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Elektrisch Laden

Proberunde im VW e-Crafter

Fahrberichte Sven Hansen
VW e-Crafter

Volkswagen Nutzfahrzeuge hat in Hamburg den elektrischen e-Crafter vorgestellt. Kurierdienste im urbanen Raum gehören zu den anvisierten Kunden. Wie fährt sich der lokal emissionsfreie Transporter im Alltag?

Volkswagen Nutzfahrzeuge hat in Hamburg den vollelektrischen e-Crafter vorgestellt. Kurierdienste im urbanen Raum gehören zu den anvisierten Kunden. Der neue e-Crafter soll ab September als erster Zero-Emission-Transporter das Angebot erweitern und zugleich den Start einer Elektro-Mobilitätsoffensive markieren: Fortan will Volkswagen Nutzfahrzeuge das Modellspektrum stärker um teil- und vollelektrisierte Fahrzeuge ergänzen.

Kompaktes Modul

Der aus dem e-Golf bekannte Elektromotor des Typs EEM85 treibt die Vorderachse des e-Crafters an. Die Synchronmaschine stellt eine Peakleistung von 100 kW zur Verfügung und liefert ein maximales Drehmoment von 290 Nm. Übertragen wird die Kraft über ein für Nutzfahrzeuge ausgelegtes 1-Gang-Automatikgetriebe (EQ 290).

Motor, Getriebe und Differenzial bilden ein kompaktes Modul und werden in Komponentenwerk Kassel hergestellt. Zu den weiteren technischen Elementen des Antriebssystems gehören das Motorsteuergerät und die Leistungselektronik, die den Hochvoltenergiefluss zwischen dem Elektromotor und der Batterie steuert. Die Lithium-Ionen-Batterie mit einer Kapazität von 36 kWh ist bis auf leichte Anpassungen ebenfalls identisch mit der des e-Golf [1].

Flink gefüllt

Das Fahrzeug lässt sich per CCS mit 40 kW (Gleichstrom) schnellladen. Nach 45 Minuten soll die Batterie zu 80 Prozent gefüllt sein. Alternativ lädt der e-Crafter an der Wallbox mit 7,2 kW oder an der Schukosteckdose mit 2,6 kW. Die Ladezeit beträgt dann allerdings 17 Stunden. Eine Akkuladung sorgt für eine Reichweite von 173 km nach NEFZ. Die maximale Geschwindigkeit ist auf 90 km/h beschränkt.

Den e-Crafter gibt es in zwei Versionen mit 3,5 beziehungsweise 4,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht. Die große Variante erlaubt eine Nutzlast von 1,72 Tonnen. Beide sollen in der Basisausstattung rund 70.000 Euro kosten.

Angetestet

Im Fahrtest rund um Hamburg fuhr sich der e-Crafter in der 3,5-Tonnen-Version überraschend flüssig. Man vergisst oft beim Fahren, dass man ein paar Meter Ladefläche hinter sich herzieht. Die Fahrkabine ist eindeutig zugunsten eines maximalen Frachtraums optimiert und recht eng. Die Rekuperation ist fest eingestellt, es gibt für den Fahrer keinerlei Einstellungsmöglichkeiten.

In der Basisausstattung ist das Fahrzeug mit einer Rückfahrkamera ausgestattet und gibt Signaltöne von sich – bei der Schleichfahrt nach vorne bleibt der Soundgenerator stumm. In Kürze soll der e-Crafter auch mit nach vorne gerichtetem Sound-Modul erhältlich sein, damit Passanten vom still herannahenden Paketboten nicht überrascht werden. City-Bremsassisten und Spurhalteassistent sind ebenfalls serienmäßig verbaut.

Beschränkt

So schön der e-Crafter im Stadtverkehr dahingleitet, so nervig ist die Beschränkung auf 90 km/h auf der Autobahn. Auf dem Weg zum Verteilzentrum dürfte ein Kurierdienst zum rollenden Verkehrshindernis werden. Bei 90 km/h auf der rechten Spur sitzt einem manch ein unruhiger LKW im Nacken. 90 km/h sind bei einem herabgeregelten E-Fahrzeug tatsächlich 90 km/h – selbst wenn man bergab fährt, sorgt die Rekuperation für das penible Einhalten der Maximalgeschwindigkeit. Man fühlt sich, als sei man nur mit halber Kraft unterwegs.

Ein Blick unters Fahrzeug zeigt viel Luft für Batterien, die dem Fahrzeug – natürlich auf Kosten der maximalen Zuladung – mehr Reichweite bescheren könnten. Gerade die Zuladung ist für die anvisierte Zielgruppe der Logistikunternehmen die wichtigste Größe, denn mit einem deutlich billigeren Crafter mit Verbrennungsmotor kann man ohne den rund 0,5 Tonnen schweren Elektroteil mehr Waren transportieren. Ein noch größerer Batterieblock würde die Kalkulation zu Ungunsten des E-Fahrzeugs verschieben.

Lohnt sich das? Kommt drauf an

Wer wissen will, ob sich die Anschaffung eine elektrifizierten Crafters lohnt, muss genau nachrechnen. Weniger Zuladung, höherer Kaufpreis und die eingeschränkte Reichweite sind ein klares Minus. Dafür winken steuerliche Vergünstigungen, je nach Tankmöglichkeit günstiger Treibstoff und die niedrigeren Wartungskosten des E-Fahrzeugs. Volkswagen Nutzfahrzeuge gibt für die Batterie mindestens acht Jahre Garantie, in der die Kapazität nicht unter 80 Prozent fallen darf. Für einige Unternehmen dürften solche Überlegungen aber ohnehin irrelevant sein, da veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen in bestimmten Gebieten einfach lokale Null-Emissions-Fahrzeuge vorschreiben werden.


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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Der-VW-e-Golf-im-Test-3774086.html