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Fahrbericht Renault ZOE

Förderprogramm

Fahrberichte Clemens Gleich
Renault, alternative Antriebe, Elektroautos

"Die Regierung soll pro Elektroautokauf 5000 Euro zuschießen!", rief auch Renault lange Zeit. Da das nichts gebracht hat, boostet der französische Hersteller die Verkäufe jetzt mit einem eigenen Nachlass

Stuttgart, 15. Juli 2015 – Renault hat lange dafür geworben, dass die Regierung Elektroautokunden je Kauf 5000 Euro schenkt. Bis heute hatte das keinen Erfolg, also gibt Renault jetzt selbst 5000 Euro Nachlass auf das wahrscheinlich beste Elektroauto in ihrem Stall: den ZOE. Somit kostet das sympathische kleine Auto mit dem Hasengesicht jetzt bis einschließlich 31. August 2015 ab 16.500 Euro. In diesem befristeten Angebot eingeschlossen: Zwei Jahre lang können ZOE-Kunden bei Avis zwei Wochen pro Jahr kostenlos einen Renault Clio für Langstreckenfahrten ausleihen. Nicht einbegriffen im Preis: die Batterie. Renault verkauft den Akku nicht, sondern vermietet ihn nur.

Hier liegt ein kleiner Hund begraben. Die Idee: Wenn der Kunde die Batterie nur mietet, sinkt erstens der Kaufpreis, weil die Batterie das teuerste Teil des Fahrzeugs ist, und zweitens liegt das Risiko und die Probleme mit der Degradation des Akkus beim Hersteller. Renault garantiert eine funktionstüchtige Batterie mit immer mindestens 75 Prozent der Nennkapazität. Die Wirklichkeit: Die meisten Elektroautokunden wollen die Batterie trotz allem selbst kaufen. Vielleicht ändert sich diese Wirklichkeit anteilsweise, wenn der Anteil von Privatkunden zu Flottenkunden bei Elektroautos steigt. Die Batteriemiete beginnt bei 49 Euro im Monat für Fahrleistungen bis 1250 km pro Quartal (5000 km im Jahr). Hier [1] die Preisstaffelung.

Ladesystem

Mir persönlich wäre es sehr recht, wenn Renault Eigentümer meiner Batterie bleibt, und in meinem persönlichen Universum fängt bei 16.500 Euro für einen gut ausgestatteten elektrischen Kleinwagen auch langsam eine kaufbare Realität an. Seit seiner Einführung hat sich grundsätzlich nicht viel geändert am ZOE. Details wie eine effizientere Wärmepumpe für die Klimaanlage sorgten für mehr Praxisreichweite, und die nächste Generation wird auf die flüssigkeitsgekühlte Schnellladung mit 43 kW Wechselstrom verzichten, weil diese Ladevariante kaum je irgendwo angeboten wurde. Es bleibt die weitverbreitete Variante mit dreiphasig 400 V Wechselstrom à 32 A (22 kW), für deren Lader dann eine deutlich leichtere Gebläsekühlung reicht. Damit dauert es von leer bis achtzig Prozent etwa eine Stunde. Wie in praktisch jedem Ladesystem dauern die letzten Prozente länger als die ersten.

Der Testwagen hat noch das flüssigkeitsgekühlte Chamäleon-System mit maximal 43 kW, ich konnte jedoch nirgends eine Ladesäule für die Maximalleistung finden. 22 kW funktioniert gut und ist häufig anzutreffen. Renault bietet noch eine Tasche mit verschiedenen Ladekabeln an, darunter auch ein Notladesystem für die normale Schuko-Steckdose. Hier blieb Renault konservativ, die Leistungselektronik zieht die 10 A, die jede Schuko-Dose abkönnen muss. Der Lader kann auch 14 A ziehen, tat das aber bei mir nie, weil die Umschaltung automatisch erfolgt statt manuell. Wann das Ladegerät mehr ziehen würde, hat sich mir nicht erschlossen.

Insgesamt ist das Notladesystem weitestgehend nutzlos, weil es von ganz leer bis ganz voll nach Berichten von ZOE-Kunden bis zu 19 Stunden dauern kann. Ich habe das Gerät einmal für einen dreistündigen Besuch angesteckt, und das hätte ich mir sparen können. Letztendlich wird sich jeder Kunde eine Wallbox mit 22 kW montieren lassen. Wo das nicht geht, gibt es auch die Wallbox-Option 230 V einphasig bei 16 A (3,7 kW) und viel weniger Verlustleistung als beim Notlader, womit Renault 7 bis 9 Stunden Ladezeit angibt. Reicht auch für über Nacht.

Antrieb

Renault verbaut einen Synchronmotor mit Erregerspule am Rotor. Diese Bauart hat gegenüber anderswo üblichen permanent erregten Motoren (also mit Dauermagnet am Rotor) den Vorteil geringerer Kosten und geringerer Abhängigkeit von Neodym. Ihre Nachteile liegen in etwas geringerer Effizienz und nach einigen hunderttausend km wird man wohl die Schleifer tauschen müssen, was kein großer Akt sein dürfte. Ein weiterer Vorteil offenbart sich beim Abschleppen: Der ZOE fährt auf Fahrstellung N ohne Spannung auf dem Rotor, also ohne induzierendes Magnetfeld. Die Abschleppprobleme kupplungsloser Antriebe mit Permanentmagnet entfallen also. Zwei Sekunden auf den Startknopf drücken deaktiviert das Hochvoltsystem, während die 12-V-Batterie am Netz bleibt, zum Beispiel für die Warnblinkanlage – mitgedacht.

Aktuell liefert Continental diesen Motor zu. Renault baut in der nächsten ZOE-Generation einen eigenen Motor im Werk Cléon. Der Motor bleibt von den Leistungs-Eckdaten und in der grundsätzlichen Konstruktion gleich, mit leichten Verbesserungen in der Effizienz, auch der Leistungselektronik.

Die Boost-Leistung des Motors liegt bei 65 kW (88 PS), das maximale Drehmoment bei 220 Nm bei 250 U/min. Der ZOE beschleunigt damit wie ein typischer Kleinwagen. Bis 100 km/h vergehen aus dem Stand Ewigkeiten (13,5 s), die viel wichtigere Beschleunigung bis auf 50 km/h bleibt jedoch angenehm kurz. Da das Kuppeln entfällt, überholt der ZOE die meisten anderen Autos entweder gleich von der Ampelstartlinie weg oder sie fallen beim Schaltvorgang zurück. Die Höchstgeschwindigkeit von 135 km/h zeigt schon, dass dieses Auto im Ballungsraum bleiben will. Autobahn macht keinen Spaß und schmilzt die Akkustandsanzeige wie ein Stück Butter in der Pfanne.

Renault hat im NEFZ 14,6 kWh auf 100 km gemessen. Ohne Verrenkungen fuhr ich in der Stadt mit 15,6 kWh / 100 km an einem kühleren Tag. An heißen Tagen mit Landstraßenanteil wurden es 17 bis über 20 kWh auf 100 km. Natürlich kann man sich geißeln und ohne Klimaanlage durch Bruthitze kriechend versuchen, die Werksangabe von 200+ Kilometern zu schaffen, aber ich denke, diese Zeiten sind vorbei. Wem will man da was beweisen? Daher als realistische Faustregel: Bei normalem Fahren mit Landstraßenanteil kommt der ZOE mit seiner 22-kWh-Batterie praktisch immer gute 100 km weit.

Beispiel: Ich werde zur Präsentation der elektrischen Harley am Hockenheimring die 107 km fahren, und zwar Landstraße. Autobahn wäre entweder mühsam oder zum Liegenbleiben. Mit Straßenbahngeräusch eine sommerliche Landstraße entlangcruisen, klassische Musik auf SWR2, das macht im ZOE tatsächlich Spaß. Als Nichtüberholer aus Stromverbrauchsgründen kann man dann auch beobachten, dass die meisten Verkehrsteilnehmer überland sowieso keine 100 fahren, sondern selbst geradeaus oft nur 60. Gut für die Reichweite, und wenn es wirklich mal weit gehen muss: Leihen Sie sich diesen Clio, fertig.

Fahrwerk und Karosserie

Also, die hydraulische Bremsanlage ist unterdimensioniert für dieses Gewicht. Halt, diesmal bin ich nicht der Einzige, der das sagt, und es gibt sogar einen Grund: die Unterstützung durch die elektrische Bremse. Renault geht den Weg, den Benutzern jede Beschäftigung damit abzunehmen, wie diese beiden Systeme zusammenarbeiten. Ein Druck aufs Bremspedal aktiviert zunächst nur die elektrische Bremse, der Motor polt um, die Batterie wird geladen. Bei sinkender Drehzahl oder steigendem Pedaldruck steigt fließend die Kraft der hydraulisch betätigten Reibungsbremse.

In der Praxis funktioniert das gut, nur der letzte Ruck beim Stehenbleiben verrät die Wirkungsweise des Systems spürbar. Beim vom-Gas-gehen schaltet Renault auch ohne Pedalbetätigung die elektrische Bremse in einer Stärke an, die in etwa der Motorbremse eines kleinen Vierzylinders entspricht und damit der Fahrergewohnheit. Diese Bremse tut also das, wozu sie konstruiert wurde: das meiste aus den meisten Fahrern holen, ohne Umgewöhnung, ohne Umlernen. Nachteil ist die Dosierbarkeit im Langsamfahrbereich, in dem die Übergänge härter werden, weil die Bremsleistung des Rotors steil fällt. Freies Rollen muss wie bei BMW oder Tesla stets am Gaspedal dosiert werden. Generell gilt für den ZOE, was für alle E-Antriebe gilt: Gleite gleichmäßig und dein Auto wird es dir danken, weil es dafür gebaut wurde.

Der ZOE wiegt fast anderthalb Tonnen, mit allen Nachteilen für Verbrauch und Fahrleistungen. Der Vorteil solcher Tonnage liegt jedoch in einer über alle Beladungszustände satten Straßenlage mit hohem Komfort. Und weil die effizienteste Art des Fahrens "Schwung konservieren" bleibt, können physikempathische Fahrer das Gewicht sogar zu ihrem Vorteil nutzen. Das kombiniert der ZOE mit schmalen, hochwandigen und daher gut primärdämpfenden Reifen mit dem Gripniveau von Vollplastik-Rollerbladerollen aus den Achtzigern. Genau so soll es sein. Denn Grip kostet immer Energie, genauso wie breite Reifen. Renaults Holzreifen quietschen so früh wie ein gut ausgehärteter Satz eines Oldtimers, mit einem sehr harmlosen Grenzbereich. Rennen wird der ZOE keine gewinnen, im Weg steht er in der Stadt jedoch auch niemandem. Ich würde diese Reifen drauflassen. Sie werden ewig halten. Ich habe sogar den Druck vorne um ein halbes Bar und hinten um zwei Zehntel erhöht, um mir in Grip bezahlte Reichweite zu kaufen.

Die größte unerwartete Freude bereitete mir das Ladevolumen. Als Experiment lud ich allen Schrott, den ich im Keller finden konnte, in den Kofferraum, kriegte ihn aber für den Sperrmüllplatz nicht voll. Ja, ich hätte gern eine geteilt umklappbare Rückbank. Ja, auch mich stört die Kante im Boden an der Rückbank. Aber das Raumangebot ist super. Und einen Nörgler muss ich noch anbringen: Das schwarze Plastik über der Frontkonsole spiegelt in der Scheibe wie die Sau. Endlich habe ich ein Plastik gefunden, das auch ich richtig schlecht finde!

Fazit

Renault verkauft derzeit den elektrischen Stadt-Kleinwagen mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis. Er schaut niedlich aus, er fährt gut, er ist gut ausgestattet und überhaupt stimmt das Paket. Nun kaufen wir ja ein Auto, weil wir eine Verfügbarkeit von Mobilität wünschen. Elektroautokunden muss bewusst sein, dass der Aktionsradius des ZOE der Ballungsraum bleibt, das Pendeln, die fixen Distanzen. Vergessen Sie eine bundesweite Ladeinfrastruktur, das macht auf absehbare Zeit alles keinen Spaß, sondern kostet nur über die Maßen Geld.

Deshalb: ZOE-Kunden kaufen ein praktisches Auto ohne Langstreckeneignung. Er wird also als Zweitwagen laufen oder bei Menschen, die firm sind im informiert intermodal reisen mit Öffis, Auto, Fahrrad. Das ist nichts Schlimmes. Das muss man aber akzeptieren. Sonst sitzt man irgendwann auf der Leitplanke der Standspur und fragt sich, warum man nicht einfach diesen Clio geliehen hat. Deshalb begrüße ich jede Maßnahme Renaults, die das Auto billiger gemacht hat. Batteriemiete, ja. Vielleicht nehmen das Privatkunden irgendwann tatsächlich an. Erregerspule mit Schleifern. Gut, billiger. Einfache Rückbank. Meinetwegen. Blendplastik. Nein, geht trotzdem nicht. Kleinere Batterie. Würde ich akzeptieren. Keine esoterischen 43-kW-Lademöglichkeiten mehr. Gut, weg damit.

Sie sehen schon, wo ich hinwill: Das Elektroauto muss noch billiger werden. Aber schon jetzt ist der ZOE mit seiner Preisaktion das erste Elektroauto, das man nicht kauft, weil man so gerne ein cooles Elektroauto haben will, dass man eine Menge Mehrgeld ausgibt. Nein, der ZOE kommt in den Bereich, in dem man ihn kauft, weil Renault ein gutes Auto zu einem Preis anbietet, der in tatsächlicher Verbindung mit der Alltagsleistung steht. Ich erwarte, hier im Ballungsraum künftig noch mehr Hasengesichter zu sehen.


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[1] http://www.renault-preislisten.de/fileadmin/user_upload/Preisliste_Zoe.pdf