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Schafft Saab mit dem neuen 9-5 einen überzeugenden Neuanfang?

Saab 9-5 2.8T V6 Aero XWD im Fahrbericht

Fahrberichte rhi

Nach mehr als einem Jahrzehnt gibt es endlich einen neuen Saab 9-5. Doch fast wäre es soweit gar nicht gekommen, denn die Firma stand vor der Pleite. Umso gespannter sind wir auf das Fahrzeug

Haar, 3. März 2011 – Leicht wird es in Zukunft nicht für Saab. Seit Februar ist die schwedische Marke zwar fest in Händen von Spyker, die dafür sogar ihr Sportwagengeschäft aufgegeben [1] hat. Doch mit der Finanz- und Entwicklungskraft deutscher Edelhersteller kann der Autobauer natürlich nicht annähernd konkurrieren. Saab-Liebhabern kann es nur recht sein, dass die Marke kein Anhängsel eines Großkonzerns ist, auch wenn in aktuellen Modellen noch Großserientechnik steckt, so auch beim Saab 9-5. Technisch steht der 9-5 zwar noch für die Vergangenheit – doch er ist auch Startpunkt für eine Zukunft mit neuen Partnern.

Gut verpackte Dimensionen

Unser erster Eindruck: Ganz schön groß ist der 9-5 geworden. Tatsächlich überragt das neue Modell den Vorgänger um gut 15 Zentimeter in der Länge. Die elegante Linienführung hat aber einen Nachteil: Durch das flach stehende Heckfenster wird das Rangieren zum Glücksspiel, Parkpiepser sind deshalb Pflicht. Zudem fällt die Kofferraumöffnung verhältnismäßig schmal aus, das Abteil selbst ist mit 513 Liter Volumen großzügig dimensioniert. Die Platzverhältnisse im Innenraum sind vorne gut, die Fondpassagiere spüren den modischen Verlauf der Dachlinie aber in Form mangelnder Kopffreiheit.

Nostalgisches Flair

Das Cockpit des neuen 9-5 setzt wie von Saab gewohnt auf eine leicht unterkühlt wirkende Funktionalität. Beim Blick auf die Schalter und Bedienhebel trotzdem Opel-Flair durch, schließlich basiert der 9-5 auf der Plattform des Insignia. Im Saab kommt es allerdings nicht zu einem Krieg der Knöpfe, zudem haben es die Schweden geschickt geschafft, die Gleichteilpolitik zu kaschieren. So erinnert der Startknopf in der Mittelkonsole an die frühere Position der Zündschlösser bei Saab.

Tradition und Moderne

Es bleibt nicht bei diesem einen Rückgriff in die Vergangenheit: Nach dem Starten des Motors begrüßt uns das grün schimmernde Display des mit 1000 Euro leider recht teuren Head-up-Displays mit dem alten Flugzeug-Logo der Marke. Unter der Haube des von uns getesteten Topmodells steckt ein 2,8-Liter-V6 mit Turboaufladung und 300 PS. Der Motor gefällt mit hoher Laufruhe und einem turbinenhaftem Sound. Doch um wirklich kraftvoll zuzubeißen, muss die Anzeigenadel des Ladedrucks auf Wanderschaft gehen. Unter Volllast zeigt sich aber eine Disharmonie zwischen der serienmäßigen Sechsstufen-Automatik und dem Motor: Die Turbo-Nadel zuckt nach rechts in den roten Bereich, parallel rast die Drehzahl in den Begrenzer. Erst sehr spät entschließt sich das Getriebe zum Gangwechsel.

Kein Kostverächter

Die Konsequenz aus dem zupackendem Turboeinsatz wird an der Tankstelle spürbar: Saab gibt den Normverbrauch des allradgetriebenen 9-5 2.8T V6 XWD mit 10,6 Liter auf 100 Kilometer an, wir kamen im Schnitt auf 13,1 Liter Super Plus. Eine Überraschung hält das 1390 Euro teure adaptive Fahrwerk bereit: Im Komfort-Modus zeigt es eine auffällige Polterneigung auf Fahrbahnunebenheiten wie etwa Gullideckeln. Im Opel Insignia sorgt das gleiche System für einen fast sänftenartigen Abrollkomfort, jedoch wurde für den 9-5 mit Allradantrieb eine sportliche Abstimmung von Federn und Stoßdämpfern gewählt. Außerdem sind in der Top-Ausstattung namens Aero 19-Zoll-Felgen serienmäßig.

Der Preis des Besonderen

Apropos Aero: Der 9-5 2.8T V6 XWD ist nur in dieser Version erhältlich und kostet 52.500 Euro. Hier sind viele Annehmlichkeiten bereits inklusive, trotzdem sind einige Extras richtig teuer. Bestes Beispiel ist die Festplatten-Navigation für deftige 2830 Euro. Preislich liegt der 9-5 auf dem Niveau der deutschen Konkurrenz, auch deswegen wird er ein Fall für Individualisten bleiben. Unser Eindruck: Saabs Neuanfang macht Lust auf mehr. Die Richtung stimmt.


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https://www.heise.de/-1201345

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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Saab-Eigner-Spyker-verkauft-Sportwagen-Produktion-1196671.html