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Organisierter Ärger

Interview mit Jürgen Resch, DUH

News Clemens Gleich
Jürgen Resch

(Bild: DUH / Lehmann)

Wir sprachen mit DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch über die Deutsche Umwelthilfe, den deutschen Verbraucher, die Vertrauenskrise des Dieselmotors und die Zustände in der Auto-Politik Deutschlands und der USA

Wir sprachen mit DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch über die Deutsche Umwelthilfe, den deutschen Verbraucher, die Vertrauenskrise des Dieselmotors und die Zustände in der Auto-Politik.

HA:
Herr Resch, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben für ein Gespräch. Es war mir wichtig, einmal direkt mit einem Vertreter der DUH zu sprechen, weil die Organisation sich für uns häufig so zwiespältig darstellt. Einerseits legen Sie bei den Großen den Finger in die Wunden, was ich wichtig finde. Andererseits wenden Sie sich dann gegen Kleinere, wie zum Beispiel Autohändler und Blogger, mit Abmahnungen wegen fehlender Energieeffizienzlabel-Ausweisungen. Wie kommt das zustande?

Jürgen Resch:
Wir setzen uns einfach dafür ein, dass Umwelt- und Verbraucherschutzgesetze eingehalten werden. Konkret verfolgen wir stichprobenhaft Verstöße in 20 Produktgruppen, dabei geht es beispielsweise um stark erhöhte Quecksilberwerte in Lampen oder zu hohe Emissionen von Gartengeräten und die NOx- oder CO2-Emissionen von Pkw. Ausgerechnet die Autoindustrie läuft Sturm dagegen, dass wir sie kontrollieren. Korrekte Angaben des CO2-Ausstosses und der Energieeffizienz sind eine der vier rechtlichen offiziellen Säulen der EU-Klimaschutzpolitik. Sie sollen dem Verbraucher ermöglichen, sich beim Kauf für CO2-sparsamere Fahrzeuge zu entscheiden. Das gelingt nur, wenn die Angaben inhaltlich stimmen und korrekt dargestellt werden.

Ich bin immer wieder fassungslos, wie die Automobilbranche es geschafft hat, dass sie von den zuständigen Landes- wie Bundesbehörden faktisch nicht kontrolliert wird und nun fordert, dass wir oder andere Verbraucherverbände sie ebenfalls nicht kontrollieren sollen. Wohin dies führt, zeigt uns der Dieselabgasskandal.

Es stimmt übrigens nicht, dass wir gegen private Blogger vorgehen. Wenn allerdings Hersteller wie Peugeot-Citroen oder Autohändler in ihrem Firmenauftritt in den sozialen Medien Werbung für Fahrzeuge machen, dann muss selbstverständlich auch hier korrekt über CO2 und Energieeffizienz informiert werden. Im Februar dieses Jahres hat der Europäische Gerichtshof eine von der DUH herbeigeführte vorausgegangene nationale Entscheidung zur Kennzeichnungspflicht von Youtube-Werbefilmen bestätigt.

HA:
Können wir als ein anderes Beispiel über Ihre Untersuchung eines BMW 320d [1] sprechen? Der Beitrag im ZDF wirkte tendenziös, mit viel zu hohen Drehzahlen, als ob mit Gewalt passende Messwerte provoziert werden sollten.

Jürgen Resch:
Gemeinsam mit dem ZDF, TÜV Nord und ICCT stehen wir zu den jeweils durchgeführten Messungen und den gefundenen Abschalteinrichtungen. Und zwischenzeitlich hat selbst das Kraftfahrtbundesamt aufgrund früherer DUH-Untersuchungen am 750d BMW des Betrugs überführt [2]. Mit viel Theaterdonner hat BMW im Dezember 2017 versucht, davon abzulenken, dass wir ihren Vorstandschef der Lüge überführt haben. Der hatte nämlich auf der IAA im Frankfurt 2017 behauptet, dass BMW überhaupt keine Abschalteinrichtungen verwendet.

Weder das ZDF noch DUH haben auch nur ein Komma oder gar eine Zahl in den Pressetexten oder den über die Mediathek immer noch abrufbaren Film [3] ändern müssen. Wir haben an diesem Fahrzeug gleich mehrere ‚defeat devices‘ dokumentiert. Nicht erst bei über 4000 – nein, bereits bei innerstädtischen Beschleunigungen und Motordrehzahlen von 2000 U/min steigen die NOx-Emissionen dramatisch an. BMW entfaltete zwar ein Entrüstungsfeuerwerk in den Medien, ging aber in keinem einzigen Punkt rechtlich gegen uns vor. Wenn wir fehlerhaft gemessen hätten, wäre das passiert. Wahrscheinlich wollte sich der bayerische Motorenbauer keine blutige Nase vor Gericht holen: Daimler und VW haben zum Beispiel versucht, DUH-Veröffentlichungen durch gerichtlich erwirkte einstweilige Verfügungen zu verhindern. Beide Rechtsstreitigkeiten haben wir gewonnen.

Zu den Messungen selbst: Bei gleichem Norm-Fahrzyklus NEFZ, einmal auf der Straße und einmal auf der Rolle gefahren, liegen die NOx-Emissionen exakt um den Faktor 7,2 auseinander. Wenn wir dann den NEFZ um 10 Prozent schneller fahren – starker Anstieg der Emissionen insgesamt – bleibt es interessanterweise beim nicht technisch zu erklärenden Faktor 7,2 zwischen Straße und Prüfrolle. Die Euro-6-Grenzwerte erreicht dieser BMW 320d offensichtlich nur nach einer sehr aufwendigen Vorkonditionierung und Prüfstandsvorbereitung. Das ist technisch nicht weiter verwunderlich: Mit einem NOx-Speicherkat ohne SCR-Kat werden die Euro-6-Grenzwerte auf der Straße im Realbetrieb häufig besonders stark überschritten, beispielsweise bei stärkeren Beschleunigungen oder längeren Leistungsabrufen (Messungen des ICCT).

Zwischenzeitlich ist BMW des Betrugs überführt, bei 11.700 Luxuslimousinen wie dem 750d. Nach unseren alarmierenden Messungen von vor einem Jahr übergaben wir unsere Messprotokolle dem Kraftfahrtbundesamt und forderten die Behörde auf, nachzumessen und gegen diesen besonders dreisten Verstoß vorzugehen. Es dauerte dann fast ein dreiviertel Jahr, bis ein BMW für den amtlichen Nachtest gefunden wurde. Interessanterweise meldete sich der Hersteller beim Amt und wollte vor dem Test eine Servicemaßnahme durchführen. Erst als das KBA diese verweigerte, gab BMW zu, seit sechs Jahren bei diesem und einem anderen Luxus-Diesel eine fehlerhafte Software einzusetzen. Und BMW wusste spätestens seit Herbst 2015 von der Betrugssoftware. Der Eigner des Fahrzeugs konfrontierte BMW mit den gemessenen, extremen NOx-Werten, die BMW unter Hinweis auf die amtliche Zulassung des Fahrzeugs ignorierte.

HA:
Wenn Sie in Ihren Messungen des 320d wirklich den NEFZ mit den üblichen Drehzahlen des Automatikgetriebes nachgefahren sind, ist der ZDF-Beitrag aber sehr irreführend geschnitten.

Jürgen Resch:
Wir haben gemessen, das ZDF hat eigenständig den Beitrag gestaltet. Der ZDF-Bericht ist aber inhaltlich korrekt. BMW hat sich für seine Kritik eine Abschaltung bei 4000 Motorumdrehungen herausgepickt, die angeblich in der Praxis kaum auftauche. Das ZDF hat in seinem Beitrag aber auch Überschreitungen bei normaler Fahrweise gezeigt. Hierzu schweigt BMW. Gehen Sie mal davon aus, dass wir bei BMW noch einiges zu diesem Fahrzeug hören werden. Mehr möchte ich hier nicht andeuten.

HA:
Nicht ganz verstanden habe ich auch Ihre NO2-Messaktion. Sie verwenden für die beklagten Grenzwertüberschreitungen einen Wert von 20 µg/qm über den Messzeitraum eines Monats. So einen Grenzwert gibt es jedoch nicht, der nächste wäre 40 µg/qm im Jahresmittelwert. Das finde ich irreführend, vor allem, weil es ja auch Überschreitungen der 40 µg gab. Warum verwenden Sie einen eigenen Wert?

Jürgen Resch:
Unsere Februar-Messaktion zeigte, dass an über 80 Prozent der von Bürgern ausgesuchten Messstellen eine gesundheitlich problematische Belastung mit dem Dieselabgasgift vorliegt. Wir fordern, dass der NO2-Grenzwert auf 20 µg/m3 abgesenkt wird, da bereits bei dieser Belastung negative Gesundheitsfolgen zu beobachten sind. Dies hat das Umweltbundesamt im März dieses Jahres im Rahmen einer großen Studie [4] vorgestellt. Der Grenzwert in der EU liegt seit 1999 bei viel zu hohen 40 ug. Die Schweiz ist fortschrittlicher – hier liegt der Grenzwert bereits seit 1986 bei 30 µg/m3.

HA:
Die Argumentation der Autohersteller in Sachen NOx zielte ja stets auf die legalen Abschalteinrichtungen ab, wie sie das EU-Zulassungsrecht erlaubt.

Jürgen Resch:
Sowohl das EU-Zulassungsrecht wie auch jenes der USA kennen keine nachträgliche Genehmigung von Abschalteinrichtungen. Und nachdem die Hersteller weder in Europa noch in den USA vor 2016 „legale Abschalteinrichtungen“ im Typgenehmigungsverfahren angegeben haben, sind diese rechtswidrig. Erfreulicherweise urteilen auch immer mehr Zivilgerichte in Schadenersatzklagen von Dieselhaltern so.

// Das müssen wir kurz erklären, weil wir im Autokanal stets die Rechtsauffassung publizierten, dass die alte EU-Rechtsgebung einen problematischen Spielraum ließ bei Abschalteinrichtungen: Herrn Reschs hier argumentierter Rechtsauffassung nach musste man in der Zulassungsbeschreibung nach EG-Nr. 715/2007 Abschalteinrichtungen angeben, weil die Beschreibung der Abgasanlage sonst nicht vollständig wäre. Die Argumentationslinie finden Sie in diesem Gutachten [5]. Das taten die Hersteller nicht. Das EU-Parlament hat daher im April 2016 das Gesetz [6] so verschärft, dass seitdem wie in den USA eine explizite Dokumentationspflicht von Abschalteinrichtungen besteht.

HA:
Auf welche legalen Abschalteinrichtungen beziehen sich die Autohersteller dann?

Jürgen Resch:
Sie bestreiten die Notwendigkeit der Offenlegung und behaupten allen Ernstes, sobald sie den Begriff „Motorschutz“ gebrauchen, sei jede noch so abwegige Abschaltung – egal ob per Zeitschaltuhr, Temperatur oder Querbeschleunigungssignal – legal. Und der neueste Trick: Man meldet nachträglich die Abschalteinrichtungen beim KBA und lässt sie sich rückwirkend bewilligen.

HA:
So ein Nachkarten sieht das Zulassungsrecht aber nicht vor.

Jürgen Resch:
Nein, Verkehrsministerium und KBA handeln eindeutig rechtswidrig. Wir klagen derzeit auf Offenlegung aller dem KBA bekannten legalen wie illegalen Abschalteinrichtungen. Das KBA verweigert dies mit dem dreisten Argument: Das seien „Betriebsgeheimnisse“ der Hersteller. Wie kann Betrug durch eine Behörde zum schützenswerten „Betriebsgeheimnis“ mutieren? Der Verbraucher hat ein Recht zu erfahren, wann welches Auto sauber ist und wann es zur Dreckschleuder mutiert. Dass übrigens vor 2016 keine Abschalteinrichtungen angemeldet waren, liegt in der verbindlichen Auflage, dass diese zwingend technisch notwendig ist und der Hersteller nachweisen muss, dass es keine andere technische Lösung gibt.

Bei einem seit 25 Jahren bewährten Katalysatorkonzept wie dem SCR-Harnstoff-Kat geht das nicht. Der kann – wenn er aus guten Bauteilen besteht – selbst die siebenmal strengeren Grenzwerte der kalifornischen Umweltbehörde EPA Kaliforniern gegenüber der EU auch auf der Straße und bei Minusgraden einhalten. In Europa werden aber billige, minderwertige Bauteile verwendet, um wenige hundert Euro pro Auto zu sparen. Die "Thermofenster" und die damit verbundene Abschaltung bei unter +17° C bedeuten beispielsweise, dass schon nach Außentemperatur zu mehr als 80 Prozent des Jahres der Diesel eine Dreckschleuder ist. Diese Grenze haben viele Autos von Opel, Renault oder Mercedes [7] in ihrer Betrugssoftware hinterlegt.

Die EU-Kommission sieht das so wie wir: Nicht angemeldete Abschalteinrichtungen sind per se illegal. Die für die Automobilindustrie zuständige Generaldirektorin in der DG Industrie im Herbst 2016 dies in einem zweiseitigen Schreiben an die Landesregierung von NRW festgehalten: Die Abschalteinrichtung ist zu beantragen, es ist zu begründen, warum sie zwingend notwendig ist und es keine andere technische Möglichkeit gibt. Und schließlich muss die Genehmigungsbehörde diese Angaben streng prüfen, ob es wirklich nicht anders geht. All das ist weder bei der Antragstellung noch im Rahmen der derzeit stattfindenden, rechtswidrigen Nachgenehmigungen erfolgt.

HA:
Die DUH konzentriert sich beim Straßenverkehr auf die NOx-Emissionen des Diesels. Ist dieses Themengebiet aufgrund des klaren Hauptverursachers einfacher zu kommunizieren als zum Beispiel Feinstaub?

Jürgen Resch:
Im Gegenteil, dies ist einer unserer größten Erfolge! Die DUH hat 2002 die Aktion „Kein Diesel ohne Filter“ gestartet und nach drei Jahren den Dieselpartikelfilter europaweit durchgesetzt. 2005 traten dann die Grenzwerte für Feinstaub in Kraft, seitdem kämpft die DUH vor Gericht für die „Saubere Luft in unseren Städten“. Wir setzten die Umweltzonen und Fahrverbote für Diesel mit zu hohen Feinstaubwerten durch. Den Erfolg sehen sie unter anderem daran, dass heute fast alle Diesel zumindest einen Filter haben und die Grenzwerte für Feinstaub nur noch in Stuttgart überschritten werden. Das ist doch ein schöner Erfolg, der zeigt, dass unser Einsatz für saubere Luft grundsätzlich wirkt.

Fünf Jahre nach den Grenzwerten für Feinstaub sind 2010 die für Stickstoffdioxid in Kraft getreten. Diesmal leisteten die Autohersteller erbitterten Widerstand gegen eine ehrliche NOx-Abgasreinigung. Schon im Herbst 2007 haben wir in einer großen Pressekonferenz veröffentlicht, wie die Autokonzerne bei CO2 und Schadstoffemissionen gegen Recht und Gesetz verstoßen. Allen Ingenieuren war bewusst, dass sie auf Druck der Unternehmensspitze minderwertige NOx-Katalysatoren verbaut haben. Viele von ihnen versorgten und versorgen uns noch heute mit Informationen aus ihren Unternehmen.

HA:
Was hat sich im Vergleich zu DPF-Zeiten geändert?

Jürgen Resch:
Die Politik hat sich geändert. Jürgen Trittin hat es geschafft, Kanzler Gerhard Schröder zu etwas Konsequenz gegenüber den Autobauern zu bewegen. Die wahre Autokanzlerin ist die seit 2005 amtierende Angela Merkel. Bei ihr regieren BMW, Daimler und VW durch. Merkel steht fest an der Seite der Autoindustrie. Sie hat vor einigen Jahren sogar bei einem Kalifornien-Besuch knallhart die Aufweichung der Abgasvorschriften gefordert, um den deutschen Autobauern bessere Exportchancen für ihre schmutzigen Diesel zu verschaffen. Angela Merkel ist persönlich mitverantwortlich, dass wir keinen VW-Skandal, sondern einen umfassenden Dieselabgasskandal bei praktisch allen Herstellern haben. Die DUH hat das Bundesverkehrsministerium bereits im Februar 2011 detailliert über den Abgasbetrug beim VW-Motor EA 189 informiert. Doch man ist diesen Hinweisen nicht nachgegangen. Um wie viel kleiner wäre der Skandal ausgefallen, wenn das Kraftfahrtbundesamt damals nachgemessen hätte?

Die Bundesregierung steht vor einem Scherbenhaufen: Durch ihre Duldung der Abgasbetrügereien und das Ignorieren von frühen Warnungen haben wir allein in Deutschland heute circa 11 Millionen Diesel-PKW auf der Straße mit illegalen Abschalteinrichtungen. Autokonzerne und Politik haben diese Technik an die Wand gefahren. Die Folge: Der Diesel ist mausetot.

HA:
Das liegt aber nicht an der Technik.

Jürgen Resch:
Nein, relativ saubere Diesel sind möglich, das zeigen auch unsere Abgasuntersuchungen im Emissions-Kontroll-Institut der DUH – allerdings nur bei ganz wenigen Fahrzeugen, die die aktuellen Grenzwerte um den Faktor Sieben unterschreiten. Nur werden diese Fahrzeuge im Wesentlichen für den Export gebaut. Für Europa ist die Glaubwürdigkeit des Dieselantriebs weg. Wie soll ein Kunde nach allen Vorfällen der letzten zwei Jahre einem Autohersteller vertrauen, dass er Abgasnorm-konforme Dieselantriebe für den deutschen Markt baut? Wir haben 2016 die besonders dreiste Abschalteinrichtung Fiats per Zeitschaltuhr mit aufgedeckt. Nun lernen wir [8], dass selbst bei Mercedes der Sekundenzeiger tickt und jeweils nach der Zeit einer normalen Abgasprüfung Abschalteinrichtungen die Schadstoffmenge ansteigen lassen.

HA:
Fiats Taktik besteht einfach aus Mauern. Damit sind sie erfolgreicher, als es sein dürfte. Vor diesem Hintergrund hat mich immer gewundert, warum VW statt zu mauern in den USA die Verstöße zugab, die den Anstoß zum Dieselskandal gaben. Reichte die Androhung der Nichtzulassung der nächsten Motorengeneration wirklich aus?

Jürgen Resch:
VW hatte über eine lange behördliche Untersuchung hinweg immer neue Lügen aufgetischt und war bereits des Betrugs überführt. Daher auch die hohen Strafen. In den USA zeigen die Behörden generell mehr Zähne als bei uns. Die Drohung der Behörden schloss ja auch den Zulassungsstopp von VW mit Benzinmotor mit ein. Volkswagen hätte also ohne die verlangte Erklärung ab dem Stichtag keine neuen Autos in den USA mehr verkaufen dürfen. Das war ein erheblicher Druck. Und so etwas würde bei uns genauso funktionieren. Deshalb fordern wir ja drastische Strafen von 5000 Euro pro Fahrzeug. Ebenso gut wirken die regelmäßigen Kontrollen von Produkten am Markt, die US-Behörden durchführen. Bei uns dürfen die Hersteller sich selbst messen und die Ergebnisse dann dem Amt vorlegen. Nachgemessen werden die Typzulassungswerte auch weiterhin nicht.

HA:
Liegt die Behandlung Volkswagens in den USA auch daran, dass es sich um einen Hersteller aus dem Ausland handelt?

Jürgen Resch:
Die EPA geht auch gegen US-Inlandshersteller streng vor. Schauen Sie sich nur einmal an, wie oft Ford oder GM oder Chrysler erwischt wurden in den letzten Jahren. Die EPA spricht davon, dass die Autokonzerne – egal ob aus den USA oder dem Ausland – permanent die Grenzen ausloten. Daher sind wirkungsvolle Kontrollen und drakonische Strafen auch so wichtig: wegen des Abschreckungseffekts. Die US-Umweltbehörden haben jedenfalls nicht verstanden, wieso Volkswagen sich selbst zwei Jahre mit immer neuen Falschaussagen in eine ausweglose Situation brachte. Vielleicht, weil diese Taktik in Deutschland so gut funktioniert. Hier haben Behörden und Politiker kein Problem damit, wenn sie belogen werden. Zumindest dann nicht, wenn die Lügen durch selbsternannte „systemrelevante Industrien“ verbreitet werden.

// An diesem Gesprächszeitpunkt drängte Herrn Reschs nächster Termin. Wir müssen die Themen "Klagerechte zur Luftreinhaltung" und "Finanzierung der DUH" auf ein Andermal verschieben. Dafür bitte Verständnis. Wir zogen daher die Abschlussfragen vor:

HA:
Im Gespräch klangen Sie immer wieder regelrecht wütend über die Zustände. Wie sehen Sie denn persönlich das Dieselgate?

Jürgen Resch:
In den vergangenen zweieinhalb Jahren habe ich am eigenen Leib erlebt, mit welcher Brutalität wenige Autokonzerne gegen Recht und Gesetz verstoßen. Um Kosten zu sparen und damit Gewinne zu steigern, schreckt diese Industrie auch nicht davor zurück, dass 12.860 Menschen an NO2 jährlich vorzeitig sterben und 800.000 Menschen erkranken. Heute wissen wir, dass tatsächlich deutsche, italienische, französische, japanische, koreanische und US-amerikanische Autobauer minderwertige Dieselabgasreinigungstechnik verbaut haben. Und wir wissen seit 2017, dass die deutschen Firmen ein kriminelles Kartell zur Verhinderung einer funktionierenden Abgasreinigungstechnik gebildet haben. Bei organisierter Kriminalität denken viele an Italien. Tatsächlich existiert diese genauso in Deutschland. Wir erleben eine Fernsteuerung der Regierung durch die Autoindustrie.

HA:
Also glauben Sie nicht an eine Lösung aus der Politik?

Jürgen Resch:
Nein, die Verstrickungen sind zu groß. Ich setze auf die Zivilgesellschaft und auf die Gerichte.

HA:
Abschlussfrage: Welches Auto fährt Herr Resch?

Jürgen Resch:
Ich fahre seit wenigen Wochen ein kompaktes 5-sitziges Elektroauto mit großer Reichweite eines europäischen, leider nicht deutschen Herstellers.

// Da die DUH gerade so viel beschäftigt ist, sehen wir die Chance auf eine Fortführung des Interviews in absehbarer Zeit als eher gering an. Sie können sich jedoch zwischenzeitlich selbst zumindest grob über die Finanzierung informieren:

Fördermittel-Übersicht der EU [9]

Förderkatalog der BRD [10] ("Deutsche Umwelthilfe" ins Suchfeld eintragen)

DUH-Selbstauskunft [11]


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Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/autos/artikel/DUH-wirft-BMW-Einsatz-von-Abschalteinrichtung-vor-3908447.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Razzia-bei-BMW-Verdacht-auf-Abgas-Manipulation-3999738.html
[3] https://www.zdf.de/verbraucher/wiso/dieseskandal-hinweise-auf-abschalteinrichtungen-bei-bmw-100.html
[4] https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/uba_factsheet_krankheitslasten_no2.pdf
[5] https://www.bundestag.de/blob/481344/c6f582c8598c9d6b62fcfb2acd012462/stellungnahme-prof--dr--fuehr--sv-4--data.pdf
[6] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX%3A32016R0646&from=DE
[7] https://www.heise.de/autos/artikel/Abgas-Manipulation-bei-Daimler-4076490.html
[8] http://www.spiegel.de/auto/aktuell/daimler-soll-unzulaessige-abschaltfunktionen-bei-fast-einer-million-fahrzeugen-eingebaut-haben-a-1212124.html
[9] http://ec.europa.eu/transparencyregister/public/consultation/displaylobbyist.do?id=03506017714-81&locale=de&indexation=true
[10] https://foerderportal.bund.de/foekat/jsp/SucheAction.do?actionMode=searchlist
[11] https://www.duh.de/ueberuns/transparenz/#c66608