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Chinesen wollen neben Volvo eine weitere Auto-Ikone kontrollieren

London Taxis: Geely greift nach dem Traditionswerk

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Mit über Jahrzehnte kaum geänderten Methoden baut "London Taxis International" (LTI) die berühmten Black Cabs in Coventry, doch weiten sich die Verluste aus. Die chinesische Geely will die Mehrheit am Unternehmen und plant Einschnitte

London (England), 23. März 2010 – Es steht schlecht um Londons Markenzeichen. Die roten Telefonhäuschen gammeln ihrem sicheren Verfall entgegen, die urigen Routemaster-Doppeldeckerbusse, die einst das Stadtbild prägten, verkehren nur noch auf Touri-lastigen Teilstrecken und jetzt das: Die typischen Londoner Taxis werden immer chinesischer. Zunehmend mehr Teile für die sogenannten Black Cabs werden in China gefertigt. Und bald schon könnte der chinesische Autokonzern Geely die Kontrolle bei der Firma Manganese Bronze Holdings plc übernehmen, unter deren Dach sich die Firma London Taxis International (LTI) befindet. LTI ist einer der letzten eigenständigen britischen Autobauer und ist auf der Insel der einzige verbliebene Hersteller der weltberühmten Kraftdroschken.

Millionenverluste

Doch Manganese geht es nicht gut. Infolge der Wirtschaftskrise werden auch weniger Taxis verkauft, kostet das aktuelle Modell TX4 [1] doch umgerechnet bis zu 40.000 Euro. Vergangenes Jahr machte das Unternehmen aus dem mittelenglischen Coventry einen Verlust von 7,5 Millionen Pfund (rund 8,3 Millionen Euro). Und Geely – die in Kürze den Kauf der schwedischen Pkw-Marke Volvo abschließen [2] dürften – hält ohnehin schon einen Anteil an Manganese und produziert in Shanghai bereits Black Cabs für den chinesischen Markt. Damit wieder Geld in die Kassen kommt, hat Manganese den Chinesen angeboten, ihren Anteil auf 51 Prozent zu erhöhen.

Hoffen auf einen Glücks-Griff

Geely bedeutet so viel wie "Glück" – und darauf hoffen nun auch die Briten. "Wir schreiben Verluste und können uns nicht darauf verlassen, dass unsere Anteilseigner das Geschäft finanzieren", erläuterte Mark Fryer, Finanzdirektor bei Manganese.

London Taxis: Geely greift nach dem Traditionswerk

Ausverkauf der Traditionsmarken

Zwar klagte die britische Presse schon über den Verlust eines weiteren Nationalheiligtums. Sind doch schon alle bekannten britischen Traditions-Automarken in ausländischer Hand. Mini und Rolls-Royce gehören zu BMW, Bentley zu VW. An der Sanierung von Jaguar und Land Rover versucht sich der indische Tata-Konzern, und Aston Martin ist nach einem Aufenthalt bei Ford an ein internationales Investorenkonsortium gegangen. Auch die LTI-Werker, die die Taxis seit 1948 mit über die Jahrzehnte hinweg kaum geänderten Maschinen und Methoden fertigen, müssen sich auf harte Einschnitte gefasst machen. Dem Guardian zufolge wird der Traditionsstandort Coventry [3] zum Montagewerk degradiert, Chassis und Karosserieteile sollen künftig aus Shanghai angeliefert werden, als Folge gehen demnach 60 LTI-Jobs verloren. Schon kursieren Befürchtungen, dass dies der Anfang vom Ende für den Standort Coventry ist.

Krise treibt Pendler in die "Tube"

Doch unter Taxifahrern überwiegt der Realitätssinn. "Es ist schlecht für unser Land. Aber was wird schon noch in unserem Land gebaut? Fast alles kommt aus China", sagt Eddie Whitman. Und die Geschäfte laufen sowieso nicht gut. "Jeder hat mindestens 30 Prozent verloren. Die Leute fahren U-Bahn. Es ist einfach billiger, sich an die Ellbogen des anderen zu quetschen." Und auch die Mini-Cabs – Taxis, die vorbestellt werden müssen und billiger sind als die Fahrt im Black Cab – machen den traditionellen Taxifahrern das Leben schwer.

Vito macht dem Cab das Leben schwer

Ungemach für die Black Cabs rollt zu all dem auch noch aus Deutschland an: Die Taxi-Version des Mercedes Vito ist immer häufiger auf Londons Straßen zu sehen. Doch wie ein Design-Klassiker sieht der Van nicht aus, und über den ästhetischen Anspruch lässt sich deshalb streiten. "Der ist doch irgendwie hässlich", sagt Norman James, Vollblut-Taxifahrer seit 30 Jahren und Besitzer eines "richtigen" Black Cabs, "die Touristen fahren damit auch nicht so gerne". Und auch sein Kollege Eddie will auf jeden Fall dem Traditionsmodell treu bleiben: "Das ist das Original. Das ist die Ikone!" (Annette Reuther, dpa)


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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Das-neue-London-Taxi-LTI-TX4-im-Fahrbericht-496787.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Magna-will-Karmann-Dachsparte-uebernehmen-961671.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Taxibau-Wie-das-TX4-in-Handarbeit-ensteht-793222.html