zurück zum Artikel

Fahrbericht: Lada Kalina Cross

Kein Lifestyle

Fahrberichte Marcel Sommer

Die Crossover-Mode verkauft seit ein paar Jahren brave Autos besser und vor allem teurer, wenn sie ein paar Millimeter höher sind und unlackierte Plastikteile tragen. Lada Deutschland verkauft nun auch den Kalina um 22 Millimeter höhergelegt als Kalina Cross

Hilden, 5. Februar 2016 – Die Crossover-Mode verkauft seit ein paar Jahren brave Autos besser und vor allem teurer, wenn sie ein paar Millimeter höher sind und unlackierte Plastikteile tragen. Das muss man nicht verstehen. Noch überraschender ist da, dass dieser Lifestyle anscheinend nicht einmal mehr vor russischen Autos halt macht. Lada Deutschland verkauft nun auch den Kalina um 22 Millimeter höhergelegt als Kalina Cross, wie er bereits seit September 2014 in Russland angeboten wird und hofft auf eine Verdopplung der Verkäufe.

Der auch schlicht als 2194 bezeichnete Wagen bietet einen einzigen Antriebsstrang und die Wahl zwischen zwei Farben zum selben Preis. Einzige Ausstattungsoption sind Nebelscheinwerfer für 200 Euro. Sie erhöhen den Preis auf maximal 10.890 Euro. Darin enthalten sind drei Jahre Garantie ohne Kilometerbegrenzung und sechs Jahre Garantie auf Durchrostung, eine Klimaautomatik, ein Audiosystem mit Freisprecheinrichtung, elektrische Fensterheber vorn, Sitzheizung für Fahrer und Beifahrer sowie eine Zentralverriegelung mit Funkfernbedienung.

Praxisgerechter Unterschutz

Der Innenraum des 4,10 Meter langen Lada ist großzügig. So gemütlich die Sitze sind, so wenig Seitenhalt bieten sie. Ihre Beinauflage ist kurz und eine Höhenverstellung fehlt. Das Interieur mit hohem Plastikanteil wirkt gut verarbeitet, die hinteren Fenster öffnen nur zu etwa zwei Dritteln per Kurbel und die beiden Seitenspiegel lassen sich nur mit je einem kleinen Joystick im Spiegeldreieck verstellen. Der 355 Liter schluckende Kofferraum lässt sich zudem nur direkt mit dem Schlüssel oder per Knopfdruck aus dem Cockpit öffnen. Dafür besteht der praxisgerechte Unterschutz unter dem Motor aus echten Blech – im Gegensatz zu den branchenüblichen Andeutungen aus Duschkopfchrom-Plastik an der Stoßstange (die der Kalina freilich auch trägt).

Antrieb des neuen, auf 18,2 Zentimeter Bodenfreiheit angehobenen Kalina ist ein 1,6 Liter großer Vierzylinder-Ottomotor mit 98 PS und einem maximalen Drehmoment von 145 Nm. Er hängt gut am Gas und fühlt sich lebendig an, was nicht zuletzt am lobenswert geringen Leergewicht von 1,1 Tonnen liegen dürfte. Der Sprint bis Tempo 100 dauert 12,7 Sekunden, bei 169 Kilometer pro Stunde endet jegliche Beschleunigung. Wer moderne Getriebe von Honda oder VW kennt, wird das manuelle Fünfgang-Getriebe als hakelig empfinden und die Schaltwege zu lang finden.

Doch kein Lifestyle

Die Zahnstangenlenkung mit elektromechanischer Unterstützung ist vielleicht schon ein wenig zu leichtgängig. Was uns bei einem Produkt aus Russland nur wenig wundert, aber sehr erfreut, ist die Federung mit ihren langen Federwegen und einer schluckfreudigen Auslegung. Selbst Schlaglöcher werden von ihr sanft weggebügelt, die Feindämpfung erledigt der matratzenweiche Sitzschaumgummi. Das ist eine Tugend auf Straßen, welche die meisten deutschen Autofahrer nicht einmal Geländewagen zumuten würden und auf denen doch jeden Tag ganz normale Pkw das häufigste Verkehrsmittel sind.

Der Kalina Cross überrascht mit einer Höherlegung, die offenbar nicht nur unter marketinggerechten Showaspekten sondern unter praxisnahen Gesichtspunkten gestaltet wurde. Sie bietet dank der schluckfreudigen Federung genau das, was die russische Landbevölkerung sonst den Dorfschmied machen lassen würde. Also doch kein Lifestyle – sondern die Bauern-Ausführung! Hierzulande wird man ihn wohl vor allem als Alternative zum Dacia Sandero Stepway [1] sehen. Beide bieten viel Auto für wenig Geld. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sowohl Lada als auch Dacia [2] Teil von Renault-Nissan ist.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-3095877

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Fahreindruecke-aus-dem-Dacia-Sandero-Stepway-dCi-90-1928948.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Dacia-Renault-und-ihre-Billigschiene-auf-M0-Plattform-2088341.html