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Fahrbericht: Lexus RC 200t

Einstieg mit Lader

Fahrberichte Jürgen Wolff

Nur 83 verkaufte Lexus RC - das klingt nach Liebhaber-Auto. Der neue RC 200t könnte die Einstiegsschwelle deutlich absenken, doch dürften Abstriche an den Fahrleistungen durch das Downsizing deutlich spürbar sein. Passen sie noch zu dem exklusiven Sportcoupé?

Mallorca, 22. Januar 2016 – Nur 83 verkaufte Lexus RC – das klingt nach Liebhaber-Auto. Das Sportcoupé, das bisher nur als üppig motorisierter RC F mit Fünfliter-V8 und 477 PS für fast 75.000 Euro verkauft wurde, war es wohl auch. Der neue RC 200t könnte die Einstiegsschwelle deutlich absenken, er wird nun ab 45.500 und als Hybridversion 300h ab 47.050 Euro angeboten. Abstriche an den Fahrleistungen dürften durch das Downsizing deutlich spürbar sein. Ob sie noch zu dem exklusiven Sportcoupé passen und inwieweit die moderne Turbo-Konstruktion als Antrieb überzeugen kann, wollten wir herausfinden.

Nicht annähernd so krawallig wie er aussieht

Der 4,7 Meter lange und leer 1,8 Tonnen schwere Zweitürer zeigt eine geschwungene Seitenlinie, Schlitze hinter den hinteren Radhäusern und einen riesigen, aggressiv gezackten Kühlergrill. Ansonsten ist der Lexus RC 200t nicht annähernd so krawallig wie er aussieht. Man sitzt – getrennt vom Beifahrer durch einen wuchtigen Mitteltunnel – tief wie in einem Sportwagen. In der zweiten Reihe des von Lexus zum 4-Sitzer deklarierten RC kann man allenfalls kürzere Strecken ohne körperliche und psychische Defekte überstehen.

Im 200t arbeitet ein Vierzylinder-Reihenmotor mit 1998 ccm Hubraum. Der gleiche Motor verrichtet auch im Lexus-SUV NX 200t seinen Dienst und ist noch relativ neu. Eine Twin-Scroll-Turboaufladung ermöglicht durch die Bündelung der Abgaskanäle eins und vier sowie zwei und drei jeweils in zwei Kanäle ein schnelleres Ansprechen der Turbine. Zudem verhindert die Trennung der Kanäle Zylinder-Interferenzen und bietet in Verbindung mit der Direkteinspritzung die Möglichkeit zum Scavenging, also eine erweiterte Ventilüberschneidung zur besseren Füllung der Zylinder bei niedriger Drehzahl. Toyotas weiterentwickelte vollvariable Ventilsteuerung auf Einlass- und Auslassseite, kann den Motor in bestimmten Betriebszuständen in den Atkinson-Cycle mit verkürztem Verdichtungshub schicken, ein wassergekühlter, in den Kopf integrierter Abgaskrümmer soll die Effizienz der Aufladung durch adaptive Ladeluftkühlung weiter steigern helfen.

Im RC bringt es der Motor mit der Bezeichnung 8AR-FTS auf eine Leistung von 180 kW/245 PS und ein maximales Drehmoment von 350 Nm zwischen 1660 bis 4400/min. Klingt erst mal nicht schlecht. 245 PS – mehr liefert beispielsweise ein VW Scirocco nur in der R-Version. Doch auf der Straße macht der Lexus zu wenig aus dieser Kraft, denn mit 7,5 Sekunden für den Spurt von 0 auf 100 km/h gehört er nicht gerade zu den Schnellstartern. Bei 230 km/h ist Schluss.

Offenbar verwandelt die achtstufigen Wandlerautomatik von Aisin die Kraft nicht besonders effizient in Vortrieb. Sie kann sich zudem häufig nur spät entscheiden, ob sie einen Gang wechseln möchte. Beim elastischen und kräftigen V8 fällt das weniger auf. Über einen Drehknopf lassen sich die verschiedenen Modi "Eco", "Normal", "Sport" und "Snow" einstellen. Letzterer lässt die Antriebsräder sensibler auf glattem Untergrund anrollen. Ansonsten verändern sich je nach Modus vor allem die Servounterstützung der Lenkung, die Abstimmung der Dämpfer – und die Farbe des Displays vor dem Fahrer. Davon abgesehen schiebt der RC kräftig aus der Kurve heraus und das überarbeitete Fahrwerk zieht präzise seine Spur. Dabei wird die Federung nie unangenehm hart, sondern bleibt durchgehend in der Komfortzone.

Welten zwischen 200t und 300h

Im hybriden RC 300h liegen Otto- und Elektromotor mit einer Systemleistung von 164 kW/223 PS zwar nur gut 20 PS unter der des Turbo-Benziners. Bei den Fahrwerten sind es allerdings Welten: Der Hybrid wird bereits bei 190 km/h abgeregelt, der Spurt auf Tempo 100 dauert mit 8,6 Sekunden eine gute Sekunde länger als beim 200t. Das stufenlose CVT-Getriebe geht sowieso am Geschmack der meisten europäisch geprägten Fahrer vorbei. Bleibt eigentlich nur der Verbrauch, der für den Hybriden spricht: Er begnügt sich laut Norm mit 4,9 Liter auf 100 Kilometer, der 200t braucht ausweislich Katalog mit 7,2 Liter deutlich mehr.

Wer mag, kann auch das ab Werk ordentlich mit Assistenzsystemen ausgestattete Coupé weiter hochrüsten, etwa mit einem über ein Touchpad bedienbares Navi oder einem Soundsystem mit 835 Watt Leistung. Auch 19-Zoll-Felgen werden angeboten – und – viel wichtiger: In der Ausstattungsvariante RC 200t F Sport gibt es das bereits im Lexus RC-F bewährte Torsen-Hinterachsdifferential mit automatischer Hemmung zur Traktionsverbesserung.

Wer sportlich-komfortabel touren will und ein nicht alltägliches Design sucht, der ist mit dem Lexus RC 200t sicher gut bedient. Wer auf Fahrspaß aus ist, der ist im Hause Toyota zum Beispiel mit dem um einiges preiswerteren GT 86 [1] wohl besser dran. Der hat zwar mit 200 PS nominal deutlich weniger Kraft – bringt sie aber deutlich lustvoller auf den Asphalt.


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