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Der neue Mercedes GLE 400 4matic im Fahrbericht

Alternative Zündung

Fahrberichte Stefan Grundhoff
Mercedes

Ein großvolumiger Benziner in einem SUV mutet exotisch an, doch es durchaus Gründe für so eine Kombination, wie eine Ausfahrt mit einem Mercedes GLE 400 4Matic eindrucksvoll zeigt

München, 3. November 2015 – Ob das schlechte Gewissen, ein umweltpolitisch nicht ganz korrektes Auto fahren zu wollen, eine Rolle dabei spielt, dass hierzulande eine überwältigende Mehrheit aller SUV mit Dieselmotor geordert wird? Schließlich lässt sich so meistens der Verbrauch in halbwegs zivilen Bahnen halten. Losgelöst von diesen Überlegungen gibt es natürlich reizvolle Benziner auch im SUV. Der aufgeladene Dreiliter-Sechszylinder im BMW X5 darf dazu ebenso gezählt werden wie der brandneue Dreiliter-V6 im Mercedes GLE. Mit ihm waren wir unterwegs.

Rund um den modernen V6-Benziner gibt es das bekannte ML-Konzept, mit optischen Feinheiten und einem neuen Innenraum zum Nachfolger GLE erhoben. Platzangebot, Verarbeitung, und Bedienung sind abgesehen von dem nicht intuitiv zu bedienenden Dreh-Drück-Steller mit Touchfläche vorbildlich. Schlecht: Die hinteren Kopfstützen sind zu klein und lassen sich auch nicht ausreichend verstellen – das bekommen andere Hersteller deutlich besser hin. Der Laderaum fasst zwischen 690 und 2010 Liter – diesseits eines Vans sind das gigantische Werte. Wer besonderen Wert auf Komfort legt oder öfter mit schwerer Beladung oder Anhängern unterwegs ist, sollte sich für die sinnvolle Luftfederung entscheiden. Noch besser wird das Paket mit der aktiven Wankstabilisierung, die allerdings stolze 3748 Euro Aufpreis kostet.

Pro und Contra Benziner

Der neue Antrieb liefert auf die innereuropäisch schwache Resonanz auf starke Benziner in einem SUV ein paar kräftige Argumente – in beide Richtungen. Zunächst einmal bietet Mercedes in dieser Leistungsklasse keinen Selbstzünder an, was sich im kommenden Jahr ändern dürfte. Daran wird auch die aktuelle Abgas-Affäre nichts ändern, auch wenn sie vermutlich nicht ohne politische Folgen hinsichtlich der Diesel-Subventionierung bleiben wird. Die Motorenpolitik der Hersteller ist längerfristig angelegt, schnelle Reaktionen auf Ereignisse wie die Abgas-Manipulation bei Volkswagen sind selten und teuer. Der Mercedes GLE 400 4matic macht schon mit seinen Leistungsdaten Appetit auf einen Diesel-Verzicht. Der aufgeladene V6-Benziner holt aus seinen drei Litern Hubraum 333 PS. Das maximale Drehmoment von 480 Nm liegt zwischen 1600 und 4000/min an. Das gibt es ganz nebenbei ohne das nervige Schütteln und Rasseln, das einem der GLE 250d mit seinem 204 PS starken Vierzylinder zumutet. Die angenehm lässige Kombination aus engagiertem Tatendrang und seidenweichem Lauf eines Sechszylinders beeindruckt noch immer. Auch mit der schweren Karosserie wirkt der Antriebsstrang jederzeit wunderbar entspannt.

Dabei glänzt der 400er-Motor mit einer Leistungsentfaltung, die besonders ab mittleren Drehzahlen nennenswerte Unterschiede zu den meisten Dieselmotoren bietet. Wo die meisten Selbstzünder die nächste Übersetzung anwählen müssen, um neuen Schub nachlegen zu können, bleibt der Benziner länger in einem Gang. Der Kraftfluss bleibt so länger ununterbrochen. Selbst bei 160 oder 180 km/h geht es mit einem Tritt auf das rechte Pedal spürbar nach vorn. Gefühlt bleibt der Eindruck: Wer hier mithalten will, muss schon ordentlich etwas mitbringen.

Wer dieses Potenzial auch nur ansatzweise ausschöpft, kann sich von Verbrauchswerten unter 10 Litern gedanklich lösen. Die NEFZ-Angabe liegt bei rund 9 Litern, bei unserer Ausfahrt waren es eher 12. Dabei waren gelegentliche Ausflüge mit hohem Tempo ebenso dabei wie zurückhaltend absolvierte Abschnitte. Dass es insgesamt nicht weniger ist, liegt auch an der Siebengang-Automatik, die sich bei Berg- und Talfahrten immer wieder einmal mit der rechten Wahl der Übersetzung schwer tut und bei den modernsten Getrieben mit acht oder neun Gängen nicht immer mithalten kann. Vor allem der Verbrauch ist es letztlich natürlich, der den Dieselmotor in so einer wuchtigen Umgebung sinnvoll erscheinen lässt. Mit etwas Disziplin sind schließlich auch in so einem Koloss Werte deutlich unterhalb von 10 Litern machbar. Genau das macht es einem exzellenten Benziner wie dem Mercedes GLE 400 4matic dann schwer, sich in die Herzen der europäischen Kundschaft zu fahren.

Der Preis: Nebensächlich!

Den Mercedes GLE 400 4matic gibt es ab 60.928 Euro. Die Serienausstattung treibt einem jedoch die Tränen in die Augen. Selbst Kleinigkeiten wie Sitzheizung oder Digitalradio müssen teuer bezahlt werden, von einer standesgemäßen Ausstattung mit Ledersitzen, Navigation und LED-Scheinwerfern ganz zu schweigen. Mit nur wenigen Extras, die schon im Interesse des Weiterverkaufs in ein paar Jahren kaum ein Kunde nicht ordern wird, sind 70.000 Euro rasch überschritten. Ernstlich schrecken wird das kaum einen GLE-Käufer, denn fast alle sind im Erstbesitz geleast. Und der Rest, der solche Fahrzeuge bar bezahlen oder mit Raten finanzieren kann, wird wegen ein paar Tausend Euro mehr kaum in eine finanzielle Schieflage geraten.


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