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Sportlich schlank

Fahrbericht Honda CB 300 R

Motorrad iga
Honda CB 300 R

Sie ist hübsch und schlank wie ein Supermodel, aber zum Glück überhaupt nicht zickig und verlangt auch nur wenig Geld für ihren Auftritt. Die Honda CB 300 R überzeugt mit schickem Design und spielerischem Handling

Sie ist hübsch und schlank wie ein Supermodel, aber zum Glück überhaupt nicht zickig und verlangt auch nur wenig Geld für ihren Auftritt. Die Honda CB 300 R überzeugt mit schickem Design und spielerischem Handling.

Honda ist mit einem gelungenen Designkonzept vorgeprescht und nennt es „Neo Sports Café“. Das Design der Modellreihe pendelt irgendwo zwischen Retro und Moderne, wirkt aber sehr stimmig. Vorn zeigen sich die Motorräder muskulös, das Heck ist hingegen sehr knapp gezeichnet. Auf Seitenverkleidungen verzichten sie, um den Rahmen sichtbar zu lassen.

Gleich drei Neo Sports Café-Modelle in den Hubraumgrößen 125, 300 und 1000 Kubikzentimeter [1] hat der weltgrößte Motorradhersteller zum neuen Modelljahr präsentiert. Während die meisten ihr Augenmerk auf das kraftstrotzende Ein-Liter-Bike richten, hätte die CB 300 R mindestens genauso viel Aufmerksamkeit verdient. Ihr Werbeslogan „Auf das Wesentliche reduziert“ trifft die Sache in jeder Hinsicht. Nicht nur im Design gibt sich das Naked Bike minimalistisch, sondern auch im Gewicht: Nur 145 Kilogramm bringt die schlanke 300er bei vollem Tank auf die Waage.

Mit 31 PS hinkt sie zwar der Konkurrenz leistungsmäßig ein wenig hinterher, aber sie macht es eben als Fliegengewicht wieder wett, teilweise unterbietet sie die Gegnerinnen in der Klasse bis 500 Kubikzentimeter um rund 20 Kilogramm.

Viel Entwicklungsaufwand

Dafür haben die Honda-Entwickler viel Aufwand betrieben. Beispielsweise wurde die Hinterradschwinge zwar aus Stahl und nicht aus Aluminium gefertigt – hier spielten die Kosten eine Rolle –, aber mit unterschiedlichen Wandstärken versehen. Wo hohe Kräfte auftreten können ist die Wand 2,3 Millimeter dick, an den Stellen mit geringeren Biegekräften wurde sie auf 1,2 Millimeter reduziert. Auch Honda folgt dem Trend der Gitterrohrrahmen aus Stahl. Sie sehen nicht nur hübsch aus, sondern sind auch leicht.

Für die Schwingenaufnahme griffen die Ingenieure aber zu Platten, um Stabilität zu gewährleisten. Filigrane Felgen unterstreichen die Bemühungen der Leichtbauweise, werden allerdings durch den voluminösen Auspuff teilweise wieder zunichte gemacht. Der opulente Schalldämpfer wirkt im vergleich zum restlichen Motorrad mindestens zwei Nummer zu groß, ist aber wegen der strengen Euro4-Norm notwendig.

Moderner Motor

Der Einzylindermotor ist bereits von dem – in Deutschland nicht mehr angebotenen – Sportler CBR 300 R bekannt. Er verfügt über Wasserkühlung, zwei obenliegende Nockenwellen, vier Ventile und 286 Kubikzentimeter Hubraum bei einem Verdichtungsverhältnis von 10,7:1. Dass man damit keine Bäume ausreißen kann, ist klar, aber der Vortrieb ist dennoch verblüffend flott, dank des geringen Gewichts. Die Höchstleistung von 31 PS liegt bei 8500/min an, bis dahin dreht er locker hoch.

Der Single hängt spontan am Gas und kennt keine Einbrüche in der Leistungskurve. Wer den Motor durch fleißiges Schalten im leichtgängigen Sechsganggetriebe immer schön bei Drehzahlen hält und die Kurven ohne heftige Bremsmanöver mit viel Schwung nimmt, kann auf der Landstraße mit deutlich größeren Bikes mithalten. Die Dunlop Sportmax liefern erfreulich guten Grip und sind in den Dimensionen 110/70-17 und 150/60-17 passend gewählt.

Sehr handlich

Die CB 300 R gibt sich im Fahrbetrieb sehr handlich. Sie lässt sich mit spielerischer Leichtigkeit abwinkeln, trifft jede noch so enge Kurve präzise und vermittelt dem Piloten den beruhigenden Eindruck, dass er stets die Kontrolle behält. Das ist nicht zuletzt ein Verdienst der ausgewogenen Gewichtsverteilung von 49,6 vorne zu 50,4 Prozent hinten und einem relativ schmalen Hinterrad in der Dimension 150/70-17. Hinzu kommt ein kurzer Radstand von nur 1352 Millimeter und ein steiler Lenkkopfwinkel von 66 Grad. Der Einschlagwinkel des Lenkers beträgt 40 Grad, so ist man im Stadtverkehr auf der kleinen Honda mit einem Wendekreis von nur 4,6 Meter der König.

Auf Handlichkeit gebürstete Fliegengewichte neigen manchmal zur Nervosität bei höheren Geschwindigkeiten, doch die Honda zieht auch bei Topspeed von immerhin 142 km/h ruhig ihre Bahn. Die Vorderhand wird von einer 41 Millimeter dicken Upside-down-Gabel von Showa geführt. Sie ist nicht einstellbar, das wäre in dem Preissegment zuviel verlangt, arbeitet aber völlig zufriedenstellend. Das Monofederbein mit je einer Kammer für Öl und Gas lässt sich nur in der Vorspannung verstellen, erweist sich aber, zumindest im Solobetrieb, als absolut akzeptabel. Eher komfortabel abgestimmt, bietet die CB 300 R dennoch ausreichend sportliches Talent, lediglich ganz üble Holperstrecken können sie mit ihren kurzen Federwegen in Verlegenheit bringen.

Passt für fast alle

Die CB 300 R gehört zu den Motorrädern, auf denen sich Menschen unterschiedlichster Körpergröße und Statur wohlfühlen, die Bandbreite reicht von zierlichen Damen um die 1,65 Meter bis hin zum kräftigen 1,90-Meter-Kerl. Das liegt zum einen an der moderaten Sitzhöhe von 800 Millimeter, zum anderen an der aufrechten und entspannten Sitzposition. Der konifizierte Lenker ist breit und hoch angebrachte und der 10-Liter-Tank kompakt, so dass der Abstand zwischen Fahrer und Lenker kurz ausfällt. Die Ausbuchtungen am Tank lassen guten Beinkontakt zu, ohne dass irgendwelche Kanten nerven. Die Aluminium-Fußrastenanlage ist hoch genug montiert, so dass sie nur in extremer Schräglage aufsetzen kann, aber tief genug, dass der Kniewinkel nicht zu eng wird.

Leichtbauweise

Auch wenn die Bremsanlage auf den ersten Blick eher mickrig wirkt, verzögert die CB 300 R zuverlässig. Vorn ist eine einzelne Bremsscheibe mit 296 Millimeter Durchmesser montiert, die von einer Nissin-Vierkolben-Bremszange gepackt wird, hinten stoppt eine 220-Millimeter-Bremsscheibe mit Zweikolben-Bremszange.

Im Cockpit setzt sich die Leichtbauweise fort: Das LC-Display wiegt nur 230 Gramm. Die goldenen Ziffern auf schwarzen Grund bilden zwar einen ausreichend guten Kontrast, sind aber recht klein und teilweise nur schwer ablesbar. Dafür glänzt die CB 300 R mit LED-Scheinwerfer und -Rücklicht. Die Honda kann mit noch einem hervorragenden Wert aufwarten: Laut Werk verbraucht sie nur 3,3 Liter Benzin im neuen WMTC-Test. Was wiederum für eine Reichweite von 300 Kilometer gut wäre. Dabei will die 300er ganz sicher kein Tourenmotorrad sein, denn sie sperrt sich gegen jede Form des Gepäcktransports aufgrund ihres minimalistischen Hecks, das unmittelbar hinter dem Soziussitz abgeschnitten wurde.


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