zurück zum Artikel

Nachtschattengewächs

Klassiker: Opel 18 B Moonlight Roadster von 1933

Fahrberichte pressinform / Opel
Opel  Moonlight Roadster 1933

„Moonlight Roadster” als Beiname für ein deutsches Auto? Obwohl der 1,8-Liter-Opel nie dort verkauft wurde, bekam der 18 B als Cabrio den damals populären Gattungsbegriff aus der Prohibitionszeit der USA. Das kleine Cabrio ist ein sonderkarossierter Opel 18 B, einer der ersten leistbaren Sechszylinder

„Moonlight Roadster” als Beiname für ein deutsches Auto? Obwohl der 1,8-Liter-Opel nie dort verkauft wurde, bekam der 18 B als Cabrio der Karosseriebaufirma Deutsch den Gattungsbegriff aus den USA der 30er Jahre. Einer Zeit als Alkoholtrinken während der Prohibition offiziell verboten war und die legendäre Mafiosi wie „Scarface” Al Capone reich machte.

Als damals die Zollbeamten die Grenzübergänge zwischen den USA und Kanada mit Schlagbäumen dichtmachten, dachten sie an Fuhrwerke und Lastwagen. Nicht aber an Roadster, mit denen die Schmuggler nachts dank ihrer niedrigen Bauweise einfach unter den geschlossenen Grenzbäumen durchfuhren. „Moonlight Roadster” wurde in den 30ern so zum leicht verruchten Lifestyle-Beinamen für niedrige Cabrios, auch wenn die Vorbilder aus den Staaten deutlich besser motorisiert waren.

Über das Trittbrett und hinten angeschlagene Türen entert man das Cockpit und sinkt in die bequemen roten Ledersitze. Das Holzlenkrad liegt dank des dicken Kranzes und des überraschend geringen Durchmessers gut in der Hand. Fuß auf die Bremse und Zündschlüssel drehen. Mit einem leichten Schütteln erwacht der Reihensechszylinder. Durch den Vergaser saugt der Motor gierig Luft vorbei an seinen stehenden Ventilen in die sechs Zylinder.

Entspannt mit Sportgetriebe

Klack, der erste Gang ist drin. Kupplung kommen lassen und schon rollt der Opel Roadster geschmeidig an. Der Oldtimer lässt sich erstaunlich entspannt und unproblematisch bewegen. Klack. Zweiter Gang. Das Dreiganggetriebe lässt sich leichtgängig schalten, man darf nur nicht vergessen, dass der erste Gang unten links ist, wie es sich noch heute für ein sportliches Fahrzeug (oder einen Lastwagen) gehört. Drei Gänge reichen aus, wenn ein Motor so elastisch ist wie der kleine Sechszylinder. Opel blieb – etwa beim Kapitän – noch bis 1964 bei drei Gängen.

Das Fahren in diesem 86 Jahre alten Wagen fühlt sich nicht so unmodern an, wie man meinen möchte, trotz des schlichten Aufbaus mit Presstahl-Leiterrahmen, blattfedergeführten Achsen, Schnecken-Segment-Lenkung und Seilzug-Trommelbremsen. Immerhin hat der Wagen schon hydraulische Stoßdämpfer sowie eine mittragende Karosserie (wie später der Volkswagen oder noch später der Renault R4).

Der gemeinsam mit GM entwickelte Opel 18 B war damals ein großer Wurf, ein leistbarer Sechszylinder annähernd zum Preis eines Vierzylinders und damit Vorbild für Opels folgende Reihensechser bis in die Wirtschaftswunderzeit. Die Berliner Börsenzeitung schrieb Anfang 1931: „Sensationelle Ankündigungen sind im Automobilhandel recht häufig, wirkliche Sensationen dafür umso seltener. Das Erscheinen des neuen 1,8 Liter. Opel-Wagens ist eine der ganz großen, wie sie oft fünf oder mehr Jahre auf sich warten lassen.”

Downsizing dank Wirtschaftskrise

Ein sämig drehender Reihensechszylinder mit 1,8 Liter Hubraum, 34 PS kombiniert mit lediglich rund 900 Kilogramm Gewicht vermittelt Spaß am Vortrieb. Downsizing ist keine Erfindung der Moderne. Im Opel Roadster arbeitet ein explizit wegen der Weltwirtschaftskrise verkleinerter GM-Motor. Die dadurch verringerten Massen- und Gaskräfte tragen zum seidenweichen Laufverhalten genauso bei wie das leicht unterquadratische Bohrungs-Hub-Verhältnis. Das Aggregat ist ein Derivat der 1931 eingeführten Motorengeneration mit zunächst 32 PS.

Die Modellpflegemaßnahmen brachten technische Aufwertungen. Die sich damals ausbreitenden Leichtmetallkolben [1] ermöglichten durch ihre bessere Wärmeabfuhr eine höhere Verdichtung. Größere Einlassventile und ein voluminöserer Vergaser tragen zur Verbesserung des ohnehin beeindruckenden Sprintvermögens bei. Man darf auch heute von einem elastischen Motor sprechen, wenn das höchste Drehmoment bereits bei 1000/min anliegt und die Nennleistung erst bei 3200.

Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis

Die Scheinwerfer leuchten aus verchromten Halbkugelgehäusen die Straße deutlich besser aus als manche Funzeln bei Fahrzeugen, die 20 Jahre jünger sind. Ob das gute Licht Teil des Sonderausstattungspakets „Chicago” war, konnte uns keiner der Opel-Experten verraten. Für die stattliche Summe von 3895 Reichsmark bekam man ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Ein angenehm zu fahrendes, zuverlässiges, wirtschaftliches Auto mit steil im Wind stehenden Chrom-Kühlergrill, geschwungenen Kotflügeln und einem sanft ausschwingenden Heck. Die Sonderausstattung mit roten Felgen und die Zierstreifen waren Anfang der 1930er der letzte Schrei.

Normalerweise war der 18 B ein weniger spektakulär aussehender Viersitzer mit einer zaghaften Aerodynamisierung. Opel warb mit „starker Verringerung des Luftwiderstands, an gewölbten, glatten Außenwänden entlang, wird der auftretende Luftstrom nahezu reibungslos geleitet”. Die Allgemeine Automobilzeitung aus Österreich vom 1. August 1932 schreibt der Karosserieform zudem eine „wesentlich günstigere Raumausnutzung” zu.

Nur drei Stück überlebten

Das galt so allerdings nur für die Serienkarosserie. Der im Vergleich zur Limousine auf der ersten Blick fast altmodisch wirkende Roadster hingegen hatte allerding bereits ein Heck mit Abrisskante, wie es erst in der 60er-Jahren modern wurde. Gefertigt wurde der rare Roadster von der Firma Deutsch in Köln unter Verwendung des Leiterrahmens und der technischen Basis von Opel. 51 Exemplare des schicken Cabrios wurden gebaut, es existieren nur noch drei – eines davon im Besitz von Opel.

Es hat zum Glück gar nichts von den modernen rollenden Aquarien, die die Umwelt so gut wie möglich aussperren. Der Wind pfeift dank der besagten minimalistischen Frontscheibe um den Kopf und über ein modernes Windschott hätten Al Capone und sein Nachfolger Frank Nitti so lauthals gelacht, dass das Pistolenhalfter gezittert hätte.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-4339585

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Eisern-sparen-Stahlkolben-fuer-Pkw-Dieselmotoren-1283789.html