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Gleitgut

Test: Kia Optima Sportswagon Plug-in-Hybrid

Fahrberichte Martin Franz
Kia Optima Sportswagon Plug-in-Hybrid

Der Kia Optima Sportswagon Plug-in-Hybrid ist sparsam und leise, sofern man ihn nicht hetzt und im richtigen Szenario nutzt. Dies besteht aus Strecken bis etwa 55 km und langen Pausen. Jede Form von Eile liegt ihm nicht, wie sich im Test zeigte

Wer den Blick gelegentlich weiter schweifen lässt, kommt schnell zu dem Schluss, dass Kia mit dem Optima SW Plug-in-Hybrid einigen Mut beweist. Denn die Kombination ist, global betrachtet, nicht gerade ein Erfolgsgarant. Kombis sind außerhalb von Westeuropa eine Randerscheinung, Plug-in-Hybride auch kein Magnet für einen Kundenansturm. Schon die Anzahl der direkten Konkurrenten ist ausgesprochen mager: Volvo V60 [1] und Mercedes C-Klasse mit Hybridantrieb [2] sind kräftiger, aber enger und vor allem deutlich teurer als der Kia, nur der VW Passat Variant GTE ist in etwa vergleichbar. Ein Test sollte klären, was für den teuersten Kia Optima und natürlich auch, was gegen ihn spricht.

Im Verbund

Kia hat den Hybridantrieb aus der Limousine übernommen, an einer entscheidenden Stelle allerdings nachgebessert. Als Verbrenner dient ein Zweiliter-Vierzylinder-Benziner mit Direkteinspritzung einer Phasenverstellung für beide Nockenwellen. Er muss ohne Aufladung auskommen, was sich unter anderem am Drehmomentmaximum von 189 Nm bei 5000/min ablesen lässt. Bei einem Hybridantrieb muss das nicht tragisch sein, immerhin sollte ein E-Motor, dessen volles Drehmoment ja aus dem Stand heraus bereits anliegt, die Schwäche des Verbrenners ausgleichen können. Zumal ein weiterer Umstand auf einen für einen Saugmotor ungewöhnlich Drehmomentverlauf hindeutet. Der 50-kW-E-Motor gibt sein Drehmoment-Maximum von 205 Nm zwischen 0 und 2330/min ab. Das maximale Systemdrehmoment von 375 Nm liegt bei 2330/min an – der Benziner steuert zu diesem Zeitpunkt also bereits 170 seiner maximal möglichen 189 Nm bei.

Die Batterie hat im Kombi eine Nennkapazität von 11,3 kWh, in der Limousine sind es nur 9,8 kWh. Bei unserer Ausfahrt gelang es im normalen Betrieb nur selten, die Restkapazität unter 10 Prozent zu bringen. Der Minimal-Rekord lag bei 6 Prozent und ist dem langsamen Fotografen zu verdanken, der den Kia immer wieder in geruhsamem Tempo vor der Linse haben wollte. Diese Gangart gelingt dann auch mit sehr niedrigem Batteriestand.

Bei rund 13 Prozent Restkapazität meldet der Bordcomputer das Ende der rein elektrischen Reichweite. Ist das einmal erreicht, lässt sich auch mit noch so geschicktem Rekuperieren kein Kilometer mehr rausholen – was allerdings nicht heißt, dass nun allein der Benziner übernehmen würde. Vielmehr mischt der E-Motor auch im Hybrid-Betrieb mit, oft sogar allein. Das ist gleich aus mehreren Gründen ganz angenehm. Zum einen erzieht es zu einer ruhigen Fahrweise, die dem Kia ohnehin deutlich mehr liegt als jede Form von Eile. Zum anderen hilft es dem Kia, den technischen Aufwand wenigstens ansatzweise mit Verbrauchswerten zu rechtfertigen, die man erwarten kann.

Einsatz entscheidet

Wie bei allen Plug-in-Hybriden hängt der Praxisverbrauch auch hier stark von den jeweiligen Fahrprofilen ab. Das Idealszenario besteht aus Strecken bis rund 50 km und langen Pausen mit Lademöglichkeit. Dann kann der Spritverbrauch gegen Null gehen. Ganz ohne kamen wir auch mit voller Batterie nicht aus. Selbst ohne Heizung, mit aktiviertem Ecomodus und der Vorgabe, elektrisch zu fahren, warf die Systemsteuerung hin und wieder den Verbrennungsmotor an – und zwar ohne, dass es eine Leistungsanforderung gegeben hätte, die dies nötig erschienen ließ. Obwohl im „tief-grünen“ Bereich der Eco-Anzeige beschleunigt wurde, fühlte sich der Benziner auf den Plan gerufen. Und das auch, wenn der Wunsch nach mehr Geschwindigkeit über den Tempomat übermittelt wurde. Spätestens hier sollte die Steuerung im Ecomodus die Kraft so dosieren, dass der Benziner aus bleibt.

Nachgeladen haben wir zwischen 10,1 und 10,7 kWh, wobei auch die restliche Ladung in der Batterie leicht schwankte. Die elektrische Reichweite lag vorab bei Null Kilometern, die restliche Kapazität in der Batterie laut Bordcomputer zwischen 11 und 14 Prozent. Gern hätte ich bei morgendlichen Temperaturen von rund 7 Grad eine Vorklimatisierung genutzt, doch die bietet der Kia nicht.

Wer die Batterie nicht lädt, aber den Kia im Eco-Modus gleiten lässt, kann mit rund 5 l/100 km auskommen. Maximal waren es 7,5 Liter. Die maximale elektrische Reichweite lag im Test bei 62 km, wobei diese Angabe aus den genannten Gründen nicht ganz genau ist – der Benziner war eben nicht komplett aus.

Gefühlt lau

Im Fahrbetrieb fällt ein deutlich spürbarer Unterschied zwischen dem Normalmodus und dem, bei jedem Start wieder aktivierten Ecomodus auf. In letzterem reagiert der Kia auf Beschleunigungswünsche zäher als im Normalmodus. Allerdings versteckt der Antriebsstrang seine laut Datenblatt immerhin 205 PS unglaublich geschickt. Treibt man den großen Kia zur Eile, wirkt er schnell gehetzt. Die Drehzahl schnellt in die Höhe, es wird laut, gefühlt allerdings nicht sonderlich dynamisch. Dabei täuscht der Eindruck – oft ist man schneller als gedacht. Es bleibt dennoch das Gefühl, dass dem Wagen ein flottes Tempo nicht liegt. Er scheint sich mit allen Fasern dagegen zu wehren. Auch die Werksangaben künden mit 9,7 Sekunden im Standardsprint und 192 km/h Höchstgeschwindigkeit von nur mäßigem Elan. Der Passat GTE [3] ist mit nur 13 PS mehr deutlich flinker: 7,6 Sekunden und 225 km/h lauten hier die Versprechen des Herstellers.

Dazu passt auch die Abstimmung des Optima-Fahrwerks. Er fühlt sich stets etwas schwerfällig und unwillig in Kurven an. Vom agilen Handling eines Mazda 6 [4] ist er meilenweit entfernt. Diesen Eindruck verfestigt die etwas gefühllose Lenkung. Insgesamt lädt der Optima Hybrid damit zu einer eher beschaulichen Reise ein, was ja an sich kein Fehler ist. Dafür würden wir uns noch etwas festere Sitze wünschen. Den aktuellen Sesseln fehlt es nicht nur an Seitenhalt, sie sind auch ziemlich weich. Im Testwagen waren sie mit Leder bezogen und ließen sich auch, wenngleich etwas geräuschvoll, belüften.

Das Platzangebot entspricht dem, was in dieser Klasse üblich ist. Vorn wie hinten gibt es also ausreichend Raum, um vier Personen bequem zu transportieren. Der Kofferraum ist mit 440 Litern allerdings erheblich kleiner als im Kia Optima mit Verbrennungsmotor, der 552 Liter aufnimmt. Neben einem leicht erhöhten Ladeboden fällt vor allem das Fach darunter im Hybridmodell weg – dort sitzt dann die Batterie.

Ordentlich gemacht

Das Interieur ist ordentlich verarbeitet, der Kia macht an keiner Stelle den Eindruck, die allgegenwärtigen Controller hätten bei seiner Entwicklung das alleinige Sagen gehabt. Funktional bleibt dagegen noch etwas Raum für Verbesserungen. Das Infotainmentsystem ist zum Teil ein wenig verwinkelt. Am Lenkrad hätten es für meinen Geschmack nicht zwingend acht Tasten und vier Wippen sein müssen. Ohne das Gebimmel des Spurhalteassistenten und das Kling-Klang-Klong zur Verabschiedung, das entfernt an die heute fast vergessene Salonpfortenglocke [5] erinnert, wäre der Optima insgesamt nicht weniger angenehm.

Mit Prognosen sollte man vorsichtig sein, wir riskieren trotzdem eine: Der Kia Optima SW Plug-in-Hybrid wird hierzulande ein Randerscheinung bleiben. Schon das gut ausgestattete Basismodell kostet 41.940 Euro, die noch umfangreicher ausstaffierte Version Spirit kostet noch einmal 4000 Euro mehr. Schon dem Einstiegsmodell fehlt es mit LED-Scheinwerfern, Navigations- und Soundsystem an kaum etwas, das Topmodell bietet zusätzlich noch ein paar Assistenten.

Doch der nur etwas schlechter ausgestattete Benziner mit Automatik ist gefühlt fast ebenso dynamisch wie der Hybrid – und rund 10.000 Euro günstiger. Da braucht es schon eine große Portion Idealismus, um dem leisen Teilzeit-Elektriker den Vorzug zu geben.

Kia hat die Kosten für die Überführung des Testwagens übernommen, der Autor jene für Kraftstoff und Strom.


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https://www.heise.de/-3839001

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Spar-Sport-Verpackung-2267715.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Unterwegs-im-Mercedes-C350e-2807550.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/VW-Passat-GTE-Plug-in-Hybrid-kommt-im-naechsten-Jahr-2404881.html
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Im-Test-Mazda-6-2-2-Skyactiv-D-150-3505022.html
[5] https://www.youtube.com/watch?v=Dmk26XCHCQ4