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Ein Auto

Fahrbericht: VW Golf 8

Fahrberichte Joaquim Oliveira; press-inform
VW Golf 8

Mit „Das Auto“ bewarb VW einst den Vorgänger. Der neue Golf wagt außen keine Revolution, innen müssen sich die Kunden allerdings den neuen Zeiten stellen. Abgesehen davon bleibt sich der Golf, weiter verbessert, in seinen Kerndisziplinen treu

Derzeit scheint gerade gesellschaftlich so vieles im Wandel, dass manch einer Mühe haben dürfte, die Dinge für sich zu sortieren. Da mag der äußerlich in gewohnten Bahnen gestaltete VW Golf der achten Generation wie ein Bewahrer von Bewährtem wirken, auch wenn der Hersteller dies so natürlich niemals formulieren wird. Eine erste kurze Ausfahrt zeigt indes, dass sich die Golf-Fans zumindest in einer Hinsicht umstellen müssen.

Ganz der Alte – äußerlich

Äußerlich bleibt die Revolution wieder einmal aus. Nummer acht wird rund 2,5 cm länger, der Radstand blieb unverändert. Der Golf gehört inzwischen damit zu den eher kurzen Modellen in diesem Segment – ein Opel Astra beispielsweise ist schon 9 cm länger. Das Platzangebot für die Reisenden bleibt gegenüber dem Vorgänger damit ebenso konstant wie das Kofferraumvolumen von 380 Litern. Wobei man dem Golf nach wie vor eine vergleichsweise gute Nutzung der Verkehrsfläche bescheinigen darf: Ein Mazda 3 (Test) [1] ist spürbar länger, ohne mehr Platz zu bieten.

Innere Revolution

Gewaltig umstellen muss man sich bei der Bedienung. Die Zahl der Tasten wurde drastisch reduziert. Wo bisher ein Griff genügte, um beispielsweise die Temperatur zu verändern, ist nun ein Blick auf die Mittelkonsole dafür nötig. Immerhin: Die neuen Touchslider funktionieren gut, die Menüstruktur wirkt durchdacht. Reichlich glänzender Kunststoff wird bei entsprechendem Lichteinfall nicht jeden erfreuen. Ganz im Gegensatz zur Verarbeitung, die schon jetzt sehr ordentlich wirkt. Vom ID.3 setzt sich der Golf bei der Materialauswahl ab: Er wirkt fein ausgekleidet, das E-Auto im Vergleich dazu eher schlicht.

Die Zeiten von realen Zeigern im Kombiinstrument sind vorbei, VW baut hier grundsätzlich ein 10-Zoll-Display ein. Es bietet allerlei Konfigurationsmöglichkeiten. VW verzichtet auch hier auf eine tiefe und weit verästelte Struktur, was der Bedienung guttut. Die Sprachsteuerung ist ebenfalls brauchbar, auch wenn es hier und da noch minimal daran hapert, dass alle Befehle richtig verstanden und umgesetzt werden.

Neuer Soundlieferant

Serienmäßig ist rechts daneben ein 8,25-Zoll-Touchscreen mit 1083 x 480 Pixeln eingebaut. Gegen Aufpreis installiert VW auch hier ein 10-Zoll-Display, das mit 1560 x 700 Bildpunkten nochmals feiner auflöst. VW hat bis heute noch keine Preise veröffentlicht, was sich sehr bald ändern dürfte. Für die große Ausbaustufe des Navigationssystems darf mit einem satten Zuschlag gerechnet werden. Neu ist der Zulieferer des Soundsystems, das nun von Harman/Kardon kommt.

Wir hatten den Golf 7 ein paar Mal in der Redaktion – unter andrem als 1.2 TSI und als 1.5 TSI. Beide hinterließen einen insgesamt ausgewogenen Eindruck, VW konnte sich beim Generationenwechsel darauf konzentrieren, alles noch ein wenig zu verfeinern. Das ist in zweierlei Hinsicht gelungen. Schon der Golf 7 war ein leises Auto, der Neue wirkt hier nochmals besser. Gerade die Geräusche von Fahrwerk und Reifen sind noch wirksamer abgeschirmt.

Alle Motoren mit Euro 6d

Auch beim Fahrwerk ist der Fortschritt spürbar. VW baut weiterhin zwei Hinterachsen ein: Die Versionen bis 130 PS bekommen die Verbundlenkerachse, ab 150 PS gibt es die Mehrlenkerachse. Im direkten Vergleich fällt auf, dass die teurere Achse Unebenheiten noch lässiger wegsteckt. Die aufpreispflichtigen, adaptiven Dämpfer haben nur noch zwei Kennlinien: Sport und Comfort – Normal fiel weg. Wie bisher bieten sie eine große und spürbare Bandbreite, ein Schnäppchen werden sie aber wohl weiterhin eher nicht.

Fünf Motoren zum Start

Ein wenig unübersichtlich wird es bei den Antrieben. VW startet den Verkauf mit fünf Motoren:

1.5 TSI 96 kW (130 PS) Schaltgetriebe

1.5 TSI 110 kW (150 PS) Schaltgetriebe

1.5 eTSI 110 kW (150 PS) DSG

2.0 TDI 85 kW (115 PS) Schaltgetriebe

2.0 TDI 110 kW (150 PS) DSG

Sehr rasch nach dem Start dürften der 1.0 TSI mit 66 kW (90 PS) und der 1.5 eTSI mit 81 kW (110 PS) und 96 kW (130 PS) folgen, die Plug-in-Hybride erst im zweiten Quartal 2020. Für eine erste Ausfahrt stand uns der 1.5 TSI mit 96 kW und der 1.5 eTSI zur Verfügung. Schon der schwächere Motor bietet mehr Temperament, als es im Alltag unbedingt braucht. Er ist drehfreudig, sprintstark schon aus niedrigen Drehzahlen heraus und dabei stets kultiviert. Mit 9,2 Sekunden im Sprint auf Tempo 100 und 214 km/h Höchstgeschwindigkeit erfüllt er bereits gehobene Ansprüche.

Kräftig aus dem Keller

Nochmals deutlich flotter wirkt der 1.5 eTSI mit Mildhybrid. Es ist dabei nicht allein das Leistungsplus von 20 PS, sondern in erster Linie die Boost-Funktion, die das 48-Volt-Bordnetz bereits aus niedrigen Drehzahlen zur Verfügung stellt, das die beiden unterscheidet. Der stärkere Golf wirkt derart gerüstet nochmals souveräner, wobei ich vermute, dass den meisten Menschen die Mildhybride mit 81 und 96 kW ausreichend rasant erscheinen werden. Kein Golf fährt komplett ohne fossile Brennstoffe, sieht man einmal von den paar Kilometern ab, die die Plug-in-Hybride rein elektrisch schaffen. Immerhin erfüllen alle Golf-Motoren ab dem Verkaufsstart die Abgasnorm Euro 6d. Die Peinlichkeit, ein neues Auto im Jahr 2020 noch mit der Euro 6d-Temp auf den Markt zu werfen, erspart sich der Konzern – im Gegensatz zu manchen Konkurrenten.

Keine Motivation zu polarisieren

Stand heute gibt es noch keine Preise für den neuen VW Golf. Das Basismodell mit 66 kW, das etwas später folgt, wird weiterhin weniger wohl als 20.000 Euro kosten. Die meisten Kunden stiegen bisher mindestens eine Stufe darüber ein. Wir rechnen damit, dass dies auch in Zukunft so bleiben wird und sich der überwiegende Teil der Kunden für die Leistungsklasse zwischen 81 und 96 kW interessiert. So oder so bekommen die Golf-Käufer weiterhin ein ordentlich gemachtes, im Detail weiter verfeinertes und aktualisiertes Auto, das nicht aufregt. Das darf man durchaus ein wenig langweilig finden, doch VW hatte angesichts der bisherigen Verkaufszahlen keine Motivation, ein polarisierendes Modell zu entwickeln. Spannend zu beobachten wird sein, wie er sich gegen den VW ID.3 behaupten kann.


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