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150 Kilometer mit Opels Brennstoffzellenauto

Mit dem Opel Hydrogen4 um den Bodensee

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Eine Füllung Wasserstoff genügt, um mit dem Hydrogen4 um den Bodensee herumzufahren. Ganz so weit sind wir nicht gefahren, hatten aber nach 150 Kilometern noch reichlich Reserve

Friedrichshafen, 7. Juni 2010 – Im Sommer kann man am Bodensee schon einmal den Eindruck bekommen, der Wasserstoff würde frei verfügbar herumwabern, es ist fast die einzige unerfreuliche Erscheinung dieser herrlichen Gegend. Natürlich ist Wasserstoff kein Wasserdampf und auch die schiere Größe des Sees nicht der Grund, warum Opel uns einlud dort den Hydrogen4 probezufahren – eher schon die Ankündigung, dass eine Füllung des Wasserstofftanks genügt, um ihn herum zu fahren.

Zentimeterdicke Gasflaschen

Gérard Blanchet, der Opel-Verantwortliche für die Erprobung des Hydrogen4 in Berlin, erklärt vorab die wichtigsten Grundlagen: Der Hydrogen4 basiert auf dem US-amerikanischen SUV namens Chevrolet Equinox. Es handelt sich um ein Brennstoffzellenfahrzeug, das aus Wasserstoff elektrische Energie gewinnt, die dann von einem Elektromotor in Vortrieb umgesetzt wird. Die drei Wasserstofftanks sind im Heck untergebracht. Zentimeterdicker Kohlefaserverbundwerkstoff hält das Gas unter 700 bar Druck. Trotz des ultraleichten Materials wiegen die Tanks 120 Kilo. Ein unglaublicher Aufwand für gerade mal 4,2 Kilo Wasserstoff. Diese Menge reicht laut Opel für 320 Kilometer.

Durch Turbokompressor verdichtete Luft

Der Wasserstoff wird nach vorne geleitet, wo unter der Fronthaube der Brennstoffzellen-Stack liegt, der das Gas mit Sauerstoff zu Wasser umsetzt, wobei elektrische Energie entsteht. Der Sauerstoff stammt aus Umgebungsluft. Sie wird durch einen Filter von Partikeln gereinigt und durch einen Turbokompressor verdichtet. Im Stack treffen die beiden Gase dann aufeinander, allerdings nicht direkt. Sie bleiben durch eine Polymermembran voneinander getrennt.

PEM-Brennstoffzelle

Das Kunststoffmaterial erlaubt es Protonen, auf die andere Seite zu wechseln, weshalb man von einer Proton Exchange Membrane (PEM) spricht. Im Stack trennen sich vereinfacht ausgedrückt die beiden Wasserstoffatome in positiv geladene Protonen und negativ geladene Elektronen. Erstere wandern durch die PEM, Letztere durch eine elektrische Leitung. Auf der anderen Seite der Membran werden aus ungeladenem Sauerstoff negativ geladene Oxidionen, die sich mit den Protonen zu Wasser verbinden. Die Elektronen, die durch den elektrischen Leiter gewandert sind, können als Strom genutzt werden. Der Stack im Hydrogen4 produziert bis zu 93 kW elektrische Leistung. Sie wird vom maximal 128 PS starken Elektromotor genutzt. Dazwischengeschaltet ist noch eine kleinere Batterie mit einer Kapazität von 1,8 kWh. Die Akkus arbeiten mit traditioneller Nickelmetallhydrid-Technik. Sie sind vor allem dazu da, die im Schiebebetrieb zurückgewonnene Bremsenergie zu speichern, fangen aber auch Lastspitzen ab – im Prinzip, auch wenn es ungewohnt klingt, hat auch der Hydrogen4 einen Hybridantrieb.

Vertraut wirkende Instrumente

Der Testwagen steht auf einer Elektroautoschau der Classic World Bodensee. Ich schaue mich im Auto um: Alles sieht recht normal aus, es gibt fünf Sitze und vertraut wirkende Instrumente. Links befindet sich ein Tacho, der bis 200 km/h reicht – der Hydrogen4 schafft laut Datenblatt immerhin Tempo 160. Rechts ist statt des Drehzahlmessers eine Kilowatt-Anzeige untergebracht. Einen Not-Aus-Knopf hat das Fahrzeug, das wir in einem früheren Entwicklungsstadium schon einmal gefahren sind, nicht mehr. Stattdessen gibt es zur Sicherheit noch Wasserstoffsensoren im Innenraum, die bei Problemen den Stack abschalten. Doch das ist noch nie vorgekommen, so die Opel-Techniker.

Klackernde Ventile

Ich betätige die Zündung mit einem ganz normalen Autoschlüssel. Eine Anzeige mahnt, den Start des Systems abzuwarten: Der Stack muss zunächst auf Temperatur kommen. Das dauert ein paar Sekunden, was an das Vorglühen bei älteren Dieselautos erinnert. Dann bewege ich den Wahlhebel auf "D" und rolle fast lautlos auf dem Messeteppich los, an den Besuchern vorbei zum nächsten Ausgang. Das Display in der Mittelkonsole zeigt, was gerade im Fahrzeug passiert: Blau dargestellte Wasserstoffmoleküle bewegen sich von hinten nach vorne zum Stack. Der wiederum schickt gelb markierte Elektronen zum Elektromotor. Mir fällt ein klackerndes Geräusch auf. Blanchet nickt: Das sind die Einblaseventile. Beim Auftreffen auf die Sitzringe machen sie ein Geräusch, das noch eliminiert werden muss. Es ist sogar im Stand zu hören, was auch logisch ist: Die Brennstoffzelle arbeitet auch dann, sie produziert Energie für die Stromverbraucher an Bord.

Sattes Drehmoment

Schon bei den ersten Beschleunigungsvorgängen wird deutlich, dass der Hydrogen4 kein Verkehrshindernis ist, im Gegenteil: Das Auto fährt sich wie mit viel Schwung von unten heraus, wie es für kräftige Elektroantriebe typisch ist. Das Datenblatt meldet 320 Nm, und die spürt man auch. Laut Opel beschleunigt das Fahrzeug in zwölf Sekunden auf Tempo 100. So angenehm das Beschleunigen ist, so wenig haben mich die Bremsen überzeugt. Sie sprechen nur sehr zögerlich an und mehr als einmal komme ich unserem Vordermann bedrohlich nahe. Blanchet bestätigt zumindest, dass die Verzögerer gewöhnungsbedürftig sind: Das kommt von der Bremsenergierückgewinnung, sagt er. Das Auto rekuperiert zuerst und schaltet die Scheibenbremsen erst danach ein. Es ist halt ein Prototyp und mit Feinabstimmung lässt sich sicherlich einiges machen.

0,9 Kilo pro 100 Kilometer

Von den Bremsen und den Ventilgeräuschen abgesehen, macht der Hydrogen4 schon einen fertigen Eindruck. Wir bewegen das Auto zunächst von der Messe in Friedrichshafen bis Meersburg. Dort fahren wir auf der Fähre hinüber nach Konstanz. Bei dieser Gelegenheit sehe ich auf den Bordcomputer: Die Anzeige gibt einen Verbrauch von 0,9 Kilo Wasserstoff auf 100 Kilometer an. Blanchet zeigt sich überrascht, schließlich beträgt der angegebene Verbrauch etwa 1,3 Kilo pro 100 Kilometer. Dabei bin ich zwar nicht schnell gefahren, aber auch nicht gewollt sparsam. Außerdem haben wir uns oft im Stop-and-Go-Verkehr bewegt.

270 Kilometer wären möglich gewesen

In Konstanz übernimmt ein Schweizer das Auto für die Strecke auf eidgenössischem Boden. Der übergibt wiederum das Steuer an einen Österreicher, der die wenigen Kilometer des österreichischen Uferabschnitts übernimmt. Am Schluss fahren wir noch die kurze Strecke bis zur Messe in Friedrichshafen. Als wir aussteigen, zeigt das Auto eine Fahrtstrecke von 150 Kilometer und eine Restreichweite von 120 Kilometer an – wir hätten also mit einem Tank immerhin 270 Kilometer geschafft.


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