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Teil 2 der Mongoleidurchquerung im Russenbus UAZ

Bären-Tour

News Dr. Thomas Hafen

Der zweite Teil unserer Mongoleidurchquerung im Russenbus bringt unter anderem die Erkenntnis, dass in der Wüste Gobi selbst ein UAZ an manche Grenzen seines Könnens stößt

Kurz hinter Mandalgovi ist dann überraschend Schluss für heute. Wir fragen nicht warum und wieso, sondern schlagen brav unser Lager auf. Amra und Orchon beginnen, an den UAZen herumzubasteln: Ein Ventilator soll eingebaut werden, um die Wüstenetappen besser bewältigen zu können. Am nächsten Tag geht es weiter Richtung Süden, jetzt wieder auf gut ausgebauter Asphaltstraße, die sogar mit einem Mittelstreifen aufwarten kann. Bei Tsorgt-Ovoo bietet die Steppe einen ungewohnten Anblick. Sintflutartige Regenfälle haben sie in eine Landschaft aus Wasser und Matsch verwandelt. Ohne die Asphaltstraße auf ihrem Damm wäre das Gebiet unpassierbar.

Doppelt so groß wie der Yellowstone-Nationalpark

Mittags erreichen wir Dalandzadgad, das Zentrum des Aimags Ömnögovi. Das Städtchen mit rund 17.000 Einwohnern verfügt nicht nur über einen Flughafen und einen Dinosaurierpark, sondern auch über ein Luxushotel, in dem wir einkehren. Mit 4,6° C Durchschnittstemperatur gehört Dalanzadgad laut Wikipedia zu den Orten in der Mongolei mit dem mildesten Klima. Bei Höchsttemperaturen von fast 40° C im Sommer und Tiefstwerten von nahezu -40° C im Winter ist „mild“ allerdings ein sehr relativer Begriff. Von Dalanzadgad geht es weiter in den Nationalpark Gobi Gurvan Saikhan. Der größte Nationalpark der Mongolei ist mit knapp 27.000 km2 mehr als doppelt so groß wie der Yellowstone-Nationalpark. Er wird durch die Gebirgszüge des Altai-Gobi geprägt und ist unter anderem Heimat des Schneeleoparden. Wir sehen bei unserem kurzen Aufenthalt allerdings nur ein paar Pfeifhasen, Ziesel, Schneesperlinge und Geier.

Über holprige Pisten erreichen wir am nächsten Tag gegen Mittag das Gobi Desert Camp. Dort kann man nicht nur zu Mittag essen, sondern auch duschen! Einige von uns entschließen sich, das Hygieneangebot wahrzunehmen, um sich immerhin für wenige Minuten frisch zu fühlen, bevor die Hitze und der Staub wieder alles zunichte machen. Nun nähern wir uns Khongoryn Els, den singenden Dünen. Deren Gesang ist unter dem Ächzen und Schnauben unser UAZe allerdings nicht zu vernehmen, die alle 20 Minuten stehen bleiben müssen, um abzukühlen. Zu diesem Zweck drehen die Fahrer die Schnauze der Fahrzeuge in den Wind und drücken im Leerlauf kräftig und wiederholt aufs Gaspedal wie Teenager und Porschefahrer an der roten Ampel.

War die Fahrt für uns Mitteleuropäer bisher schon abenteuerlich genug, wird es nun noch spannender: Ab Gurvantes ist Schluss mit Zivilisation: kein Supermarkt, kein Wasser und – für manche ganz schlimm: keine Mobilfunkempfang für die kommenden vier Tage! Von jetzt ab geht es auf einer Holperpiste nach Westen in die Transaltai Gobi. Wobei das Wort „Piste“ ein wenig hoch gegriffen ist. Die Fahrer suchen sich ihren Weg durch mehr oder weniger einförmiges Gelände. Mal gibt es eine Fahrspur, mal zehn parallele, mal auch gar keine. Orchon bleibt prompt in einer Sandgrube stecken und kommt trotz Vierradantrieb und Sperrdifferential aus eigener Kraft nicht mehr heraus. Auch der Abschleppversuch schlägt fehl und der UAZ gräbt sich immer weiter in den Sand. Zum Glück können wir den Wagen rückwärts aus der Grube schieben und Orchon bewältigt in einem zweiten Anlauf das Hindernis.

Jeder Bissen knirscht

Etwas erschöpft von diesem Abenteuer gelangen wir zu unserem Camp in einem Canyon aus rotem Sandstein. Ein heißer heftiger Wind aus Süd macht das Zeltaufbauen nicht gerade zum Vergnügen, doch es kommt noch schlimmer. Während des Abendessens dreht der Wind plötzlich auf Nordwest und wird zum Sandsturm. Unser Essen ist mit einer feinen Sandschicht überzogen, jeder Bissen knirscht. Auch ins Zelt dringt der Sand problemlos ein und bildet kleine Häufchen in den Ecken. In der Nacht flaut der Sturm zum Glück ab, es bleibt aber ausgesprochen heiß und an Schlaf ist nicht zu denken.

Am nächsten Morgen geht es nach Westen zur Oase Echin Gol, in der sich das Gobibär-Forschungszentrum befindet. Fast noch wichtiger aber: in Echin Gol gibt es einen Teich - Badetag, also! Zunächst aber halten wir an einer Quelle und finden die ersten Anzeichen für die Anwesenheit des Gobibären: Scheiße. Gegen Mittag erreichen wir schließlich Echin Gol. Es ist unglaublich heiß und schon der Weg zum Teich eine Qual. Dort angekommen springen wir erst einmal in die Fluten und waschen unsere Wäsche, die schon nach einer Stunde wieder trocken ist. Leider ist der Rückweg zum Zentrum schon wieder so schweißtreibend, dass von der Erfrischung wenig übrigbleibt.

Regenmenge: kaum 100 mm pro Jahr

Nun trennen uns nur noch 50 km vom eigentlichen Ziel unserer Reise: dem Tsagaan-Bodg-Gebirge im streng geschützten Naturreservat „Great Gobi A“. Zusammen mit dem weiter westlich gelegen Schutzgebiet „Great Gobi B“ ist es mit 53.000 km2 noch einmal fast doppelt so groß ist wie der Gobi Gurvan Saikhan-Nationalpark. Das extrem aride Gebiet ist Lebensraum einiger stark gefährdeter Großsäuger. Neben dem Gobibären kommen zum Beispiel Wildkamele, Schneeleoparden, Argali-Schafe und Wildesel vor. Durch die extreme Trockenheit – die durchschnittlichen Regenmengen betragen kaum 100 mm pro Jahr – konzentriert sich das Leben der größeren Säuger meist rund um die wenigen Wasserstellen.

Die Forscher des Gobibär-Schutzprojekte überwachen seit einiger Zeit die Wasserstellen mit Wildtierkameras, die automatisch Fotos schießen oder ein Video aufnehmen, wenn sich etwas in ihrem Sensorbereich bewegt. So gelangen unter anderem Bilder von Gobibärenweibchen mit Jungen, Schneeleoparden, Wildkamelen, Wildeseln, Argali-Schafen und anderen seltenen Bewohnern der Gobi. Die Bilder aus der Wildtierkamera sind dann auch für uns die einzige Möglichkeit, endlich einen Gobibären zu Gesicht zu bekommen.

Doch zuvor sind die bereits erwähnten 50 km zurückzulegen, es sind die härtesten unserer Reise. In der brütenden Hitze müssen die UAZe alle paar Minuten eine Abkühlpause einlegen. Ein Plattfuß bremst zusätzlich. Amra wechselt den Reifen – bei 40 Grad im Schatten alles andere als ein Vergnügen. So nähern wir uns langsam wie in einer Art Springprozession dem Ziel, das wir schließlich nach vier Stunden „Fahrt“ erreichen. Nach einem Tag Aufenthalt im Tsagaan-Bogd-Gebiet und der vergeblichen Suche nach dem Gobibären fahren wir über Echin Gol, Shinejinst und Bayankhongor wieder nach Norden. Noch einmal kommen die UAZe bei der Durchquerung der Wüste an ihre Grenzen. In der Nähe des Nogon-Tsav-Tales, das für seine Dinosaurierfunde bekannt ist, herrschen über dem Boden Temperaturen von 60° Celsius.

Wie schön kann Zivilisation sein

Ab Bayankhongor ist die Straße wieder asphaltiert. Wir fahren 80 km/h – und das ohne durchgerüttelt und gegen das Wagendach geschleudert zu werden - wie schön kann Zivilisation sein! Im Aimag-Zentrum Arvaikher campen wir direkt am Fluss. Yaks und Pferde grasen um uns herum, ein Mongole furtet auf seinem Pferd auf die andere Seite, um seine Herde zusammenzutreiben. Sein Motorrad, eigentlich das bevorzugte Herdentriebmittel der Mongolen, war ihm für die Wasserpassage wohl zu schade.

Letzter Höhepunkt unserer Reise ist die alte Dschingis Khan-Stadt Karakorum. Von der eigentlichen Siedlung ist nichts zu sehen, aber ein kleines Museum macht Lage und Ausdehnung der Stadt anhand eines Modells anschaulich – alles ausgegraben und erforscht von einer Deutsch-Mongolischen Expedition, wie unser Museumsführer nicht müde wird zu betonen. Auf dem Weg nach Karakorum ist übrigens der Auspuff abgefallen. Kein Problem, wir fahren einfach ohne weiter.

Zum Abschluss campen wir in den Khogno-Khan-Bergen unter einem Felsen, der wie aus Lebkuchen aufgeschichtet scheint. Wollsackverwitterung nennt das der Geologe, auch wenn die Ähnlichkeit mit einem Sack Wolle doch weit hergeholt ist. Abends stechen uns die Mücken und in der Nacht regnet es heftig. Wir haben die Wüste eindeutig verlassen. Am nächsten Tag erreichen wir Ulaanbaatar, wo uns ein bekanntes Problem erwartet: Das kennzeichen- und wochentagabhängige Fahrverbot. Es ist Freitag, dieses Mal darf Orchon nicht fahren.

Den Bericht über den ersten Teil der Reise finden Sie hier. [1]


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