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S-Masse

Neuvorstellung Mercedes GLS

Autos Christian Lorenz
Mercedes GLS

(Bild: Hersteller)

Mit 5,20 m Länge, 2400 Litern Kofferraumvolumen, drei elektrisch verstellbaren Sitzreihen und einer aufwändigen Allradtechnik greift Mercedes beim neuen GLS in die Vollen. Insbesondere, der um sechs Zentimeter gewachsene Radstand ist eine Ansage an den BMW X7

Manchmal hilft viel eben viel. Mercedes hat auf der International New York Auto Show den neuen GLS vorgestellt. Es ist die dritte Generation des Luxuspanzers von Mercedes, den die US-Amerikaner in sachlicher Untertreibung als Full-Size-SUV einordnen. Die erste Generation von 2004 hörte noch auf den Namen GL, das S kam erst 2012 hinzu um zu suggerieren, dass es sich hier um eine S-Klasse in Geländewagenform handelt.

Für derlei Dickschiffe gibt es tatsächlich einen lukrativen Markt. Aber er ist aber fast ausschließlich außerhalb Europas zu finden, wo die Straßen breiter sind oder eine dicke Hose als noch wichtiger empfunden wird. Hergestellt werden die Mercedes-SUV dementsprechend in Tuscaloosa, USA. Auch BMW produziert Dickschiffe in den USA. Im gut 600 km von Tuscaloosa entfernten Spartanburg wird der X-Reihe mit dem X7 [1] seit Herbst 2018 eine Art XXL übergestülpt.

Fast 8 cm länger

Der neue GLS wächst gegenüber seinem Vorgänger um 7,7 cm in der Länge. Damit übertrifft er jetzt den X7 um knapp sechs Zentimeter. Mit 3,14 m liegt auch der Radstand geringfügig über dem des BMW (3,05 m). Vom Größenwachstum des neuen GLS profitieren in erster Linie die Passagiere der zweiten und dritten Sitzreihe. Darüber hinaus werden die Mitfahrer mit noch mehr Luxus als bisher verwöhnt. Drei elektrisch verstellbare Sitzreihen bieten schon preiswertere amerikanische Konkurrenten. Neu ist im GLS eine besonders luxuriöse Sechsitzerkonfiguration mit zwei Komfortsitzen in der zweiten Reihe. Auch damit reagiert Mercedes direkt auf den X7, der das ebenfalls anbietet.

2400 Liter

Die Komfortsitzvariante des GLS ist in den USA Standard und in Europa optional. Bei uns kommt der Riesen-Benz serienmäßig mit einer im Verhältnis 60:40 geteilten Sitzbank, sowie einer 40:20:40 geteilten Lehne in der zweiten Reihe. Die Zweiersitzbank in der dritten Reihe versenkt und erhebt sich wie gehabt auf Knopfdruck. Insgesamt bietet der GLS ein maximales Kofferraumvolumen 2400 Litern, das hat VW-Caddy-Qualitäten [2] und übertrifft sogar den X7 um gigantische 380 Liter. Zudem lassen sich alle Sitze mit dem Schalter „All“ im Kofferraum gleichzeitig umklappen.

MBUX und Fünf-Zonen-Klima

Eine Sitzheizung auf allen Plätzen erhöht den Klimakomfort ebenso wie eine optionale Fünf-Zonen-Klimaautomatik. Über ein integriertes Tablet können Fondpassagiere die wichtigsten Funktionen bedienen. Zwei Touchdisplay können zusätzlich dem Infotainment dienen. Wie auch der technisch eng verwandte kleinere GLE ist das vielgelobte Bediensystem MBUX verbaut.

Bei den Sicherheitssystemen bietet der GLS wie zu erwarten fast alles, was derzeit gut und teuer ist. Schließlich enttäuscht schon der Technikspender GLE in dieser Hinsicht nicht. Außerdem würde alles andere ja nicht zum dem Anspruch des GLS passen, die S-Klasse unter den Geländewagen zu sein. Die meisten Features, wie etwa die Matrix-LED-Scheinwerfer, gehören zur Serienausstattung.

Waschprogramm

Ein ziemlich spezielles Extra für die GLS-Kunden, die noch keinen Chauffeur haben oder diesem nicht vertrauen ist das Waschstraßenprogramm. Es bereitet den 5,21 Meter langen GLS für die Fahrzeugreinigung vor. Mit einem Knopfdruck werden die Außenspiegel eingeklappt, Seitenscheiben und Schiebedach geschlossen sowie der Regensensors deaktiviert. Während die Klimaautomatik auf Umluftbetrieb schaltet, blendet sich das Frontbild der 360°-Kamera ein, um das Einfahren in die Waschstraße zu erleichtern. Beim Ausfahren aus der Waschstraße werden diese Einstellungen ab Tempo 20 wieder deaktiviert.

Maybach-Version versprochen

Für millionenschwere Freunde grellen Übermaßes ist derab Anfang 2020 verfügbare Maybach GLS gedacht. Er dürfte auf den chinesischen und russischen Markt zugeschnitten und gewissenhaft jeglicher Zurückhaltung beraubt werden.

Plattform und Antriebsstrang übernimmt der GLS vom kleineren GLE. Übermäßig motorisierte Zwölfzylindermodelle gibt es vorerst nicht. Als vorläufiges Topmodell fungiert der GLS 580. Sein Vierliter-Biturbo-V8 leistet 489 PS und stellt ein Drehmoment von 700 Nm zur Verfügung. Durch sein 48-Volt-Bordnetz mit integriertem Startergenerator kann zudem ein kurzfristiger Boost von 250 Nm und 22 PS abgerufen werden. Mercedes nennt einen WLTP-Verbrauch von 9,8 bis 10 Litern.

Der zweite Benzinmotor, ein Reihensechszylinder mit 48-Volt-Bordnetz, wird nur außerhalb Europas angeboten. Der GLS 450 für Überseemärkte ist 367 PS stark, hat 500 Nm Drehmoment und kann ebenfalls geboostet werden.

Reihen-Sechszylinder

Auf dem europäischen Markt dürften die beiden Sechszylinderdiesel des GLS 350d und GLS 400d mit 286 PS bzw. 330 PS sowie 600 Nm bzw. 700 Nm Drehmoment gefragt sein. Beide sind mit einem Reihensechszylinderdiesel des Typs OM656 bestückt. Mercedes verspricht für beide Modelle einen Verbrauch im WLTP von 7,6 bis 7,9 Litern. Mercedes homologiert sämtliche GLS-Modelle in Europa bereits nach der erst ab Januar 2020 verpflichtenden Abgasnorm Euro 6d. Unverständlicherweise ist Mercedes damit derzeit fast allein.

Erweiterte 4MATIC und Luftfederung

Mit ihrer Neungangautomatik 9G-Tronic und der variablen Luftfederung dürften alle GLS für das luxuriöse Reisen bestens gerüstet sein. Für schwierige Manöver und unbefestigte Wege wurde der Allradantrieb 4Matic mit einem Verteilergetriebe inklusive elektronisch geregelter Lamellenkupplung bestückt.

Nur als Option verfügbar ist ein Verteilergetriebe. Es besitzt eine Untersetzungsstufe für den Offroad-Betrieb. Noch mehr Offroadkompetenz erhält der GLS durch das optionale Fahrwerk E-Active Body Control. Es arbeitet mit 48 Volt Spannung. Auf schlechten Straßen kann das System elektrische Energie zurückgewinnen. Die Hydropneumatik erzeugt dynamische Kräfte, die den Kräften der Luftfeder überlagert sind und den Fahrzeugaufbau aktiv abstützen und dämpfen können.

Zu den Offroad-Funktionen der E Active Body Control gehört auch ein Freifahrmodus: Hat sich der GLS beispielsweise in einer Düne im Sand festgefahren kann er sich damit freischaukeln. Eine weitere Funktion für den Offroad-Einsatz ist die Einzelradansteuerung. Hierbei kann das Niveau an jedem Rad über den Touchscreen des Media-Displays einzeln verstellt und somit die Ausrichtung des Fahrzeugs im Gelände verbessert werden, etwa wenn ein Rad in einem Graben steckt oder ein Rad voll eingefedert ist. Dies hilft auch, um mehr Bodenhaftung zu bekommen und somit mehr Moment am Rad für den Vortrieb abzusetzen.

Weniger um Bodenhaftung bemüht dürfte Mercedes bei den Preisen sein. Schon der noch aktuelle GLS fängt erst bei knapp 80.000 Euro in den Preislisten an und wurde in dieser nackten Form vermutlich niemals gebaut. Beim Neuen wird ein Aufschlag fällig seine, zumal er sich in Abmessung und Ausstattung einiges getan hat. Sechsstellig wird es zumindest in der Praxis so gut wie immer werden. Weil viel eben viel hilft.


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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Vorstellung-BMW-X7-4191915.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-VW-Caddy-Trendline-1-0-TSI-BMT-3863910.html