zurück zum Artikel

ZZ Top

Moto Morini Corsaro 1200 ZZ

Motorrad iga
Zweirad

Es geht weiter bei Moto Morini, nachdem einige voreilige Medien die Marke schon für tot erklärt hatten. Die Geschäftsführung hat noch einmal Geld in die Hand genommen und das Zugpferd Corsaro 1200 fit für die Zukunft gemacht

Es geht weiter bei Moto Morini, nachdem einige voreilige Medien die Marke schon für tot erklärt hatten. Die Geschäftsführung hat noch einmal Geld in die Hand genommen und das Zugpferd Corsaro 1200 fit für die Zukunft gemacht. Das Naked Bike erhielt dafür das Zusatzkürzel ZZ. Ob sie auch Top ist, wird sich nächstes Jahr herausstellen.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Selbst italophile Motorradfahrer müssen bei der Marke Moto Morini eine Weile nachdenken, bevor ihnen etwas zu dem Stichwort einfällt. Zwar existiert die Manufaktur aus Bologna schon seit 1937, reichte aber in ihrer wechselhaften Geschichte nie an den Erfolg des lokalen Konkurrenten Ducati heran. Obwohl sie die bildschöne und ungemein kräftige Corsaro 1200 Veloce im Portfolio hatten, musste Moto Morini 2010 schließlich Insolvenz anmelden. Zwei Unternehmer aus Mailand kauften offiziell die Marke ein Jahr später, von denen aber kurz darauf nur noch Ruggero Jannuzzelli als Berater übrig blieb, die wahren Besitzverhältnisse sind bis heute undurchsichtig.

Die Geschäftsführung beschloss damals zum Erstaunen der Fans, die Motorräder nur noch übers Internet zu verkaufen, beendete die Zusammenarbeit mit den alten Importeuren und wunderte sich, dass der Verkauf einbrach. Als Moto Morini für 2016 die Preise ihrer fünf Modelle – alle mit dem 1200er-V2 bestückt – auch noch um zwei- bis dreitausend Euro heraufsetze, schien es endgültig vorbei zu sein, zumal 2017 die Euro4-Norm drohte und es unwahrscheinlich erschien, dass der alte Motor die Hürde nehmen könnte.

Ein mutiger Neustart

Doch zur großen Überraschung stand im November auf der EICMA in Mailand eine überarbeitete Corsaro 1200, jetzt mit dem Zusatzkürzel ZZ. Die Vorgängerin galt als echtes Männermotorrad mit brutalem Antritt, dank 140 PS und 123 Nm Drehmoment. Wheelies waren quasi der normale Fahrzustand und die Geräuschkulisse erzeugte eine Permanent-Gänsehaut. Böse Zungen behaupteten bei ihrem Erscheinen 2005, dass sie die schönere Ducati Monster [1] sei.

Die neue Corsaro 1200 ZZ muss für die Euro4-Norm [2] nicht nur die Abgas- und Geräuschemissionen einhalten, sondern unter anderem auch ein ABS und die Möglichkeit zur Onboard-Diagnose vorweisen. Alles keine einfachen Aufgaben, zumal der italienische Korsar äußerlich kaum verändert erscheint und der Motor übernommen wurde, sogar die Motordeckel sind identisch.

Leistungsangaben rückt Moto Morini für die 1200 ZZ noch nicht heraus, aber der Hubraum von 1187 Kubikzentimeter und das Bohrung-Hub-Verhältnis von 107 x 66 Millimeter des V2 mit 87 Grad Zylinderwinkel bleiben bestehen. Dem Corsaro-Motor hing immer der Ruf an, ein arger Säufer zu sein, deshalb wurde sein Steuergerät 2014 neu abgestimmt und die Leistung auf 135 PS gesenkt. Doch selbst damit war der Verbrauch kaum unterhalb von 6,5 Liter pro 100 Kilometer zu drücken. Eine etwas mildere und günstigere Corsaro 1200 Avio mit 120 PS, deren Trinksitten gemäßigter waren, gab es ab 2008. Auf welchen der beiden Varianten die neue Corsaro 1200 ZZ basiert, verriet Moto Morini noch nicht.

Made in Italy – fast ganz

Um die strengen Abgasemissionen der Euro4-Norm zu erfüllen, bekam die Corsaro 1200 ZZ ein völlig neues Steuergerät. Ob die Ingenieure in dem neuen Werk in Trivolzio bei Mailand auch die Zylinderköpfe, Nockenwellen und Drosselklappenkörper überarbeitet haben und vielleicht andere Materialen im Motor einsetzen, ist nicht bekannt. Vermutlich erhielt der Korsar deshalb einen noch voluminöseren Auspuff, um die Lautstärke zu reduzieren. Die beiden fetten Schalldämpfer von ZARD ragen dominant unter dem Heck hervor. Das trifft sicher nicht jedermanns Geschmack, zumal Under-seat-Auspuffanlagen seit etlichen Jahren außer Mode sind, aber ein Hingucker sind sie auf jeden Fall.

Moto Morini verkündet stolz, dass 99 Prozent der Teile „Made in Italy“ seien. Das letzte Prozent stammt aus Deutschland und besteht unter anderem aus dem ABS-Steuergerät 9.1 MP von Bosch. Ergänzend dürfte auch der neueste IMU-Sensor (Inertial Measurement Unit) desselben Herstellers an Bord sein, der die Neigungswinkel und das Eintauchen der Front permanent überwacht und so ein Kurven-ABS ermöglicht.

Sanfteres Ansprechverhalten versprochen

Moto Morini verkündet im Werbeprospekt, dass das Ansprechverhalten des Motors durch das neue Steuergerät sanfter geworden sei. Was nicht viel heißen will, bislang war der Leistungseinsatz bei Drehzahlen unter 3000/min eher ruppig und die Lastwechsel fielen mitunter heftig aus. Ein Quickshifter ermöglicht zukünftig ein Hochschalten ohne Kupplungseinsatz. Wenn Letztere beim Runterschalten in Anspruch genommen wird, erfreut sie mit einer Slipperfunktion, die ein Stempeln des Hinterrads verhindert.

Im Cockpit kommt ein brandneues Fünf-Zoll-TFT-Display zum Einsatz. Die farbige Darstellung beinhaltet unter anderem einen runden Drehzahlmesser und eine groß dimensionierte Geschwindigkeitsanzeige. Auch die restlichen Informationen sind erfreulich gut ablesbar. Der kleine Windschild wurde aggressiver geformt und enthält ein kleines Tagfahrlicht. Die beiden kompakten Rundscheinwerfer sehen dem Vorgängermodell sehr ähnlich, erstrahlen jetzt jedoch im hellen LED-Glanz. Auch die Blinker wurden neu gestaltet.

Fahrwerk von Mupo

Das Fahrwerk stammt nun vom italienischen Hersteller Mupo, der sich in den letzten Jahren einen guten Ruf erkämpft hat. Vorne arbeitet eine voll einstellbare Upside-down-Gabel mit 46 Millimeter Durchmesser und 135 Millimeter Federweg. Das hintere zentrale Federbein ist ebenfalls voll einstellbar und bietet den identischen Federweg. Nachlauf und Lenkkopfwinkel blieben unangetastet, ihre gute Handlichkeit dürfte die Corsaro damit wohl behalten.

Selbstverständlich kam zur Verzögerung eines PS-starken Motorrads aus Italia nur feinste Brembo-Ware in Frage. Im Gegensatz zur Vorgängerin trägt die zukünftige Corsaro am Vorderrad radial verschraubte Vierkolben-Monoblock-Bremszangen mit zwei 320-Millimeter-Bremsscheiben und hinten eine Zweikolben-Zange mit einzelner 220er-Scheibe. Die neu designten Leichtmetall-Felgen stehen vorne auf einem 120er-Reifen und hinten einem breiten 190er-Pneu (bisher war es ein 180er-Reifen). Der Vorderrad-Kotflügel wurde etwas luftiger geformt und der tiefliegende Kennzeichenhalter befindet sich nun an einem Ausleger, der an der Radnabe befestigt ist – anders hätten die gewaltigen Schalldämpfer keinen Platz unter dem Heck gefunden.

Moto Morini hat angekündigt, ein umfangreiches Zubehör-Sortimente beim Verkaufsstart nächstes Jahr anzubieten, unter anderem sollen passende Karbon-Teile und Komponenten von Rizoma erhältlich sein.

Moto Morini verzichtete darauf, die Corsaro von Grund auf neu zu bauen, um die Kosten in Grenzen zu halten. Neben dem Motorblock wurden auch der hübsche Gitterrohrrahmen, Wasser- und Ölkühler, der 18-Liter-Tank, das Heck samt zweigeteilter Sitzbank, die Schwinge, Fußrasten und die Gabelklemmen von der Vorgängerin übernommen. Entsprechend dürfte es bei einem Gewicht von vollgetankt 220 Kilogramm mehr oder weniger bleiben.

Welche Preise Moto Morini für die neue Corsaro 1200 ZZ verlangen wird, ist noch völlig offen. Die aktuellen happigen 18.500 Euro – die erste Corsaro 1200 gab es noch für 12.300 Euro – hatten die Begehrlichkeit der potenziellen Kunden drastisch abkühlen lassen. Bleibt also zu hoffen, dass Moto Morini so schlau ist, sich an der direkten Konkurrenz zu orientieren, die neue Ducati Monster 1200 mit 147 PS gibt es schon ab 14.190 Euro. Weit darüber sollte die Corsaro 1200 ZZ preislich nicht angesiedelt werden, sonst kann das endgültige Aus für Moto Morini doch noch drohen.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-3569488

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Ducati-Monster-1200-3567597.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Die-Euro-4-fuer-Motorraeder-und-die-Folgen-3312359.html