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Fahrbericht: Zero Motorcycles Zero S

Anschluss geschafft

Motorrad Thilo Kozik
Zweirad, alternative Antriebe

Der amerikanische Elektromotorrad-Pionier Zero Motorcycles hat seine Modellpalette für 2015 fahrwerkstechnisch grundlegend überarbeitet, optisch modifiziert und auch die Batterie-Technik weiter optimiert. Einstiegsmodell ist die Zero S, ein Allrounder im aktuellen Roadster-Look

Santa Cruz/Kalifornien (USA), 2. Juli 2015 – Der amerikanische Elektromotorrad-Pionier Zero Motorcycles hat seine Modellpalette für 2015 fahrwerkstechnisch grundlegend überarbeitet, optisch modifiziert und auch die Batterie-Technik weiter optimiert. Einstiegsmodell ist die Zero S, ein Allrounder im aktuellen Roadster-Look.

Hinter dem großen trapezförmigen Scheinwerfer und dem gekröpften Rohrlenker ergibt sich eine mittig gedrungene Silhouette, die zum keck angehobenen Heck hin auch dank neuer filigraner Felgen richtig luftig wird. Dominiert wird der Anblick von einem mittigen schwarzen Batterien-Pack, das so gut es geht in die Optik eingebettet ist. Drum herum spannt sich ein zehn Kilo leichter, schwarzer Aluminium-Gussrahmen, an den sich eine Leichtmetallschwinge mit markanter Form anschließt.

Trotz der Sitzhöhe von 807 Millimetern erreichen auch kleinere Fahrer den Boden problemlos mit beiden Beinen. Zum Griff an die schmalen, deutlich zum Fahrer hin gekröpften Lenkerenden ist keine Vorlage notwendig, der Pilot hockt aufrecht und gut integriert und dank der schmalen Baubreite mit gutem Knieschluss. Größergewachsenen wird das Ambiente allerdings bald zu klein.

Saftiger Durchzug

Nach dem Drehen des Zündschlüssels ist die Zero startklar; wird der "Killschalter" umgelegt, kann es ohne Umschweife losgehen. Leise surrend setzt sich die Zero S in Bewegung. Durch den Direktantrieb per Zahnriemen entfallen Kupplung und Getriebe, die Bedienung ist denkbar einfach, der Vortrieb erfolgt automatisch. Um nicht beim Start durch das urgewaltige Anfahrdrehmoment eine Rolle rückwärts zu machen, moduliert ein Controller den Schub. Doch ab zirka 30 km/h tritt das Elektrobike um so kräftiger an und begeistert mit einem saftigen Durchzug, der auch erfahrene Motorradfahrer die Zunge schnalzen lässt. Dass die S in der Spitze sogar 153 km/h schnell rennt, macht sie locker autobahntauglich, doch auch bei Schritttempo lässt sich der Vortrieb ordentlich dosieren. Das einzige, was dabei zu hören ist, sind Reifenabrollgeräusche und der surrende Elektromotor; bei einem Päuschen am Wegesrand kommen dem Zero-Piloten vorbeifahrende Motorräder daher fast schon unangenehm laut vor.

Über das, was an anderen Motorrädern der Startknopf ist, sind drei Fahrmodi anwählbar: Eco, Sport oder Custom. Die geben den Schub, aber auch das Rekuperationsverhalten vor, also die Motorbremse zum Wiederaufladen der Batterie. Das Custom-Profil kann mit der kostenlosen Zero-App über ein Smartphone per Bluetooth konfiguriert werden. Hier lassen sich viele Parameter vom Drehmoment über die erreichbare Höchstgeschwindigkeit oder die Stärke der Motorbremse einstellen. Vom Fahrmodus und dem Fahrverhalten hängt direkt die Reichweite ab – je mehr Schub verlangt wird, um so schneller ist der Akku leer.

Deutlich verbessertes Fahrwerk

Die Zero S gibt es 2015 in zwei Akku-Konfigurationen, die bei gleicher Dimension gegenüber dem vergangenen Jahr um zehn Prozent leistungsfähiger sind: Mit 9,4 kWh oder 12,5 kWh, für die Zero eine kombinierte Reichweite von 122 Kilometer respektive 164 Kilometer angibt. Wer noch länger fahren möchte, kann mit dem optionalen "Power Tank" für 2380 Euro dann sogar 201 Kilometer weit fahren ohne nachzuladen. Und diese Reichweiten erscheinen nicht unrealistisch: Nach alles andere als zurückhaltender "Sport"-Fahrt durch hügeliges Gelände zeigte die Ladestandsanzeige nach spaßbetonten 120 Kilometern bei der 12,5-kWh-Version noch elf Prozent Ladung an. Zum Aufladen vergeht jedoch einige Zeit: Ein komplett leerer Akku braucht über das eingebaute Ladegerät 8,6 Stunden an einer herkömmlichen Steckdose zur Vollladung. Auf die Energiespeicher selbst gewährt Zero fünf Jahre Garantie oder bis zu 160.000 km Laufleistung.

Dass eine Tour über die teilweise derb geflickten Hinterlandstraßen überhaupt Spaß macht, liegt an den Neuerungen am Fahrwerk des 2015er-Modells: Vorn wie hinten werkeln voll einstellbare Showa-Federelemente, die leichteren Gussräder tragen nun Pirelli-Pneus und die größeren Bremsen haben ein modernes Bosch-ABS bekommen. Damit flitzt die 171 Kilo leichte Zero S leichtfüßig durch die engen Kurven und lässt sich ohne Kraftaufwand einlenken. Fast schon zu leicht geht sie in Schräglage und bietet einen guten Fahrkomfort bei tadelloser Stabilität, beides lässt sich durch die Einstellmöglichkeiten an Upside-Down-Gabel und Federbein sauber einjustieren.

Geschwindigkeitsüberschuss verwandelt die 320 mm große Bremsscheibe mit Vierkolbensattel vorn in Wärme. Allerdings verwindet sich die Gabel bei heftigem Ankern spürbar, und das spät eingreifende ABS erlaubt ein Anheben des Hinterrades. Beim Wenden auf engen Sträßchen und auf dem Parkplatz erschwert der sehr knappe Lenkeinschlag das Manövrieren. Clever ist ein integriertes Staufach mit herausnehmbarem Rucksack an er Stelle, wo sonst das Benzinfass wäre, in das der optionale Power Tank eingebaut wird. Gut ablesbar und sinnvoll strukturiert informiert das Cockpit-Display über alle wichtigen Daten inklusive exakter Ladestands- und Reichweiteninfos, die vom Smartphone via Bluetooth noch detaillierter auslesbar sind.

Gut aber wohl nur für Enthusiasten

Die seit März 2015 verfügbare Zero S muss sich nun stärker mit herkömmlichen Motorrädern vergleichen lassen, denn durch die neuen Komponenten hat sie beim Fahrverhalten den Anschluss [1] geschafft. Für die ureigene Fahrdynamik des Elektroantriebs sind jedoch 13.490 Euro beziehungsweise 15.450 Euro für die 12,5-kWh-Version zu zahlen, und das dürfte nur für Enthusiasten infrage kommen – trotz der garantierten Exklusivität samt Aufmerksamkeit.


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