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"Das KANN ja gar nicht gehen!", schreibt der Deutsche genüsslich am liebsten

Klartext: Elektroautos gehen gar nicht

Klartext Clemens Gleich
Klartext

Nach dem überenthusiastischen Geschrei von "morgen fahren ALLE elektrisch" sind wir jetzt am Punkt der Technologiekurve angelangt, an dem geschrien wird, warum das nicht geht und nie gehen wird

Manchmal erweckt die Publikationslandschaft den Eindruck, des Deutschen liebste Äußerung sei „geht nicht“. Aktuell fallen die Häufungen an „geht-nicht“-Artikeln zum Thema Elektroauto auf. Es steht prinzipiell stets dasselbe darin: Das mit den Elektroautos wird nie etwas werden, weil die Kundschaft das aktuelle Angebot zu teuer findet. Es ist unmöglich, jemals so viele Kraftwerke zu bauen, dass wir 60 Millionen Autos damit elektrisch versorgen können. Wenn die Autos nicht zu 100 Prozent Ökostrom erhalten, ist es doch auch wurscht, ob wir gleich Kohlenwasserstoffe in der Stadt verbrennen. Und so weiter. Die Antwort auf solche Gefühle sollte wie so häufig Geduld sein.

Denn wir erinnern uns ja alle noch daran, als die ersten Elektroautos auf den Markt kamen: Die Endkunden dachten, dass das ab morgen perfekt alles kann, was das alte Auto konnte, inklusive 1000 Kilometer ohne Anhalten fahren und als Jahreswagen unter 20.000 Euro kosten. Auch diese Gefühle wurden damals maßgeblich von den Publikationen befeuert. Auch damals sagten wir an dieser Stelle: „Geduld.“ Dieselbe Erinnerung scheint angebracht: Bis das Automobil mit Hubkolbenmotor sich durchsetzte, musste es enormen Widerstand überwinden und einige Absurditäten. Denken wir nur an den Mann mit der Flagge, der vor einem nachfolgenden Automobil warnen sollte. Jede Wette: Damals schrieben die Schreiber in deutschen Landen: „Das wird nie was.“ Sie listeten gute Gründe auf, alle schnell zerkaut vom Zahn der Zeit.

Was man machen kann

Am interessantesten finde ich persönlich den Einwand: „Elektroautos werden nie funktionieren, weil zu wenig Kraftwerke.“ Erstaunlich, weil doch das aktuelle Wachstum so langsam vor sich geht, dass wir bis zu aus heutiger Sicht problematischen Anteilen elektrischer Autos durchaus längst Kraftwerke mit heißer Kernfusion betreiben könnten. Und dass es egal sei, ob ein Auto Treibstoff verbrennt oder elektrisch fährt, das kann nur Leuten einfallen, die nicht in der Stadt wohnen, wo es nämlich niemandem egal ist. Mehr elektrische Antriebe verbessern lokal die Luft, selbst, wenn man den Strom fossil erzeugte. Vielleicht fällt ja auch jemandem noch was ein zum Feinstaub, der größtenteils aus Reifen und Bremsen stammt. Es könnte natürlich auch sein, dass alles nicht klappt. Der Punkt ist: Keiner weiß das heute. Und immer doof daherreden, dass alles nicht klappt, das ist genauso schädlich wie der unrealistische Überenthusiasmus zu Elektroautos vorher.

Ich denke an Uber. Ein selbstfahrendes Auto wird in einen Unfall verwickelt. Uber pausiert das Programm [1]. Deutsche Kommentatoren klatschen. Sie haben es immer gewusst: Das wird nie was. Es ist also ein Problem aufgetreten bei der Entwicklung einer neuen Technik. Deshalb soll man aufhören? Hätten unsere Vorväter solchen Ansichten angehangen, wir hätten heute nicht einmal das Rad, geschweige denn das Auto oder das Flugzeug. Ganz, ganz sicher werden ganz, ganz viele Probleme dabei auftreten, mehr Elektroautos auf die Straßen zu bringen. Das bedeutet noch lange nicht, dass es sich nicht lohnt, es zu versuchen.

Teslas banale Technik

Die Kundschaft findet also das Elektroauto zu teuer für das, was es kann. So funktioniert die Marktwirtschaft. Sicherlich werden findige Kaufleute dennoch zu jedem Entwicklungszeitpunkt ein zum Stand der Technik passendes Produkt auf die Märkte bringen. Tesla wird immer für die Technik gelobt. Aber wer hinsieht, wird sehen: Teslas Technik ist völlig banal. Deshalb konnte Musk sie auch medienwirksam jedem Konkurrenten zur Verfügung stellen.

In der Technik steckt kein Punkt, der Teslas Leben ermöglicht. Nein, es liegt an der kaufmännischen Ausführung und Positionierung der Produkte. Als der Roadster herauskam, gab es nirgendwo anders ein elektrisches Sportauto. Als das Model S herauskam, bot niemand sonst eine elektrische Oberklasse-Limousine an. Beiden Bereichen ist gemein, dass hier genügend Geld ausgegeben wird, dass die teure Batterie ins kaufmännische Konzept passt. Das war Herrn Musks gute Idee. Der Rest ist Beilage.

Vorbild Fahrrad

Zum selben Thema ein anderes Beispiel: Elektrofahrzeuge erfreuen sich im Einspurbereich schon heute größter Beliebtheit, nämlich in Form des früher als Alte-Damen-Produkt verschmähten Fahrrads mit (heute eben elektrischem) Hilfsmotor. Das ist ein Produkt, das das Beste macht aus dem Stand der Technik. Rümpfen Sie ruhig die Nase über die Dinger. Habe ich auch. Nach dem Rümpfen sollten Sie allerdings bei Gelegenheit wie ich einmal eines davon ausprobieren. Viele erst gerümpfte Nasen entspannen sich dabei. Es sollen sogar schon Ausprobierer gelächelt haben ob der sanften unsichtbaren Hand, die sie anschiebt.

Beim Überenthusiasmus führte ich die Gegenrede mit der Geduld. Beim „wird nie was!“ führe ich sie ebenso. Es gibt jedoch einen etwas schlaueren Punkt, der schon früh zum Thema Elektroauto genannt wurde, auch, aber nicht nur von Anton Hofreiter: Wenn wir alles machen wie immer, nur mit Elektroautos, dann ist das auch keine sinnvolle Lösung. Das stimmt immer noch. Deshalb steht zu hoffen, dass irgendwo in den Unwägbarkeiten der Verkehrstechnik in den nächsten Jahren ein Problem der Technik zu einer entspannenden Lösung auf den Straßen führt. Das beobachte ich dann vom Sattel meines flammneuen Damenfahrrads mit Bosch-Hilfsmotor aus.


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https://www.heise.de/-3666507

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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Uber-stoppt-Tests-autonomer-Taxis-3664859.html