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Rückkehr auf Umwegen

Renaults Neuauflage der Alpine A 110

Autos Wolfgang Gomoll / Stefan Grundhoff

Obwohl Renault lange Jahre in der Formel 1 und in zahlreichen Rennserien der Welt im Motorsport überaus erfolgreich war, wurden Sportversionen von Clio oder Megane höchstens Achtungserfolge am Rand. Mit der neuen Alpine soll das jetzt nach langer Zeit anders werden

Auf dem Genfer Salon ist die Renault Alpine A 110 einer der automobilen Höhepunkte. 252 PS, Mittelmotor und gerade einmal 1,1 Tonnen – das hört sich nach Spaß an. Obwohl Renault lange Jahre in der Formel 1 und in zahlreichen Rennserien der Welt im Motorsport überaus erfolgreich war, wurden Sportversionen von Clio [1] oder Megane [2] höchstens Achtungserfolge am Rand. Mit der neuen Alpine soll das jetzt nach langer Zeit anders werden.

Als der Autohändler und Rennfahrer Jean Rédélé 1955 die Alpine A106 auf dem Automobilsalon in Paris präsentierte, ahnte niemand, dass er damit eine heute legendäre Sportwagenmarke schaffen würde. Der Name „Alpine” beziehungsweise die „Société des Automobiles Alpine”, die Rédélé im selben Jahr gründete, war eine Reminiszenz an den Alpenpokal, den der passionierte Rennfahrer im Jahr zuvor gewonnen hatte. Schon damals experimentierte der begabte Autobauer mit Leichtbaustoffen wie GFK und schuf so einen formschönen, schnellen Sportwagen. Die Technik kam zu großen Teilen vom Renault 4CV, der bereits seit 1946 am Markt war.

1956 gewann die Alpine A106 die legendäre Mille Miglia. Damit war der Grundstein gelegt. Der Renault Alpine A110 Berlinette setzte ab 1962 die Erfolgsserie fort und dessen Nachfolger, der Renault Alpine A310 gilt als der französische Porsche. Der Sportwagen beeindruckt bis heute durch ein futuristisches Design und ansprechende Fahrleistungen.

Renault verwässert das Konzept

Renault war von Anfang an im Boot, übernahm Alpine aber erst nach und nach in den 1970er Jahren: 1973 sicherte man sich die Aktienmehrheit an der Sportwagen-Manufaktur aus der Bretagne, erst 1978 befand sie sich ganz im Renault-Besitz. Erfolge wie der Gesamtsieg im Jahr 1978 bei den legendären 24 Stunden von Le Mans mit der Renault-Alpine A442B festigten den Status der Sportwagen. Auch auf den Rallye-Strecken und kleineren Rennen fuhren die Alpines Triumph um Triumph ein. Autos wie die Alpine A310 V6 S brachten damals die Augen der jungen Quartettspieler zum Leuchten. Nach der Übernahme durch Renault war es mit handgefertigten Fahrzeugen vorbei – allerdings auch mit der sportlichen Kompromisslosigkeit der Ursprungs-Modelle: Die nächste Generation mit der Alpine V6 Turbo war primär für die Straße gedacht.

Aufgrund der einbrechenden Verkaufszahlen strich man das „Renault” aus dem Markennamen „Renault-Alpine” und schlug mit dem Alpine A610 Turbo einen radikaleren Weg ein. Das Hightech-Mobil mobilisierte 250 PS, hatte, wie es bei Alpine Tradition war, einen Heckmotor und lehrte andere Sportwagen das Fürchten. Doch der hohe Preis von über 100.000 D-Mark und die amerikanisch weichgespülte Karosserie verhinderten den kommerziellen Erfolg des Supersportlers und so beendete Renault 1995 die 40jährge Alpine-Geschichte.

Der Traum von einem französischen Renner lebte fort, doch war jahrelang außer großspurigen Ankündigungen nicht viel zu sehen. Noch 2007 hatte der damalige Vertriebsvorstand Patrick Blain für 2010 eine neuen Alpine angekündigt, der zeigen sollte, was Renault technisch leisten kann. Doch die Schuldenkrise machte diesem Wiederbelebungsversuch zunächst einen Strich durch die Rechnung. Der französische Autohersteller berappelte sich allerdings relativ schnell. Als Renault 2012 mit Caterham eine enge Verbindung einging [3], schien das Comeback der Kultmarke zum Greifen nahe. Doch die Vorstellungen der Engländer und der Franzosen waren nicht immer deckungsgleich. Angeblich waren die Engländer über die andauernden Terminverschiebungen verärgert.

Geklebt, geschweißt oder genietet

Am 10. Juni 2014 ließen die ungleichen Partner verlauten, dass man wieder getrennter Wege gehen [4] wolle. Renault wollte, das Projekt unter dem Namen „Société des Automobiles Alpine” in Eigenregie weiterzuführen und hielt an dem Plan fest, 2016 die erste Alpine seit 21 Jahren auf den Markt zu bringen. Am Ende wurde es ein Jahr später, nach der Vorstellung auf dem Genfer Salon soll die Alpine Ende 2017 in den Handel kommen. Einige Fans hatten sich eine Alpine mit 300, 350 oder gar weit über 400 PS erhofft.

Letztlich wurde es, sehr ähnlich wie beim Alfa Romeo 4C [5], ein aufgeladener 1,8 Liter großer Vierzylinder mit eben 252 PS und 320 Nm maximalem Drehmoment. Mehr braucht es nicht, um ein so kompaktes, leichtes Auto in 4,5 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 beschleunigen. Als Spitze werden 250 km/h angegeben. Der Motor liegt wie beim historischen Vorbild schwerpunkt- und massengünstig vor der angetriebenen Hinterachse, dazwischen arbeitet ein siebenstufiges Doppelkupplungsgetriebe. Das Chassis und die 4,18 Meter lange Karosserie bestehen aus Aluminium, das je nach beanspruchter Stelle geklebt, geschweißt oder genietet wurde.

Die erste Edition zu Preisen ab 58.500 Euro inkl. 18-Zoll-Alufelgen, Schalensitzen und weiteren einschlägigen Details ist bereits vergriffen.


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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Druckfrisch-1949337.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Fahrbericht-Renault-Megane-RS-Trophy-R-2749835.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Renault-und-Caterham-gehen-eine-Sportwagen-Ehe-ein-1743768.html
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Alpine-Caterham-wird-Automobiles-Alpine-2218415.html
[5] https://www.heise.de/autos/artikel/Fahrbericht-Alfa-Romeo-4C-Spider-2657288.html