zurück zum Artikel

Mit dem Lexus RC F auf der Piste: So fährt der BMW M4-Wettbewerber aus Japan

Saugschnell

Fahrberichte Import User

Im Reich der teutonischen Kraftmeier BMW M4, Mercedes C 63 AMG oder Audi RS 5 zeigt sich das Hauptproblem des Power-Coupés. Egal wie viel Arbeit man ins Design oder die ausgefuchste Technik gesteckt hat, am Ende wollen alle nur eins wissen: Ist er schneller als der M oder der AMG?

Ronda (Spanien), 16. Dezember 2014 – Obwohl der neue Lexus RC F etwas überzeichnet wirkt, ist er ein reichlich scharfes Stück Blech. Einige wollen sogar etwas vom glorreichen LFA in ihm erkennen. Im Reich der übermächtigen teutonischen Kraftmeier BMW M4 [1], Mercedes C 63 AMG [2] oder Audi RS 5 zeigt sich das Hauptproblem des japanischen Power-Coupés.

Egal wie viel Arbeit man ins Design oder die ausgefuchste Technik gesteckt hat, am Ende wollen alle nur eins wissen: Ist er schneller als der M oder der AMG? Uns hat auf dieser Ausfahrt allerdings mehr der gesamthafte Charakter interessiert.

Die ehrgeizigen Ingenieure um Chefentwickler Yukihiko Yaguchi sehen ihr neues Baby durchaus auch auf der Rennstrecke. Im Normalfall hat man die Auswahl zwischen den Fahrmodi Normal, Eco, Sport S und Sport S+, was sich auf Gasannahme, Fahrwerk und Fahrdynamik auswirkt und durch die Grafik der Instrumente visualisiert wird. Dazu kommen die ESP-Stellungen Normal, Off und Expert, wobei Expert so gut wie alles an Driftwinkeln zulässt, was den RC F nicht um die eigene Achse drehen lässt. Das erscheint ziemlich praktisch.

Das verrückteste Huhn unter den Fahrprogrammen

Ersetzt man das serienmäßige Torsen-Sperrdifferenzial an der Hinterachse durch das aufpreispflichtige Torque-Vectoring-Differenzial, kriegt man erstens ein cleveres Stück Technik mit zwei E-Motoren, die auf der Hinterachse sitzen und das Rad mit mehr Traktion mit mehr Kraft versorgen. Und zweitens darf man sich über weitere drei Modi (Standard, Slalom, Track) freuen. Das verrückteste Huhn unter den Fahrprogrammen dürfte allerdings nicht wie erwartet eine wilde Sport S+-Track-Expert-Kombination, sondern viel mehr der Eco-Modus sein. Hier verfällt der Motor des RC F tatsächlich vom Otto- in den asketischen Atkinson-Zyklus, was man sofort an einer völlig kastrierten Gasannahme und Leistungsabgabe merkt.

Ja, es gibt ihn noch, den großvolumigen V8-Sauger, auch wenn dieser vom anderen Ende der Welt geholt werden muss! Im RC F hat das Aggregat fünf Liter Hubraum und stammt im Prinzip aus der IS F-Limousine. „Im Prinzip“ bedeutet: Der Block ist der gleiche, so gut wie alles andere ist neu. Das führt zu ziemlich vielversprechenden 477 PS und 530 Nm Drehmoment, die bei 4800/min anliegen. Ist eben ein Saugmotor. Die Maximaldrehzahl beträgt 7300 Touren. Der ebenfalls nicht aufgeladene V8 im Audi RS 5 ist ihm am ähnlichsten, er holt aus 4,2 Litern 450 PS und muss dazu mit 8250/min noch höher drehen, seine 430 Nm liegen zwischen 4000 und 6000/min an.

Lexus schickte uns für die Präsentation des RC F auf die traumhaft schöne und relativ anspruchsvolle Strecke nach Ascari, einen perfekten Ort also, um den RC F auszuprobieren. Als gnadenloses Rennstreckentier wird er aber eher nicht in die Geschichte eingehen, denn er ist mit über 1800 Kilogramm schlicht zu schwer und das merkt man auch. Traktion und eine gute Balance beim Anbremsen sind zweifelsfrei vorhanden, aber etwas plumpe Richtungswechsel und die Tendenz, recht früh nach außen zu schieben, rufen einem schnell ins Gedächtnis, dass ein BMW M4 halt doch gut 300 Kilogramm leichter ist. Das Thema Gewicht tangiert über kurz oder lang auch die Brembo-Bremse, die zwar sehr löblich arbeitet, aber nach ein paar schnelleren Runden merklich zu schreien beginnt. Außerdem - und jetzt war‘s das dann auch mit der Schelte - fühlt sich der V8 auf dem Track nicht nach fast 500 PS an. Man muss ihn schon erheblich quälen.

Butterweich von „seriös“ nach „heroisch“

Das ganze Spielchen ändert sich, sobald man abgesperrtes Gebiet verlässt und ein paar schicke Bergstraßen unter die Michelin Super Sports nimmt. Hier haut der RC F mit einer grandiosen Lenkung und seinem durchaus jecken Naturell so richtig auf den Putz. Die Vorderachse ist sehr mitteilungsfreudig (das ist schön) und hinten ist der Übergang von „seriös“ zu „heroisch“ so butterweich, dass man den Expert-Modus ruhig auch öfter mal anwerfen darf (das ist noch viel schöner). Dieses Auto passt mit seiner satt-straffen aber nicht überharten Federung einfach viel besser auf eine gute, kurvige Landstraße. Hier wirkt es wesentlich lebendiger und agiler.

Mit einer Achtgang-Box, die nicht ganz so scharf schießt, wie die besten Doppelkupplungsgetriebe, aber eine astreine und superschnelle Performance abliefert. Und mit einem Motor, der sensationell anspricht und noch viel sensationeller klingt. Wobei man auch hier attestieren muss: Unten raus fehlt dem Lexus-Achtzylinder die Wucht eines M4 oder der noch viel ärgere Anriss des neuen AMG-4,0-Liter-Biturbo-V8 (ja, wir freuen uns auf den neuen C 63 AMG). Trotzdem explodiert er dann obenrum nicht so, wie man sich das vielleicht gewünscht hätte, also, wie etwa ein Porsche 911 GTS. Das alles mag etwas albern klingen und eigentlich macht das Aggregat auch richtig viel Spaß, aber die neue deutsche Biturbo-Welle hat einiges verändert. Irgendwie hätte ich mir einen japanischen Sport-V8 eine Spur wahnsinniger und verspielter vorgestellt.

Wahnsinnig und verspielt ist dann aber das RC F-Interieur. Es ist eckig und kantig und unkonventionell und es ist bis auf die fummelige Touchpad-Bedienung absolut fantastisch. Dazu zählen auch die Sitze, die zwar ein klein wenig zu hoch montiert sind, aber perfekten Halt bieten. Was machen wir jetzt also mit diesem neuen Lexus-Sportwagen, der schwerer ist und langsamer wirkt, als die ach so perfekten deutschen Kraft-Boliden?

Wer fährt den RC in einem abgesperrten Kreis?

Vielleicht sollten wir uns einfach daran erfreuen, dass er in 95 Prozent der Fälle (wer fährt denn damit wirklich in einem abgesperrten Kreis?) ein herrlich emotional zu bewegender Sportwagen ist, der noch dazu wesentlich spezieller daherkommt, als M4 und Co. Und das gilt allein schon aufgrund der homöopathischen Dosen, in denen er voraussichtlich verkauft wird.

Mit einem Preis ab 74.900 Euro ist der RC F genau 2700 Euro teurer als ein BMW M4. Absolute Vollausstattung mit diversen Assistenzsystemen, LED-Scheinwerfern und belüfteten Ledersitzen gibt es im RC F Advantage für 84.400 Euro und wenn Sie auf Kohlefaser und Fast-and-Furious-Filme stehen, lege ich Ihnen den RC F Carbon (Dach, Motorhaube, Heckspoiler) für 88.150 Euro ans Herz. Wenn Sie einen Viertürer suchen, warten Sie noch, bevor Sie einen M3 bestellen. Den RC F gibt es bald auch mit Anbau.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-2497428

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Rueckkehr-der-Sechser-2185613.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Mercedes-AMG-C-63-mit-aufgeladenem-V8-Frischer-Druck-2401976.html