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Landadels Maschine

Klassiker: Im ersten Range Rover

Autos Florian Pillau
Klassiker

Vor dem ersten Range Rover von 1970 waren Geländewagen – jedenfalls in Europa – komfortfreie Nutzfahrzeuge. Der Range Rover bot erstmals außerhalb der USA ein bisschen Luxus und einen für damalis üppigen V8. Das allerdings noch als echtes Geländefahrzeug, nicht als verweichtlichtes SUV

Der Range Rover war 1970 zwar der erste Schritt Richtung SUV – aber noch völlig anders als das, was wir heute darunter verstehen. Zuvor waren Geländewagen – jedenfalls in Europa – reine Arbeitsgeräte mit dem Komfort von Landmaschinen. Der Range Rover verband als erstes Geländefahrzeug außerhalb der USA Luxus und einen für damalige Verhältnisse üppigen V8. Dabei blieb er allerdings ein hoch geländetaugliches Fahrzeug mit Leiterrahmen, zwei Starrachsen und Geländeübersetzung. Wir fuhren ein Exemplar aus der ersten Serie.

Es ist einer der ersten Range Rover aus dem Jahr 1971, deswegen mit dem „Suffix A” im Namen. Damals gab es, angeblich aus Geldmangel bei der Entwicklung, nur Zweitürer. Viertürer wurden erst ab 1980 angeboten. Seine großflächige Verglasung mit der steil stehenden Windschutzscheibe und die kastenförmige Karosserie sind dem Einsatzzweck als Geländefahrzeug geschuldet. Die Übersicht ist phantastisch – vor allem verglichen mit den neumodischen Schießscharten-SUV. Dass eine der Funktion verpflichtete Gestaltung fast zwangsläufig zu gutem Design führt, unterstreicht die Ausstellung der Karosserie des Range Rover in den frühen Siebzigern im Louvre – als Musterbeispiel für Industriedesign.

Führung und Federung getrennt

Seine Geländetechnik wurde weitgehend vom Land Rover abgeleitet, der damals noch nicht Defender hieß. Das bedeutet, er behielt den vom Land Rover bekannten Nutzfahrzeug-Leiterrahmen mit zwei starren Achsen, was ihm eine überlegene Durchsetzungsfähigkeit im Gelände garantierte. Allerdings wurde die Konstruktion durch zwei wesentliche Details stark aufgewertet: Erstens wurden die Achsen nicht mehr an Blattfedern gleichzeitig geführt und gefedert. Vielmehr waren sie an je zwei Längslenkern und einem Panhardstab aufgehängt und bekamen Schraubenfedern.

Zweitens bekam der Wagen ein drittes, sperrbares Differenzial im Verteilergetriebe für permanenten Allradantrieb. Ohne Sperre wäre er unvollständig, denn wegen des zusätzlichen mittleren Differenzials kann die ganze Antriebskraft verlorengehen, wenn nur ein Rad die Haftung verliert. Die aufwendigere Achsaufhängung sollte ein exakteres Handling und mehr Komfort im Straßenbetrieb bieten, der permanente Allradantrieb eine gesteigerte Fahrsicherheit mit einer verbesserten Wendigkeit im Gelände verbinden. Große Teile dieses Konzepts fanden sich im 1979 erschienenen Mercedes bzw. Puch G [1] von Daimler-Benz und Steyr-Daimler-Puch – nicht aber der permanente Allradantrieb.

Tatsächlich kann man das feinfühligere Ansprechen der Schraubenfederung schon beim Einsteigen spüren: Im Gegensatz zu einem Blattfeder-Landrover reagiert sie bereits auf die Gewichtsunterschiede beim Ein- und Aussteigen. Die weiche Federung ist in erster Linie ein Tribut ans schwere Gelände. Ihre langen Federwege und weich ausgelegte Stabilisatoren ermöglichen beste Traktion auf stark verworfenem Terrain.

Komfortabel mit Schräglage

Auf der Straße bewegt sich der Range dadurch komfortabel, aber mit gewöhnungsbedürftig starker Schräglage und deutlichem Rollen und Wanken. Während der Fahrt hält das Eigenlenken der Achsen bei ihrem Ein- und Ausfedern den Wagen in ständiger, leichter Unruhe. Mit einem Suffix A-Range Rover gleitet man daher lieber, entschleunigt und entspannt. Gemessen am heutigen Standard klingt der 3,5-Liter-V8 laut und mechanisch, doch verglichen mit einem fast ungedämmten Vierzylinder-Landy war er damals natürlich ganz weit vorn im Geräuschkomfort. Das maximale Drehmoment von 250 Nm bei 3000/min darf man keinesfalls mit dem moderner Motoren gleichen Hubraums vergleichen, die Leistung beläuft sich auf 132 PS bei 5000/min. Ein Praxisverbrauch von 16,5 Litern Benzin auf 100 km ist angesichts der Vergaser moderat, mit der später eingesetzten Einspritzung sank er sogar ein wenig.

Der im ursprünglichen Bahama Gold lackierte Luxus-Allradler befindet sich in erstaunlich gutem Zustand, waren doch die ersten Baureihen dafür bekannt, an allen möglichen Stellen zu rosten. Doch dieser Range Rover hat die meiste Zeit seines Autolebens in der heißen, trockenen Luft Australiens verbracht.

Sein heutiger Betreuer Michael Bishop verliebte sich Anfang der 2000er im Verkehrsgewühl von Melbourne auf den ersten Blick in dieses Auto, doch verlor er den Dreitürer aus den Augen und damit jede Hoffnung, den Klassiker sein eigenen nennen zu können. Der Zufall brachte die beiden wieder zusammen: „Einen Monat später habe ich ihn in einer Seitenstraße in Port Melbourne wiedergesehen”, erinnert sich Michael, der sich heute um die klassischen Range Rover Modelle in der englischen Firmenzentrale kümmert.

Der Besitzer, ein Inhaber eines Off-Road-Shops hatte das Fahrzeug zu einem Show-Car umgebaut: Mit großen Rädern und Autogasantrieb sollte sich der Range den Rest seiner Tage über Stock und Stein quälen. Bishop wollte das Auto um jeden Preis haben und musste damals beachtliche 1000 Australische Dollar für den Klassiker bezahlen. „Der Mann wusste schon, was der Range Rover wert war”, erinnert er sich.

Vom klaglosen Daily Driver zum Museumsstück

Doch der Deal klappte und der Range Rover wurde zurück in seine ursprüngliche Heimat und von Bishop wieder auf Originalzustand gebracht. Danach nutzte er ihn als klaglos arbeitenden Daily Driver. Heute ist das Auto Teil der klassischen Range Rover Sammlung im Hauptquartier in Coventry. Michael Bishop hat es an seinen Arbeitgeber verkauft und wenn er einem Glücklichen, der diesen Klassiker bewegen darf, die Fein- und Eigenheiten des Autos erklärt, merkt man, wie ihm dieser Wagen immer noch am Herzen liegt.

Er weiß auch, dass vergleichbare Autos schon lange nicht mehr produziert werden. Für die Industrie hat sich das damals bahnbrechende Konzept sehr gelohnt, SUVs sind seit Jahren gefragt – nur eben nicht mehr als vollwertige Geländefahrzeuge. Während andere die Geländetechnik immer weiter herunterfuhren und am Ende oft ganz wegließen, hat Land Rover die Kombination aus „hochgelängegängig” und „exklusiv komfortabel” konsequent weiterentwickelt [2]. Auf der Strecke blieb beim Range Rover nur die Nutzfahrzeugtechnik.


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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/35-Jahre-Mercedes-G-Bildergalerie-zur-Geschichte-des-Gelaendewagens-2457029.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Erste-Ausfahrt-Range-Rover-Velar-First-Edition-P380-3780766.html