die Rollen im Ampera sind klar verteilt: Der Elektromotor leistet 111 kW (150 PS), der Verbrennungsmotor 60 kW (82 PS). Ist die untere Ladegrenze der 16 kWh fassenden Lithium-Ionen-Batterie erreicht, wird der Verbrennungsmotor angeworfen. Aber auch dann treibt weiter der E-Motor den Ampera vorwärts. Logisch sind der Ottomotor, der Generator und der Elektromotor in Reihe angeordnet (daher handelt es sich technisch gesehen um einen seriellen Hybrid). Denn der Ampera soll hauptsächlich als Elektroauto gefahren werden, so das Ideal. Die rein elektrische Reichweite wird mit 60 Kilometer angegeben. Danach kann der Akku in drei Stunden an einer normalen 230-Volt-Steckdose wieder aufgeladen werden – eine Schnellladung mit 380 Volt ist zum Marktstart nicht geplant.

Die 60 rein elektrischen Kilometer sollen ausreichen, die täglichen Fahrten von 80 Prozent der Fahrer abzudecken. Wer zum Beispiel in den Urlaub fährt, muss eben tanken und kommt auf eine ordentliche Gesamtreichweite von 500 Kilometer, soweit so gut. Im Detail ist es komplizierter. Was an den Opel-Publikationen bisher immer auffiel, war, dass es keine Angaben zum verwendeten Verbrennungsmotor gab. Bei unserem Besuch im Testzentrum Dudenhofen bei Frankfurt wird Opel-Experte Andreas Lassota konkreter: Es handelt sich um einen 1,4-Liter-Benziner mit 82 PS, der sich auch mit E85-Bioethanol betreiben lässt. Gut, aber was geschieht, wenn die Batterie nach 60 Kilometer leer ist? Dann wird die Antriebsenergie letztendlich von dem Benziner erzeugt, und das sind nur 82 PS.

Nur 50 Prozent der Batteriekapazität nutzbar

Dann müsste man doch einen erheblichen Leistungsabfall spüren, oder? Merkt man das nicht an einer verringerten Höchst­ge­schwin­digkeit oder einer geringeren Beschleunigung? Lassota schüttelt den Kopf und zeichnet uns ein paar Diagramme auf. Erstens werde die Batterie nicht ganz geleert, sondern nur bis auf 30 Prozent herunter. Überhaupt seien nur 8 kWh der 16-kWh-Batterie nutzbar, also die Hälfte. Die Kapazität wird nur von 30 bis 80 Prozent der Vollladung genutzt. Durch die 30 Prozent Restladung hat man noch eine Leistungsreserve. Praktisch heißt das, dass in Beschleunigungsphasen die geringere Leistung des Verbrennungsmotors nicht stört, hier hilft einfach die Batterie aus. Und für die Höchstgeschwindigkeit von 161 km/h könnte die Leistung des Verbrennungsmotors reichen, auch wenn in der seriellen Konfiguration etwas mehr als sonst auf der Strecke bleibt.

Viersitzer mit Fließheck

Genaueres werden wir sicherlich in den nächsten 18 Monaten erfahren, Opel hält sich bei manchem technischen Detail noch etwas zurück, macht auch keinen Hehl daraus, zumal das ein oder andere im Laufe der Zeit sicherlich noch modifiziert wird. Zunächst aber noch ein flüchtiger Blick um das Fahrzeug herum und in den Innenraum: Der Ampera ist ein Viersitzer mit ausreichend Kniefreiheit im Fond, aber etwas wenig Kopffreiheit. Unter der Heckklappe der Fließhecklimousine ist Platz für 301 Liter Gepäck, wobei sich die Einzelsitze im Fond zusätzlich noch umklappen lassen.

Bei unserem Testfahrzeug handelt sich um einen Prototypen, der Opel-intern das Kürzel IVER (Integration Vehicle Engineering Release) trägt. Doch macht das Auto schon einen recht ordentlichen Eindruck. Zumindest knarzen die Türen beim Öffnen und Schließen nicht mehr so bedenklich wie bei den Modellen, die wir auf den letzten Automessen gesehen haben. Das Armaturenbrett ist noch nicht verklebt, wie wir das von Serienautos gewohnt sind, die Anzeigen funktionieren noch nicht vollständig und einen Not-Aus-Schalter gibt es auch noch.

Los geht`s

Aber sonst funktioniert der Ampera bereits. Startknopf gedrückt, die bunten Anzeigen erscheinen. Die Batterieladeanzeige gibt eine Restreichweite von fünf Kilometer an, der Saft ist also fast alle. Gut so, denn so können wir sowohl den rein elektrischen wie auch den Betrieb mit Reichweitenverlängerer testen. Als Nächstes bewegen wir den Automatikwahlhebel in die D-Stellung. Der Ampera rollt los – geräuschlos, wie wir es inzwischen von Elektrofahrzeugen gewohnt sind. Wir verlassen das Testzentrum und ich trete zum ersten Mal richtig aufs Gaspedal.

Gut motorisiert

Der Wagen quittiert es mit angemessenem Vortrieb. Doch fühlen sich so 370 Nm an? Das ist das angegebene Drehmoment des E-Motors – ein Wert wie beim Porsche Cayman S. Aber es ist doch anders: Der Ampera presst uns nicht in die Sitze wie ein Sportwagen oder ein drehmomentstarker Diesel. Er ist einfach nur gut motorisiert. Dafür spricht auch die sportliche 100-km/h-Sprintzeit von nur neun Sekunden.

Drei Fahrmodi

Nach einiger Zeit haben wir die Batterie bis zur Ladegrenze entleert, doch den konkreten Moment haben wir nicht bemerkt – so bruchlos klappt also der Übergang. Bei unseren Beschleunigungsversuchen ist ein Leistungsabfall tatsächlich nicht zu bemerken. Allerdings hören wir den Benziner: Er wird beim Beschleunigen lauter und bleibt auch noch kurzer Zeit geräuschvoll, als wir wieder vom Gas gehen. Da der Verbrennungsmotor nur als "Stromerzeuger" dient, entsprechen sich Fahreindruck und Motorverhalten nicht direkt, zudem werden nur bestimmte Betriebszustände genutzt, in denen der Verbrennungsmotor möglichst effizient läuft. Dies geschieht in vier Stufen, eine schlichte lineare Erhöhung der Drehzahl wäre im Hinblick auf den Verbrauch die schlechtere Lösung.

Mit zwei Schaltern in der Mittelkonsole kann man übrigens – neben dem "Normal"-Modus – in einen Energiespar- oder einen Sport-Modus wechseln. Beim Druck auf den Sport-Knopf etwa reagiert das Auto deutlich spontaner als zuvor.

Komplizierte Verbrauchsmessung

Den Verbrauch des Ampera gibt Opel mit 1,6 Liter im europäischen Fahrzyklus an. Auf die Frage, wie das gemessen wird, kommt eine verblüffende Antwort, die aber von der offiziellen ECE-Regelung R 101 für Hybridfahrzeuge abgedeckt ist: Auf den ersten 60 Kilometer braucht der Ampera keinen Sprit, klar, macht null Verbrauch. Und dann werden 25 Kilometer mit Reichweitenverlängerer gemessen – das ist die angenommene, durchschnittliche Distanz bis zur nächsten Steckdose. Insgesamt wird also nur der Verbrauch für 25 Kilometer mit zugeschaltetem Verbrennungsmotor angegeben. Es fließt natürlich auch elektrische Energie mit ein, die wird laut Prüfvorschrift separat angegeben. Die 8 kWh nutzbare Energie der Batterie reichen für 60 Kilometer, also braucht das Auto etwa 13 kWh auf 100 Kilometer.

Da beim Strom-Tanken immer etwas Energie verloren geht – oft ist es rund ein Viertel – muss man mit etwas mehr rechnen. Rechnet man mit einem Tankverlust von 25 Prozent, ergeben sich 17 kWh pro 100 Kilometer. Auch der Verbrauch im kombinierten Betrieb lässt sich aus der Formel in der Prüfvorschrift errechnen: Als Resultat erhält man 5,4 Liter auf 100 Kilometer – immer noch sparsam.

Bei einem Durchschnitts-Strompreis von 14 Euro-Cent pro Einheit zahlt man für 17 kWh etwa 2,40 Euro. Ein Opel Insignia mit 140 PS braucht etwa acht Liter Benzin auf 100 Kilometer, für die man rund 11,40 Euro zahlt. Bei 17.000 Kilometer pro Jahr – die durchschnittliche Fahrleistung in Deutschland – spart man ungefähr 1500 Euro im Jahr, wenn man ausschließlich elektrisch fährt. So hätte sich ein Mehrpreis von 15.000 Euro gegenüber einem Benziner in zehn Jahren amortisiert. Auch ein vergleichbarer Diesel kostet auf 100 Kilometer noch etwa 6,40 Euro, hier spart man also ebenfalls noch vier Euro auf 100 Kilometer.

Die Preisfrage

Im laufenden Betrieb spart man also, aber wie viel mehr kostet ein Ampera als Neuwagen? Eine konkrete Antwort gibt es derzeit noch nicht. Den vagen Andeutungen vom Hybrid-Experten Lassota zufolge dürfte das Auto als solches nicht viel teurer sein als ein Benziner dieser Klasse. Hinzu kommt aber noch die Batterie, und die dürfte mindestens 10.000 Euro kosten. Wie das Auto vertrieben werden soll, steht noch nicht fest. An ein separates Leasing für die Batterie, wie es etwa Renault favorisiert, glaubt Lassota eher nicht. Bis zum Start des Ampera ist ja auch noch Zeit. Die Produktion soll Ende 2011 beginnen. Marktstart dürfte dann wohl 2012 sein.


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