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Probefahrt im neuen Kia Sportage

Unter Wert

Fahrberichte Martin Franz
Kia

Der Kia Sportage hätte mehr Aufmerksamkeit verdient, was uneingeschränkt auch für den Nachfolger gilt. Der ist ähnlich gut wie der Vorgänger, in vielen Dingen sogar besser und in nur in wenigen Details schlechter

Barcelona, 26. Januar 2016 – Allen Beteuerungen der Verantwortlichen zum Trotz: Zufrieden sein konnte Kia mit dem deutschen Absatz [1] des Sportage nicht. Dass VW mit dem Tiguan weit enteilt ist – damit wird man in der Deutschland-Zentrale noch leben können. Doch dass sich der Hyundai ix35 rund doppelt so gut verkauft hat und selbst Audi mit dem betagten Q5 [2] deutlich mehr Käufer gewinnen konnte, stimmt nachdenklich. Denn das letzte Update des alten Modells ist gerade einmal zwei Jahre her. Die Gründe dafür liegen nicht auf der Hand, was die Sache für den Nachfolger keineswegs einfach macht. Wir waren mit den stärksten Motoren unterwegs.

Ob der vierte Sportage nun hübscher als der Vorgänger geworden ist, mag der Leser allein entscheiden. Das bisherige Design war jedenfalls nach unserer Auffassung nicht grundlegend überholungsbedürftig. Anders ausgedrückt: Die Zurückhaltung der Kunden hatte mit einiger Sicherheit keine optischen Gründe.

Funktional kein Fortschritt

Gleiches gilt wohl auch für den Innenraum. Auch im Neuen gibt es angenehme Materialien und eine gute Verarbeitung. Mag sein, dass es hier Konkurrenten gibt, die in beiden Kriterien noch etwas besser sind, doch ohne direkten Vergleich fällt der Kia hier nicht unangenehm auf. Funktional ist der vierte Sportage allerdings kein Fortschritt. Im Bereich der unteren Mittelkonsole verbaut Kia nun reichlich Tasten, die sich auch mit etwas Gewöhnung nicht ohne Blickkontakt bedienen lassen. Auch beim Lenkrad haben es die Koreaner etwas zu gut gemeint. Schon im alten Modell herrschte dort an Tasten kein Mangel, sein Nachfolger hat dort mit vier Wippen noch einmal zugelegt.

Die meisten Funktionen des Infotainmentsystems erschließen sich intuitiv. Das Navigationssystem wird sieben Jahre lang kostenlos mit aktuellen Karten versorgt – da darf sich die Konkurrenz gern ein Beispiel nehmen. Leider ist das System für das Basismodell nicht zu haben. Dies gilt auch für die induktive Handyladestation, die sich allerdings auch für 120 Euro beim Importeur nachrüsten lässt. Die Instrumente lassen sich gut ablesen, was bisher auch schon so war. Was uns zudem gut gefällt: Kia bietet nach wie vor eine Anzeige für die Temperatur des Motors [3] an. Die mechanische Handbremse musste einer elektrischen weichen. Wenigstens gibt es eine „Autohold“-Funktion, die die Bremse von allein betätigt.

Der Sportage ist im Vergleich zu seinem Vorgänger um vier Zentimeter auf 4,48 Meter gewachsen. Der um drei Zentimeter verlängerte Radstand kommt dem Platzangebot im Innenraum zugute. Im Fond haben auch großgewachsene Menschen genug Platz, sofern vorn keine Riesen sitzen. Die Sitze selbst sind bequem wie zuvor, in den höheren Ausstattungslinien gibt es sie nun auch mit Belüftung. Der Kofferraum ist 503 Liter groß, sofern man das Fach unter dem Ladeboden mitzählt. Damit ist der Sportage ungefähr auf dem Niveau eines Audi A4 Avant, der allerdings rund 20 cm länger ist.

Hart gemacht

Wir konnten eine Probefahrt mit dem neuen Turbobenziner und mit dem stärksten Diesel machen. Der Benziner ist derzeit nur zusammen mit der GT-Line zu haben – eine Entscheidung, die Kia nochmals überdenken sollte. Denn außer etwas optischen Zierrat bringt dieses Ausstattungslinie auch ein strafferes Fahrwerk und 19 Zoll-Felgen mit. Diese Kombination federt etwas hölzern, um es vorsichtig zu formulieren. Warum ein SUV derart unnachgiebig sein muss, ist nicht nur hier ein Rätsel. Denn zum flotten Durcheilen von Kurven gibt es nun mal geeignetere Fahrzeuggattungen. An der Lenkung haben die Ingenieure ebenfalls getüftelt, konnten ihr das synthetisch-indirekte Lenkgefühl jedoch nicht austreiben.

Unterschiedlich harmonisch

Die beiden Testwagen hatten jeweils das optionale Getriebe eingebaut. Im Diesel ist das eine Sechsgang-Wandlerautomatik, die 1900 Euro extra kostet. Diese Kombination wirkt nur bei zurückhaltender Fahrt überzeugend. Sind forsche Fahrleistungen gefordert, passt mitunter der Schaltpunkt nicht so recht. Der mit 400 Nm eigentlich ausreichend kräftige Diesel wirkt dadurch gehemmt.

Der Turbo-Benziner harmoniert mit dem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe deutlich besser. Die Fahrleistungen sind so oder so ausreichend, ohne sich von dem abzuheben, was die Konkurrenz in dieser Leistungsklasse auch bietet. Positiv gegenüber dem Vorgänger fällt die verbesserte Geräuschdämmung auf. Obwohl schon das alte Modell gut gedämmt war, ist der Nachfolger doch merklich leiser.

Rätsel in der Preisliste

Mit den starken Motoren ist der Sportage nicht gerade billig, liegt aber noch immer unter der Konkurrenz aus Deutschland. Denn Kia liefert eine wirklich umfangreiche Ausstattung mit. Die GT-Line bringt unter anderem ohne Aufpreis Navi, ein Soundsystem von JBL, Ledersitze, schlüsselloses Zugangssystem und Xenonlicht mit. Für diese und weitere Goodies müssen bei anderen Herstellern schon mal vierstellige Beträge investiert werden. Die Preisliste bleibt freilich auch bei Kia nicht ohne Eigenheiten. Für das Basismodell gibt es nicht einmal Nebelscheinwerfer oder einen Tempomaten. Warum das große Glasschiebedach nur für den 1.6 GDI nicht lieferbar ist, bleibt ebenso ein Rätsel.

Für den Erfolg oder dessen Ausbleiben werden diese Dinge wohl nicht entscheidend sein. Der Kia Sportage bleibt ein gutes, nun leicht verbessertes Auto, das Interessenten in diesem Segment auf der Liste haben sollten. Da das aber im Prinzip schon bisher galt, sind wir gespannt, wie sich die Zulassungszahlen entwickeln werden. Denn mehr Aufmerksamkeit als bislang hätte dieses SUV schon verdient.


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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Hits-und-Flops-Zulassungszahlen-2015-3082176.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Kraeftiges-Organ-1778697.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Nervtoetende-Details-und-unsinnige-Ideen-in-unseren-Autos-2382391.html