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Eine Zeitreise durch die Geschichte der Marke mit den vier Ringen

Form-Sache: Das Audi-Design unter der Lupe

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Mit dem Slogan "Vorsprung durch Technik" begann der Aufstieg der Marke Audi vom biederen Mittelstand zu einer der erfolgreichsten deutschen Marken. Der technische Anspruch hat auch das Design der Marke geprägt

München, 30. September 2008 – So bewegt wie Audis Geschichte ist, hat auch das Design der Autos mit den vier Ringen einige Wandlungen hinter sich. Der Name Audi etablierte sich endgültig erst 1969, als die damalige Auto Union mit NSU fusionierte, zuvor gab es so illustre Namen wie DKW, Wanderer und Auto Union, dem heutigen Hauptsitz in Ingolstadt gingen verschiedene Standorte wie Zwickau, Chemnitz oder Neckarsulm voraus – in letzterem findet noch heute ein guter Teil der Motorenentwicklung statt. 1971 wurde erstmals der Slogan „Vorsprung durch Technik“ verwendet und etwa in dieser Zeit begann das Audi-Design der Neuzeit sich zu entwickeln: Während Audi in der 70ern noch als ziemlich bieder galt, entwickelte sich die Gestaltung später immer mehr in Richtung dynamischer Funktionalität – gewissermaßen vom Schalterbeamten zum zielstrebigen Manager. Wir konnten uns in Audis Design-Studio in München einmal ansehen, wie sich der „Design-Code“ der Marke entwickelt hat.

Sport-Bolide von 1938

Der Auto Union Typ D von 1938 passt eigentümlicherweise gut in die Ahnenreihe, obwohl es die Marke Audi zu dieser Zeit eine Zwangspause einlegen musste. Zwar waren die Audi Automobilwerke bereits 1910 entstanden, aber seit 1932 ein Teil der Auto Union, in der Audi, DKW, Horch und Wanderer zusammengefasst wurden – zu dieser Zeit entstand das Zeichen mit den vier Ringen, das heute so selbstverständlich mit dem Namen Audi in Zusammenhang gebracht wird. Schmal und lang mit riesigen Rädern sieht der Typ D beinahe gefährlich aus. Der Fahrer sitzt vorn, geschoben vom hinter ihm längs eingebauten V12 mit 500 PS. Dieses so genannte Cab-forward-Design – so würde man es zumindest heute nennen – findet sich heute im TT wieder, allerdings nur optisch, der Motor des TT verrichtet schließlich vorne seinen Dienst. Und obwohl es eher Zufall ist: Auch den inzwischen berühmten Audi-Single-Frame-Grill, der allen Audi-Modellen ein Gesicht gibt, gab es in kopfstehender Form schon bei dem alten Renner.

Optische Technik im Ro 80

Audi möchte fortschrittliche Technik auch im Fahrzeug-Design nach außen tragen. Richtete der Auto Union Typ D sich schon nach dem Prinzip „Form follows Function“, so wird dies im legendären NSU Ro 80 von 1967 weitergezeichnet. Der schnörkellose Wagen ist noch heute ansehnlich, glatte Flächen und klare Linien waren für die damalige Zeit äußerst modern. NSU-Designer Claus Luthe verpasste dem Wankelmotor-Wagen auch die heute als Tornado-Linie bekannte Seitenlinie, die sich in Höhe der Türgriffe über die gesamte Seite des Autos zieht – bis heute ein Designmerkmal der Audi-Modelle. Der Ro 80 ließ seinerzeit mit 180 km/h Höchstgeschwindigkeit die meisten Wagen stehen, seine 115 PS produzierte ein Wankelmotor, der sich in Deutschland letztlich nicht durchsetzen konnte. Vom anfangs mit enormen Qualitätsproblemen behafteten Technologie-Fahrzeug liefen bis 1977 – da gehörte NSU schon zu Audi – 37.000 Exemplare vom Band.

Form-Sache: Das Audi-Design unter der Lupe

Ur-Quattro: Kantiger Charakter

Passenderweise zeigte er sich in einer Schweizer Eishalle zum ersten Mal: der Audi quattro von 1980. Der Wagen ist nicht wirklich schön, aber Auto-Fans haben ihn längst in ihr Herz geschlossen. Kantig, kubisch und gradlinig galt damals als aerodynamisch günstig. Allradantrieb wurde durch den quattro salonfähig und seine 200 PS aus dem Fünfzylinder-Turbo reichen für Drifts und Sprints. Besonders auffällig sind die kantig verbreiterten Kotflügel – Audi nennt diese Kästen „Blister“. Wiederentdeckt wurden diese Blister für die Performance-Modelle Audi RS 6 und RS 6 Avant.

TT kündigt sich an: quattro Spyder

1991 war er der Aufreger der IAA: Der erste reine Sportwagen von Audi, ein quattro Spyder. Wegen seiner Aluminium-Karosserie wiegt der Wagen gerade mal 1100 Kilogramm. Aber hier hatten die Audi-Designer ein Problem: Der Wagen war in knalligem Orange lackiert und somit nicht als Aluminium-Renner zu erkennen. So mussten ein paar Alu-Applikationen für den Innenraum her, um das Leichtbau-Thema sichtbar zu machen. Auch die Leichtmetall-Felgen des Sportlers waren alles andere als unauffällig: 18-Zoll-Dimensionen fielen 1991 noch auf. Audi plante sogar eine Serienproduktion, aber die Planungen kamen in der Automobil-Flaute Anfang der 90er zum Erliegen. Später wurde der Audi TT aus diesem Konzept geschält.

Alu-Traum: AVUS quattro

Ebenfalls 1991, aber erst auf der Tokio Motor Show gleißt der Audi AVUS quattro vor dem Publikum. Hier ist die Alu-Karosserie präsent: Unlackiert und blankpoliert erinnert der Wagen an alte Flugzeuge, man spürt beinahe das Propeller-Dröhnen. 152 Kilogramm bringen Rahmen und Karosserie auf die Waage, zusammen mit dem 509-PS-W12-Triebwerk kommt die 340 km/h schnelle Flunder auf 1250 Kilogramm. Lang, vorn angeordnete Fahrkanzel, 2,80 Meter Radstand und 20-Zoll-Räder – der AVUS quattro schlägt die Brücke zwischen dem Stromlinien-Rennwagen Auto Union Typ D aus den 30ern und dem mit V12-Diesel ausgerüsteten R8 TDI Le Mans von 2008.

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Seiner Zeit voraus: Audi A2

1999 macht Audi das Richtige zum falschen Zeitpunkt. Der gerade einmal 895 Kilogramm schwere A2 wird gezeichnet. Boxförmig und höchst funktional im Auftritt, erreicht er einen rekordverdächtig guten cW-Wert von 0,25. Das Spritspar-Mobil A2 wurde kompromisslos und wenig emotional gezeichnet. Von außen nicht zu sehen war die Aluminium-Rahmenstruktur, die den Wagen in seiner Klasse einmalig machte und auch andere Autobauer zu neuen Ideen im Karosseriebau anregte. Leider, möchte man aus heutiger Sicht sagen, wurde der A2 im Unterschied zu der A-Klasse von Mercedes kein Erfolg – er kam wohl zu früh. Heute ist er schon fast ein Liebhaberstück, und das aus ganz vernünftigen Gründen.

Schmal und hochkant bis breit und flach

Aktueller Chefdynamiker in der Audi-Riege: der R8 TDI Le Mans. Genauso wie der AVUS quattro trägt er eine flache Lufteinlass-Düse auf dem Dach. Dieser Lufteinlass wird im Rennsport verwendet und gilt als aerodynamisch gute Lösung. Und auch sonst riecht beim Zwölfzylinder-R8 schon optisch alles nach Hochleistung. Der Grill ist flach und breit – so flach, dass die vier Audi-Ringe auf die Motorhaube wandern mussten. Das LED-Tagfahrlicht-Leuchtband läuft an der unteren Scheinwerfer-Kante entlang und zieht den Wagen mit einem Schwung weiter nach unten. Der Grill des A4 hingegen ist schon etwas schmaler und höher, sein LED-Band muss ohne Zusatz-Schwung auskommen. Am auffälligsten ist der Unterschied zum dicken SUV Q7: Dort steht der Grill beinahe hochkant, das Tagfahrlicht zieht sich an der oberen Schweinwerfer-Kante entlang. Vom Grundkonzept her dekliniert der VW-Konzern dies durch alle Marken: Während Seat im Vergleich eher schmal und hoch wirkt, breitet sich ein Lamborghini am Boden aus – Audi sortiert sich dazwischen ein.

Aus der Nudel-Schmiede

Jetzt versuchen sich die Audi-Designer auch abseits ihrer vierrädrigen Schützlinge. Das Münchner Büro ist bewusst als Vor- und Querdenker-Hort gedacht und so sind jetzt Gegenstände des Alltags fällig. Das Audi-Küchenmesser sieht edel und sehr nach japanischer Klinge aus, die besagte manuelle Espresso-Maschine gefällt durch ihre Schlankheit. Ein Audi-Mountainbike könnte es wieder geben und Abfahrts-Ski aus Karbon und Alu wurden bereits von Skifahrern getestet. Auch ein aufwändiger Klapp-Kuli und eine Nudel-Dose als schlanker Edelstahl-Zylinder sind zu sehen. Die Nudeln in Form der Audi-Ringe wurden von Neapels ältester Nudel-Schmiede gefertigt – und sind laut Hersteller wegen ihrer Form ideal, um in den Hohlräumen Saucen aufzunehmen. Alle diese schönen Dinge dürfen wir nicht fotografieren, da noch nicht klar ist, ob sie jemals verwirklicht werden. Einzig der vor uns stehende Audi-Kicker steht kurz vor dem Eintritt ins Serien-Leben. Aber der Rest der Stil-Stücke wird es auch irgendwann schaffen – schließlich will Audi mal mit einem schicken Exponat im New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) vertreten sein.


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