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RWE und Mennekes präsentieren 7-poligen Elektroauto-Stecker

Neue Steckverbindung auf dem Weg zur Norm

Technik ssu

Noch im Sommer könnte eine 7-polige Verbindung normiert werden. Das System erlaubt Powerline-Signalübertragung und soll von Laien gefahrlos bedient werden können

Hannover, 24. April 2009 – Eine neu entwickelte Standard-Steckverbindung zum Laden von Elektroautos präsentierte RWE auf der Hannover Messe. Die Steckverbindung hat der Stromkonzern gemeinsam mit Daimler entworfen, umgesetzt wurde sie von Stecker-Spezialisten Mennekes. Die vom VDE-Arbeitskreis 542.1 (Steckverbinder Elektrofahrzeuge) weiterentwickelte Spezifikation soll bis Ende April der IEC [1] (International Electrotechnical Commission) vorgelegt werden, bis Ende Mai soll der "final draft for vote" fertig sein.

Drehstrom- und Signalkontakte

Der an einer Seite abgeflachte Stecker hat fünf große Kontakte für Erdung, Nullleiter und für die Drehstromphasen sowie zwei weitere kleinere Kontakte, die eine Übertragung von Signalen auch dann ermöglichen, wenn die Starkstrom-Leitung abgeschaltet ist. Diese beiden Zusatz-Pins stellen den größten Unterschied zu den sehr verbreiteten, etwa gleichgroßen, fünfpoligen CEE-Drehstromsteck­verbindungen gemäß IEC 60309 dar. Man findet diese zum Beispiel auf Baustellen oder an Campingfahrzeugen und auch bei einigen vorhandenen Ladesäulen werden sie eingesetzt.

Fahrzeug-Identifikation via Powerline

Die Signalkontakte sollen es RWE [2] zufolge ermöglichen, dass auch Laien ein Elektroauto gefahrlos und ohne Aufsicht an eine Ladesäule anschließen können: Die 7-polige Buchse an der Ladesäule ist im Normalzustand spannungsfrei. Verbindet der Kunde sein Auto mit ihr, erfolgt zunächst ein Handshake via Powerline, also der Datenüber­tragung via Stromleitung. Auf diese Weise kann die Elektronik in der Ladesäule erkennen, ob es sich überhaupt um einen berechtigten Verbraucher handelt und wie hoch der Strombedarf des Autos ist, bevor sie den Ladevorgang startet. Dieses Szenario setzt neben normierten Steckverbindungen allerdings auch entsprechende Intelligenz und Schnittstellen der Bordelektronik des Elektroautos voraus – diese sollte den fürs Auto bestmöglichen Ladezyklus übermitteln können und muss das Laden jederzeit abbrechen können, sofern eine Störung wie Überhitzung auftritt. Zudem kann die Station den Strom abschalten, wenn sich ein Stecker lösen sollte: Die Stifte für die Signalleitungen sind unterschiedlich lang, so dass der Lade­automat erkennen kann, ob die Stecker korrekt in ihren Gegenstücken sitzen. Welcher Powerline-Standard zum Einsatz kommen wird, ist noch offen, allein im Bereich der Heimvernetzung existieren mehrere Varianten [3] mit unterschiedlicher Bandbreite. RWE bevorzugt dabei das "HomePlug-Turbo"-Verfahren, das bis zu 85 MBit/s brutto über die Stromleitung schickt. Diese Datenrate wird zwar von aktuellen Verfahren für die Heimvernetzung deutlich übertroffen, dafür ist es ist zum noch älteren HomePlug 1.0 (maximal 14 MBit/s brutto) kompatibel.

Neue Steckverbindung auf dem Weg zur Norm

Stecker an jedem Ende

Auf der Hannover Messe 2009 war der Prototyp eines Ladekabels mit identischen Steckern an jedem Ende zu sehen, das in beliebiger Richtung in Auto und Ladestation eingesteckt werden kann. Eine Art Pistolengriff soll die Handhabung erleichtern, die asymmetrische Ausführung des Steckers macht ihn verpolungssicher. Im RWE-Szenario sollen die Kunden ihr eigenes Kabel im Auto mitführen. Ladestationen mit fest installiertem Ladekabel – ähnlich einer Benzinzapfsäule – kann sich der Strom­versorger im öffentlichen Raum nicht vorstellen und verweist auf den Vandalismus in Telefonzellen. Diese Lösung sei nur für die heimische Garage oder für Firmen-Parkplätze vertretbar. Die denkbare Variante, das Ladekabel – ähnlich wie bei Bodenstaubsaugern – fest im Auto unterzubringen, stoße hingegen in der Autoindustrie auf Ablehnung, da dieses Feature Leergewicht und Preis der E-Vehikels weiter in die Höhe treiben würde.

Prototyp aus dem Sauerland

Angefertigt wurde der in Hannover gezeigte Prototyp eines Ladekabels von der Firma Mennekes [4]. Das Unternehmen mit Sitz Kirchhundem (Nordrhein-Westfalen) ist weltweit bekannt für sein großes Angebot an CEE-Industriesteckvorrichtungen, rund 800 Mitarbeiter fertigen ein Sortiment von 11.000 verschiedenen Serien- und Sonderprodukte für elektrische Steckverbindungen und erwirtschafteten zuletzt einen Jahresumsatz von rund 100 Millionen Euro.

Europa-Norm wahrscheinlich, Weltstandard offen

RWE zufolge ist die Normung eine zwingende Voraussetzung für den Einsatz der neuen Stecker in der Öffentlicheit: Der Einsatz ungenormter Verbindungen, die für Drehstrom mit 400 V mit bis zu 63 A vorgesehen sind, wäre ansonsten unter zivil- wie strafrechtlichen Gesichtspunkten nicht vertretbar. Zugleich werden die Stecker-Hersteller erst dann in die industrielle Fertigung einsteigen, wenn sie einen Markt für die Neuentwicklung sehen. Eine Normung auf europäischer Ebene gilt als höchstwahrscheinlich: Anfang März hatte sich sich ein Bündnis internationaler Autokonzerne und europäischer Energieversorger (EVU) formiert [5]. Ob auch EVUs anderer Kontinente mitziehen, dürfte sich auf der IEC-Sitzung im Sommer herausstellen.

Neue Steckverbindung auf dem Weg zur Norm

Japanischer Gegenentwurf

RWE zufolge könnten dort auch die Japaner – ein nicht kompatibles – Stecksystem vorschlagen, das allerdings nicht für Dreiphasen-Drehstrom geeignet ist. Umgekehrt könnten Länder wie Japan oder die USA mit den dort verbreiteten Einphasen-Dreileiternetzen den Mennekes-Stecker nutzen, der für den dortigen Bedarf zwei Kontakte zuviel bietet. Nachteilige Konsequenz kontinental unterschiedlicher Normen wäre, dass die ohnehin bis dato nur in Kleinserien gebauten E-Vehikel je nach Bestimmungsort mit anderen Steckern ausgestattet werden müssten.

Konjunkturmotor Elektromobilität?

Sollten sich die Energiekonzerne tatsächlich entschließen, Netze von Ladestationen zu errichten, könnten auch weitere Branchen vom Aufbau der Infrastruktur profitieren und für Beschäftigung im Inland sorgen: Hier sind zum Beispiel die Hersteller von Schaltschränken oder Server-Racks gefragt, um Komponenten wie die Leistungselektronik, "intelligente Stromzähler" und Module für die Anbindung an ein Daten-Festnetz oder Mobilfunknetz wetterfest unterbringen zu können.


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Links in diesem Artikel:
[1] http://www.iec.ch/
[2] http://www.rwe.com/
[3] http://www.heise.de/netze/HomeGrid-soll-Heimvernetzung-vereinheitlichen--/news/meldung/107244
[4] http://www.mennekes.de/
[5] https://www.heise.de/news/Europaweites-Buendnis-definiert-Elektroauto-Standards-206040.html