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Viersitzer will mit Warmluft-Düsen und neuartigem "Aircap" verwöhnen

Mercedes E-Klasse Cabrio: Erste Fahreindrücke

Fahrberichte rhi

Viersitzige Cabrios mit Stoffkäppi haben bei Mercedes eine lange Tradition. Nun gibt es erstmals seit 1997 wieder eine offene E-Klasse. Der Viersitzer lockt mit Warmluft für den Nacken und neuem "Aircap"

Palma (Spanien), 11. März 2010 – Es hat wirklich seinen Reiz, die Landschaft Mallorcas in einem Mercedes-Cabrio aus den 1960ern zu erkunden, anerkennende Blicke oder gar spontanes Fachsimpeln mit anderen Autofahrern beim Ampelstopp sind einem in einem offenen "W 111" fast sicher. Doch nicht der gediegene Youngtimer ist der Grund für unseren Ausflug auf der Deutschen liebsten Ferieninsel. Wir sind hierher gekommen, um seinen entfernten Nachfahren, das neue Cabrio der E-Klasse, unter die Lupe zu nehmen.

Schalten und schalten lassen

Zunächst stehen wir vor der Qual der Wahl, was die Motorenfrage angeht. Mercedes bietet den offenen E in sieben verschiedenen Motorosierungen an, davon drei Diesel und vier Benziner. Auf einen Allradantrieb oder eine scharfe AMG-Version muss indes vorerst noch verzichtet werden. Die Versionen 220 CDI, 250 CDI und 200 CGI werden serienmäßig mit einem Sechsgang-Schaltgetriebe ausgeliefert, der CGI weist sogar eine Start-Stopp-Funktion auf. Wir entscheiden uns für ein Automatikgetriebe, so wie es nach Einschätzung von Mercedes 80 Prozent der Cabrio-Kunden machen werden. In unserem 250 CGI sind fünf Schaltstufen an Bord.

Länge läuft

Bei der ersten Begegnung mit dem Auto sind wir angenehm überrascht, denn der Mercedes sieht eleganter aus als auf den Bildern. Mit 4,70 Meter ist das Cabrio exakt so lang wie sein Coupé-Bruder und teilt sich mit diesem den technischen Unterbau. Obwohl der offene Benz vom Hersteller als erstes E-Klasse-Cabrio seit 1997 angepriesen wird, ist das nicht die ganze Wahrheit. Gut die Hälfte der Technik stammt von der E-Klasse, aber rund 30 Prozent auch von der C-Klasse. Wie auch immer, optisch ist das Fahrzeug klar als E zu identifizieren, dafür sorgen die markante Blechfalte über den Hinterrädern und das Vieraugen-Gesicht. Geschmackssache ist jedoch der recht wuchtige Kühlergrill mit integriertem Stern.

Mercedes E-Klasse Cabrio: Erste Fahreindrücke

Geteilter Platz

Beim neuen E-Klasse-Cabrio hat sich Mercedes für ein Stoffverdeck entschieden. Trotzdem steht die Windschutzscheibe relativ flach, ganz als ob zunächst ein Stahlklappdach geplant worden wäre. Auf Nachfrage wird jedoch mit Nachdruck betont, dass eine Blechmütze nie zur Debatte gestanden habe, vielmehr seien es aerodynamische Gründe, die die flache Scheibe bedingen. In der Tat hat das Modell einen sehr günstigen cW-Wert von 0,28. Vor dem Start lernen wir aber zunächst die Tücken des Kofferraums kennen: Bei geschlossenem Verdeck passen 390 Liter hinein, unsere Koffer finden mühelos Platz. Problematisch wird es erst beim offenen Fahren. Hier schrumpft das Volumen des Gepäckabteils auf 300 Liter. Das klingt immer noch ordentlich, doch es muss ein schwenkbares Rollo nach unten gezogen werden, damit das Verdeck an seinen Platz findet. So wird der nutzbare Raum deutlich eingeschränkt, nur mit Müh und Not bekommen wir unsere Sachen noch unter.

Kommod cruisen

Nun ist die Zeit gekommen, um den Stoffhut elektrisch zu öffnen. Laut Mercedes dauert das nur 20 Sekunden, gefühlt erscheint uns der Zeitraum jedoch länger. Die Bedienung erfolgt über einen Hebel, der sich unter einer Klappe vor dem Drehknopf des Infotainment-Systems befindet. Unter der Motorhaube flüstert der Benzindirekteinspritzer, der anschaulich den Fortschritt der letzten Jahrzehnte zeigt. Der eingangs erwähnte W 111 brauchte als 280 SE 3.5 noch einen Achtzylinder mit 3,5 Liter Hubraum, um 200 PS zu erzeugen. Beim 250 CGI reicht für 204 PS dank Turboaufladung fast die Hälfte, nämlich 1,8 Liter Hubraum und vier Zylinder. Sehr laufruhig zieht das Aggregat den Mercedes voran, beim entspannten Cruisen macht die Automatik ihren Job gut. Erst beim Gasgeben stoßen die fünf Stufen an ihre Grenzen. Will man in den offiziell angegebenen 7,8 Sekunden auf 100 km/h beschleunigen, werden die Gänge weit ausgedreht, was zu Lasten der Geräuschkulisse geht. Deutlich diskreter arbeitet die 7G-Tronic, doch den Siebengang-Automaten gibt es nur für die Sechszylinder. Sehr gut gelungen ist die Federung, die lediglich auf schweren Querfugen Stöße in den Innenraum weiterleitet. Etwas indirekt ist hingegen die Lenkung ausgelegt, zudem dürfte die Bremse etwas feiner dosierbar sein. Im Fond findet man im Vergleich zu anderen Cabrios ausreichend Platz vor, aufgrund der recht knapp kalkulierten Beinfreiheit kommen zu viert trotzdem maximal Mittelstrecken in Betracht.

Spoiler für die Scheibe

Das Mercedes E 250 CGI Cabrio folgt der Devise "Reisen statt Rasen". Für viel Komfort sorgt nicht nur die sehr verwindungssteife Karosserie, sondern auch zwei Neuerungen. Weiter verfeinert wurde der "Airscarf", übersetzt "Luftschal". Im Jahr 2004 brachte Mercedes die Nackenheizung erstmals auf den Markt. Nun können Fahrer und Beifahrer die Ausströmerdüse auch nach oben und unten schwenken. Aktiviert wird der warme Luftstrom über eine Taste in der Mittelkonsole des klar gegliederten und qualitativ hochwertigen Armaturenbretts. Für noch mehr Komfort gibt es nicht nur ein Windschott zwischen den ausfahrbaren Kopfstützen der Rücksitze, sondern auch das "Aircap". Die "Luftmütze" ist ein um 6 Zentimeter ausfahrbarer Windabweiser oberhalb der Frontscheibe, aktiviert wird dieser per Knopfdruck.

Mercedes E-Klasse Cabrio: Erste Fahreindrücke

Angenehme Akustik

Während unserer Insel-Tour haben wir es ausführlich verglichen: Schon ohne Aircap lässt es sich gut aushalten, mit Aircap sinkt der Geräuschpegel noch etwas. Die Abnahme des Windzugs ist für die vorderen Passagiere indes nicht so signifikant spürbar, laut Mercedes merken dies die Insassen im Fond eher. Auffallend ist die Verlagerung der Windgeräusche: Ohne Aircap zieht es an den Seitenscheiben, mit Aircap ist auf Höhe des Beifahrers ein leichtes Wummern am Rahmen der Frontscheibe vernehmbar. Zur Ehrenrettung des Systems ist aber anzumerken, dass seit Beginn unseres Auflugs böige Winde herrschten – erste Vorboten der Schneemassen, die die Baleareninseln mitten im März in winterliches Weiß hüllen sollten. An unserem zweiten Tag auf der Insel regnet es schon in Strömen, das Verdeck bleibt zu. Serienmäßig weisen alle E-Klasse-Cabrios ein Akustik-Verdeck auf. Die 23,5 Millimeter dicke Stoffhaube macht in der Praxis ihrem Namen alle Ehre. Im Innenraum bleibt es sehr leise, nur der auf die Windschutzscheibe prasselnde Regen stört die Ruhe.

Teure Feinkost

Der Blick in die Preisliste belegt, dass die Cabrios der E-Klasse vor mallorquinischen Fincas gut aufgehoben wären – gut betucht sollten die Käufer auf alle Fälle sein: Das im Juni 2010 kommende Einstiegsmodell E 200 CGI mit Schaltgetriebe steht mit 45.815 Euro in der Liste, der zum Verkaufsstart am 27. März 2010 erhältliche 250 CGI kostet inklusive Automatik 49.861 Euro. Zwar kann sich die Serienausstattung mit sieben Airbags (darunter neue Headbags in den Türen), einem CD-System, vier elektrischen Fensterhebern und einer Klimaautomatik sehen lassen. Doch wie bei der Marke mit dem Stern üblich, steht eine umfangreiche Aufpreisliste zur Lektüre bereit. Dort finden sich das Aircap für 821 Euro und der Airscarf für 547 Euro. Beide gibt es auch zusammen im so genannten Komfortpaket für 1249 Euro. Des Weiteren lassen viele weitere Extras den Preis weiter in die Höhe schnellen. Sehr deftig fällt der Navi-Aufpreis aus: Hier ist unter 1499 Euro nichts zu machen. Wo steht im Vergleich zum Mercedes die deutsche Konkurrenz? Audi ruft für das stoffbedachte A5 Cabrio 2.0 TFSI multitronic mit 211 PS 45.450 Euro auf, BMW gibt das kürzlich geliftete 325i Cabrio mit 218 PS, Automatik und Blechmütze für 48.540 Euro ab.


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