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Alles von vorn

Fahrbericht: BMW 118d

Fahrberichte Martin Franz
BMW 1er (F40)

Der neue BMW 1er ist ein gutes Auto geworden. Ein besonderes ist die dritte Generation, bezogen auf bisherige Stärken, nicht mehr. Das Segment ist mit der Umstellung auf Frontantrieb um einen Charakterkopf ärmer geworden, wie der 118d im Fahrbericht zeigt

Es ist ein bisschen, als wenn ein guter Freund gegangen ist. Einer, mit dem man auf Rockkonzerten war und nachts um die Häuser gezogen ist. Er pflegte das Anderssein, nahm dafür in Kauf, nicht jedermanns Liebling sein zu können. Vorbei: Nun laufen auf kleinen Breitbandlautsprechern in gemäßigter Lautstärke ausschließlich die Nummer-1-Hits der 70er, 80er und 90er, in Gesprächen geht es hauptsächlich um Gesundheits- und Altersvorsorge. Wie konnte es nur so weit kommen?

Warum?

Der 1er war immer auch ein bisschen Rebell. Die dritte Generation ist kein schlechtes Auto, wie eine erste Ausfahrt mit dem 118d zeigt. Doch das Flair des Besonderen ist dahin. Die Entscheidung, den Hinterradantrieb im 1er zu beerdigen, fiel naheliegenderweise vor langer Zeit. BMW hatte dafür eine Reihe von Gründen: Die dritte Generation kann so die Plattform nutzen, auf der auf die Minis, BMW X1 und X2 sowie die Vans basieren. Das spart Kosten in Entwicklung und Produktion. Im Münchener Hochhaus hat man zudem Leuten Glauben geschenkt, die meisten BMW-Fahrer wüssten nicht, welche Achse angetrieben wird. Ein Großteil der 1er wurden ohnehin mit Vierzylindern bis 150 PS gekauft.

Die Umstellung auf Frontantrieb und quer eingebaute Motoren beseitigt außerdem eine Schwäche, die BMW in der Vergangenheit bewusst in Kauf nahm: Das Platzangebot war stets spärlicher als bei vergleichbar großen Autos. Der Neue ist kein Raumwunder, doch der Zuwachs ist deutlich zu spüren: Hinten gibt es mehr Bewegungsfreiheit, zudem ist der Einstieg nun bequemer. Auch der Kofferraum wächst um 20 auf nun 380 Liter. Damit erreicht der 1er das Format des VW Golf (Test) [1]. Neu ist im 1er eine motorisierte Heckklappe, für die der Kunde zusätzlich zur Kasse gebeten wird.

Bisher mussten die Kunden für die fahrdynamischen Vorteile des Hinterradantriebs Nachteile wie die einschränkte Wintertauglichkeit und eben ein vergleichsweise spärliches Platzangebot hinnehmen. Im Gegenzug bekamen sie, was anderswo nicht zu haben war: eine präzise, direkte Lenkung ohne Antriebseinflüsse, gepaart mit einer knackigen Fahrwerksabstimmung. Das alles wirkte wie aus einem Guss. Wer Autofahren mehr als Lust denn als Last empfindet, fand hier einen ungewöhnlich guten Mitspieler.

Hinab

Das ist vorbei, wobei BMW im neuen 1er das alles für sich betrachtet nicht schlecht gelöst hat. Das Fahrwerk ist straff, aber nicht unsensibel. Auch die Lenkung ist bei gemäßigter Fahrweise gar nicht übel. Doch wer den 1er flott um Kurven treibt – für den Vorgänger eine Paradedisziplin – wird nun feststellen, dass trotz fühlbarer Dämpfung Antriebseinflüsse in der Lenkung zu spüren sind. BMW hat sich in dieser Hinsicht also auf das Niveau der Konkurrenz hinabbegeben.

Der Motor des 118d ist aus dem Vorgänger bekannt, wurde allerdings leicht überarbeitet. Die Leistung blieb mit 150 PS gleich, das Drehmoment wuchs aber von 320 auf 350 Nm. Im Testwagen war die Achtgang-Automatik eingebaut, die hier optional, im 120d serienmäßig ist. In den schwächeren Modellen wird ein Doppelkupplungsgetriebe mit sieben Gängen angeboten. Das Zusammenspiel von Motor und Getriebe gleicht im 118d dem X2 20d (Test) [2]: Die Getriebesteuerung hat ein gutes Händchen für den Zeitpunkt eines Gangwechsels, der allerdings nicht ganz so unmerklich und geschmeidig geschieht wie bei der Achtgang-Automatik von ZF, die BMW in Modellen mit Hinterradantrieb einsetzt.

BMW bietet zum Start unter anderem drei Dieselmotoren an: Im 116d arbeitet ein 1,5-Liter-Dreizylinder mit 116 PS, in 118d und 120d ein Zweiliter-Vierzylinder mit 150 und 190 PS. Die Abstände bei den versprochenen Fahrleistungen sind erheblich, wobei der 118d schon deutlich mehr bietet, als man braucht. Mit 8,4 Sekunden im Standardsprint und 216 km/h setzt er keine neuen Maßstäbe, liegt aber auf Augenhöhe mit Konkurrenten wie dem VW Golf 2.0 TDI oder dem Mercedes A 200d. Anders ausgedrückt: Wer das Leistungsvermögen des 118d voll ausschöpft, gehört schon zu den Schnellen.

Verschleierung

Im WLTP nennt BMW 4,1 bis 4,4 Liter, rechnet für diese Angabe allerdings vom neuen in den alten NEFZ zurück – ein Schachzug, den viele Hersteller derzeit unternehmen, zur besseren Vergleichbarkeit, wie es im Kleingedruckten heißt. Die endgültigen WLTP-Werte liegen deutlich höher: Für einen 118d mit Automatik ohne weitere Extras sind im BMW-Konfigurator 5,7 Liter aufgeführt. Uncharmant erscheint auch, dass BMW die beiden Vierzylinder-Diesel mit der Euro 6d-Temp zu den ersten Kunden schickt. Die ist ab September für alle erstmals in der EU zugelassenen Autos verbindlich, doch ihr Ende ist schon absehbar, denn sie wird nur bis Dezember nächsten Jahres gültig sein. Dann müssen erstmals zugelassene Autos die Euro 6d erfüllen – was der 116d schon heute schafft. Die Vierzylinder bekommen im Laufe des nächsten Jahres ein Update, die ersten Kunden fahren dann ein junges Auto mit veralteter Abgasnorm.

Natürlich stopft BMW alles, was an Unterhaltungselektronik im Konzern momentan verfügbar ist, in den 1er. Das aktuelle Infotainmentsystem ist gerade in seiner maximalen Ausbaustufe nicht mehr ganz so übersichtlich wie früher. Der Funktionsumfang ist jedoch gewaltig, das Tempo beeindruckend. Die Sprachsteuerung funktioniert hier ebenso gut wie in der Mercedes A-Klasse [3], die fast frei belegbaren Favoritentasten sind im Alltag eine große Erleichterung. Das Display als Kombiinstrument mit dem gegenläufigen Drehzahlmesser bleibt Geschmackssache. Wie im Benz meine ich auch hier: Trotz des hohen Aufpreises würde ich es bestellen.

Konstant teuer

Der 1er ist ohnehin derart teuer, dass die Frage nach dem nüchternen Gegenwert nicht im Vordergrund stehen sollte. Ein 118d kostet 34.500 Euro – für dieses Geld ist nicht einmal eine Höhenverstellung des Beifahrersitzes eingebaut. Mit ein paar Klicks im Konfigurator sind 40.000 Euro geradezu erschreckend rasch überschritten, ganz ohne Schiebedach, Soundsystem, Ledersitzen oder Matrixlicht. Früher gab es dafür ein außergewöhnlich fahrenden 1er, heute ein fraglos gutes Auto. Die Klasse ist aber um einen Charakterkopf ärmer geworden. Der kleine BMW ist nun einer von vielen.


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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-VW-Golf-1-5-TSI-ACT-3751530.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-BMW-X2-20d-xDrive-4190948.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-Mercedes-A200-4248631.html