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Das Elektroauto von Heuliez mit Antriebstechnik von Michelin soll 2010 kommen

Good Will: Elektroauto WILL mit Radnabenmotoren

Messeberichte mn
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Beim Kleinwagen Heuliez WILL sind Elektromotoren und Federung in die Räder integriert, "Active Wheel" nennt Hersteller Michelin diese Technik. Der Serienstart des emissionsfreien Stadtmobils ist für 2010 geplant

Paris (Frankreich), 4. Oktober 2008 – Ein neues Konzept für den Antrieb von Elektroautos präsentieren Michelin und Heuliez auf dem Pariser Autosalon (4. bis 19. Oktober 2008). Der elektrische Radnabenantrieb „Active Wheel“ kommt in zwei Fahrzeugen zum Einsatz, darunter auch im Heuliez WILL. Das großserientaugliche Elektroauto ist ein Gemeinschaftsprojekt des französischen Herstellers Heuliez mit Michelin und dem französischen Telekommunikationsunternehmen Orange. Der französische „Karossier“ Heuliez hat ähnlich wie die deutsche Firma Karmann bereits viele Fahrzeuge im Auftrag großer Hersteller gefertigt, darunter zuletzt den Opel Tigra Twintop. Weit weniger bekannt ist, dass Heuliez einige Erfahrung mit Elektroautos hat – so entwickelte man im französischen Cerizay etwa den Citroën Saxo Electrique [1].

Rein elektrisch

Der WILL ist als reines Elektrofahrzeug geplant, direkte Emissionen fallen daher nicht an. Doch Michelin gibt interessante „indirekte“ Emissionen an, um die Antriebstechnik Verbrennungsmotoren gegenüberzustellen: In einem Land wie Schweden, das seine Stromversorgung hauptsächlich über umweltfreundliche Wasserkraftwerke sicherstellt, liege der CO2-Ausstoß des seriennahen Heuliez WILL bei weniger als 10 Gramm CO2 pro gefahrenem Kilometer. Selbst in Ländern wie Deutschland, in denen ein Großteil des Stroms aus Kohlekraftwerken komme, erreicht das Fahrzeug demnach weniger als 80 Gramm CO2 pro Kilometer.

Ins Rad integrierter Elektromotor

Der WILL ist nur 3,70 Meter kurz, soll aber dennoch Platz für vier Personen einschließlich Gepäck bieten. Herzstück des Kleinwagens ist der elektrische Radnabenantrieb. In jedes einzelne Rad ist ein 30 Kilowatt starker Elektromotor integriert, ebenso wie die Bremsscheibe, der Bremssattel, eine aktive elektromechanische Feder-Dämpfer-Einheit sowie eine zusätzliche mechanische Fahrwerksfeder. Die Stromversorgung der Motoren kann entweder über eine Brennstoffzelle, Lithium-Ionen-Batterien oder spezielle Doppelschichtkondensatoren erfolgen. Letztere wären allerdings nur als Ergänzung sinnvoll, da die so genannten Super-Caps zwar schnell reagieren, aber nur kurzzeitig Strom zur Verfügung stellen können. Die Besonderheit ist die Integration so vieler Funktionen im Rad. Das führt zwar zu einem Gewicht pro Radeinheit von etwa 38 kg (statt rund 12 kg bei einer normalen Rad/Reifen-Einheit), doch einige gewohnte Komponenten im Fahrzeug können entfallen.

Good Will: Elektroauto WILL mit Radnabenmotoren

Neue Variationsmöglichkeiten für Autohersteller

Die neu konstruierte Kombination aus Antriebs-, Brems- und Fahrwerkstechnologie soll Autoherstellern neue Variationsmöglichkeiten ermöglichen. So könnten sich mit dem Active Wheel unterschiedliche Antriebskonzepte wie Front-, Heck-, oder Allradantrieb ohne großen Aufwand modular realisieren lassen, meint Michelin. Zudem eröffnen sich den Designern neue Gestaltungsspielräume. Da der Raum für den Motorblock, das Getriebe und das Kurbelgehäuse nicht mehr benötigt wird, könnte dieser anderweitig genutzt werden, beispielsweise für Gepäck, einen Wasserstofftank oder Batterien.

Vorteile für Fahrdynamik und Sicherheit

Auch die Fahrdynamik soll vom Radnabenantrieb profitieren. So lässt sich das Drehmoment elektronisch für jedes einzelne Rad regeln. Eine schnelle und bedarfsgerechte Verteilung der Antriebsmomente auf die kurveninneren beziehungsweise kurvenäußeren Räder erlaubt laut Hersteller höhere Kurvengeschwindigkeiten. Die Kombination aus elektrischem Antrieb und autarkem Bremssystem soll zudem in jedem Rad mehr Optionen im Bereich der aktiven Sicherheit bieten als ein herkömmliches elektronisches Stabilitätsprogramm (ESP). Tatsächlich erlaubt ein Konzept mit Radnabenmotoren die Kombination von Fahrdynamikregelsystemen mit Drehmoment- und Bremseingriff, die zumindest theoretisch leichter zu beherrschen sind. Denn dafür sind keinerlei Kupplungen oder Differentiale notwendig, die eine solche Kombination recht aufwändig machen.

Elektronisch geregeltes Fahrwerk

Im WILL reagiert das elektronisch geregelte Fahrwerk innerhalb von drei Millisekunden über die elektrisch verstellbare Feder-Dämpfer-Einheit auf Fahrbahnunebenheiten oder Stöße. Das soll einen sicheren Fahrbahnkontakt ermöglichen und gleichzeitig den Komfort erhöhen. Inwieweit die feinfühlige Dämpferregelung die hohen ungefederten Massen kompensieren kann, wird sich zeigen müssen, denn gegen die Trägheit der höheren Masse kann sie nichts tun. Immerhin entfällt die Achskinematik konventioneller Fahrzeuge, sodass jedes einzelne Rad völlig autark reagieren kann. Zudem gibt es beim Ein- und Ausfedern keinerlei Veränderungen des Sturzes, wie es etwa bei einer Verbundlenkerachse der Fall ist, was laut Michelin der Lebensdauer der Reifen zugute kommt.

Good Will: Elektroauto WILL mit Radnabenmotoren

Good WILL

Vielversprechend sind die Angaben zur Reichweite des Fahrzeugs: Je nach Energiequelle soll der serientaugliche Kompaktwagen einen Aktionsradius von 150, 300 oder 450 Kilometern erreichen. Als Serienstart für das Elektroauto peilen die drei beteiligten Unternehmen das Jahr 2010 an. Außer im WILL kommt das Active Wheel auch in dem ebenfalls in Paris vorgestellten Elektro-Sportwagen Venturi Volage zum Einsatz.

Unabhängig vom technischen Konzept zeigt der WILL, welche neuen Konstellationen in der Automobilindustrie entstehen könnten: Ein Karosseriebauer, der zum Automobilbauer wird, ein Reifenhersteller der sein Geschäft auf Rad und Antrieb ausweitet – in Anbetracht der Veränderungen in der Automobilindustrie ist eine solcher Ansatz durchaus ein Muster mit Wert. Ob der guten Wille auch von Erfolg gekrönt ist, zeigt sich wohl schon in zwei bis drei Jahren.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-464791

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.megawattmotorworks.com/display.asp?dismode=article&artid=315